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Politicks Jänner 2023

| 27. Dezember 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 189, Politicks

Legitimationskrise: Ein Viertel der Jugendlichen braucht keine Demokratie!
Das aktuelle Demokratieradar der Universitäten Krems und Graz hat es in sich. Nur mehr 73 Prozent der 1,6 Millionen in Österreich lebenden Unterdreißigjährigen halten die Demokratie für besser als jede andere Regierungsform. Bei der älteren Bevölkerung tun das immerhin noch 85 Prozent. Ein Viertel der Jungen bezweifelt demnach, dass Demokratie die beste Regierungsform ist.

Diese Geringschätzung der Demokratie geht einher mit innenpolitischem Desinteresse. Von den Unterdreißigjährigen interessieren sich 41 Prozent gar nicht für Politik, von den Überdreißigjährigen nur 24 Prozent. Außerdem nutzen die Jungen deutlich seltener klassische Medien, um sich über Innenpolitik zu informieren. Nicht erhoben wurde, ob und wie viele Unterdreißigjährige sich für einzelne politische Themen wie etwa Klima- oder Tierschutz interessieren. Weiter zurückgegangen ist laut Demokratieradar außerdem die Demokratiezufriedenheit. Im Frühjahr 2018 waren noch 77 Prozent der in Österreich lebenden Menschen der Meinung, dass die Demokratie »sehr gut« oder »eher gut« funktioniert. Im Herbst 2022 waren nur noch 58 Prozent dieser Meinung. 63 Prozent der Befragten äußerten den Wunsch, das politische System grundlegend umzubauen.

Das Demokratieradar basiert auf einer Umfrage unter rund 4.500 Personen ab 14 Jahren in Österreich, die halbjährlich durchgeführt wird. Die eindeutigen Trends, die sich aus der langfristigen Betrachtung der Ergebnisse ableiten lassen, sollten sowohl die Politik als auch die Medien alarmieren. Es scheint nur mehr eine Frage der Zeit zu sein, bis sich weniger als die Hälfte der jungen Österreicherinnen und Österreicher für Politik interessiert. Damit sinkt natürlich auch das Interesse an Wahlen. Es droht also eine echte Legitimationskrise der politischen Institutionen.

Energiekosten – Regierung reagiert auf Forderungen der Industrie
Bundeskanzler Karl Nehammer hat in der ORF-Pressestunde einen weiteren Energiekostenzuschuss für Unternehmen angekündigt. Damit reagiert die Regierung – wie von der Industriellenvereinigung vehement gefordert – auf die deutsche Gaspreisbremse. Die deutsche Bundesregierung hatte zuvor einen innereuropäischen Förderungswettbewerb gestartet und für deutsche Haushalte und Unternehmen eine deutlich günstigere Basisversorgung beschlossen. Nehammer sagte, dass es keinen Wettbewerbsvorteil für die deutsche Industrie geben dürfe. Der Zuschuss solle demnach noch vor Weihnachten präsentiert und rasch umgesetzt werden.

Als Berechnungsgrundlage wird wohl das deutsche Modell herhalten. Dort wird der Gaspreis für jene 25.000 Industrieunternehmen, die mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden jährlich verbrauchen, ab 1. Januar für 70 Prozent des im Jahr 2021 verbrauchten Erdgases mit 7 Cent je Kilowattstunde gedeckelt. Die Differenz zum Marktpreis von etwa 20 Cent je Kilowattstunde übernehmen die deutschen Steuerzahler. Damit beträgt der Zuschuss unglaubliche 65 Prozent. Auch beim Strompreis gilt die 70-Prozent-Regelung. Dort liegt der Maximalpreis bei 13 Cent pro Kilowattstunde. In Österreich beziffert die E-Control den aktuellen Gaspreis übrigens mit 5,4 bis 30 Cent je Kilowattstunde.

Sonntagsfrage – derzeit keine Stimmenmehrheit für die Ampel
In der zweiten Dezemberwoche haben die Institute Insa, Unique Research und Market neue Umfragen für die Bundesebene präsentiert. Die FPÖ liegt demnach zwischen 26 und 29 Prozent, die SPÖ zwischen 25 und 27 und die ÖVP zwischen 20 und 21 Prozent. Inzwischen ist ziemlich klar, dass die ÖVP alles tun wird, damit erst 2024 gewählt wird.

Die einzige Zweierkoalition mit Stimmenmehrheit wäre demnach Blau-Rot. Tatsächlich melden sich immer öfter SPÖ-Funktionäre zu Wort, die kein Problem damit hätten, mit der Kickl-FPÖ zu koalieren. Eine Mandatsmehrheit wäre derzeit aber auch für Blau-Schwarz und Rot-Schwarz denkbar. Eine Ampel aus SPÖ, Grünen und Neos könnte derzeit hingegen aber nur mit 44 bis 46 Prozent rechnen, was wohl nicht für eine Mandatsmehrheit reichen würde. Daher hat aktuell eigentlich nur die FPÖ ein echtes Interesse an Neuwahlen.

