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Tandl macht Schluss (Fazit 189)

| 27. Dezember 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 189, Schlusspunkt

Populismus statt Arbeitsmarktreform. Karl Marx bezeichnete Arbeitslose als »industrielle Reservearmee«. Er meinte damit Menschen, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, ohne dafür einen Käufer zu finden. Und da Marx jedes Wirtschaftswachstum mit der steigenden Ausbeutung der Arbeiter, nicht jedoch mit Innovationen begründete, führte bei ihm jede Produktivitätssteigerung zur Vergrößerung der industriellen Reservearmee. Mit diesem längst widerlegten marxistischen Gedankenkonstrukt begründen die Gewerkschaften heute noch ihre Lohn- und Gehaltsforderungen. Aber die Arbeitgeber spielen bereitwillig mit. Schließlich haben sie über höhere Haushaltsbudgets auch etwas davon, wenn die Arbeitnehmer am technologisch begründeten Wirtschaftswachstum teilhaben.

Ähnlich verhält es sich mit der Argumentation der Gewerkschaften bei der Arbeitslosigkeit. Obwohl der demografische Wandel in den nächsten Jahrzehnten sicherstellt, dass es mehr Arbeit als Arbeitslose geben wird, tut der ÖGB immer noch so, als wäre jeder Arbeitslose von Not und Elend bedroht. Dabei hat etwa die Hälfte der aktuell 257.000 arbeitslos gemeldeten Österreicher bereits eine Einstellungsgarantie für ihr nächstes Beschäftigungsverhältnis. Diese Arbeitslosen sind es ein Zeichen für einen gut funktionierenden Arbeitsmarkt. Es ist gut für alle Beteiligten, wenn Arbeitnehmer einen Jobwechsel riskieren können, um sich persönlich zu verbessern.

Wesentlich herausfordernder ist die konjunkturelle Arbeitslosigkeit. Sie wird durch Überkapazitäten