Steiermark – ÖVP, SPÖ und FPÖ wollen den Landeshauptmann
Aus der Steiermark sind hingegen keine aktuellen Zahlen bekannt. Eine OGM-Umfrage von vor zwei Monaten sieht die ÖVP, die SPÖ und die FPÖ bei jeweils 24 Prozent. Landeshauptmann Christopher Drexler absolviert seit seinem Amtsantritt ein unglaublich dichtes Programm, um mit möglichst vielen Steirerinnen und Steirern persönlich in Kontakt zu kommen. Seine Hoffnung ist es, bis zur Landtagswahl im Herbst 2024 einen Landeshauptmannbonus aufzubauen, der stark genug ist, um den Gegenwind durch die Bundes-ÖVP zu überwinden und mit der Volkpartei als Nummer eins aus der Wahl hervorzugehen. Aber auch Anton Lang von der SPÖ will Landeshauptmann werden. Die bisherigen Äußerungen von Drexler und Lang lassen zwar darauf schließen, dass die ÖVP-SPÖ-Koalition ein weiteres Mal fortgesetzt werden soll, wobei die stärkere der beiden Parteien den Landeshauptmann stellen wird. Es könnte sich aber auch eine Dreierkoalition aus SPÖ, Grünen und KPÖ ausgehen. Und auch die steirische FPÖ unter Mario Kunasek hofft auf ihr blaues Wunder. Das könnte dann eintreten, wenn die FPÖ Erster oder Zweiter wird. Den Steirischen Landtagsparteien steht jedenfalls ein zweijähriger Marathon bevor, bei dem Landeshauptmann Christopher Drexler gute Chancen hat, sein Amt wieder zu erlangen. Schon bei der Landtagswahl in Tirol hat die ÖVP nur halb so viel verloren, wie in den Umfragen prognostiziert. Und wenn die ÖVP auch die niederösterreichische Landtagswahl am 29. Jänner mit einem blauen Auge – also einem Ergebnis deutlich über 40 Prozent – übersteht, wäre das ein Indiz dafür, dass eine Entkopplung von der Bundes-ÖVP bei der Wählergunst zumindest möglich ist.

Wie schlüssig ist Schengen-Blockade?
Innenminister Gerhard Karner und Bundeskanzler Karl Nehammer mussten zuletzt heftige Kritik sowohl von Teilen der Opposition wie auch von manchen Medien einstecken, weil Österreich der Aufnahme von Bulgarien und Rumänien in den Schengenraum nicht zugestimmt hat. Karner argumentiert, dass die Masse der nicht registrierten Migranten, die täglich aus Richtung Osten in Österreich ankommt, der klare Beweis sei, dass Schengen nicht funktioniert und man nicht auf ein System setzen könne, das nachweislich gescheitert sei.
Manche Regierungskritiker sprechen hingegen von einem gewaltigen Schaden, den Karner dem Ansehen Österreichs und der eng mit Osteuropa verbundenen Wirtschaft zugefügt habe. Und natürlich sind die Rumänen und Bulgaren erbost. Rumänien hat sogar seinen Botschafter abgezogen. Dort spricht man von schwer gestörten Beziehungen. Zustimmung zur Ablehnung kam von der FPÖ, Ablehnung von den Neos und vom ÖVP-Regierungspartner, den Grünen. Gespalten waren hingegen die Reaktionen aus der SPÖ. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach sich gegen einen Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien aus, ihr Vorgänger Christian Kern hingegen von einem Schuss ins eigene Knie. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig konterte seiner Parteichefin hingegen, dass Österreich sich in der EU nicht so stark isolieren solle, weil das zu entsprechenden Reaktionen führen müsse.

Österreich hat jedenfalls erreicht, dass sich EU-Kommission und Rat nun nicht länger davor drücken können, die nicht vorhandene Asylpolitik auf die Agenda zu setzen. Das ist sowohl aus Sicht der Kommission als auch des Rates äußerst unangenehm. Denn obwohl alle in der EU von der dringenden Verbesserung des Außengrenzschutzes reden, ist trotzdem allen klar, dass die illegale Migration unbeherrschbar bleiben wird. Und zwar so lange, bis es weitgehend lückenlose Rückführungsmöglichkeiten für abgelehnte Asylwerber gibt und solange der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die an beinahe allen EU-Außengrenzen praktizierten Pushbacks als illegal definiert.

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Politicks, Fazit 189 (Jänner 2023)

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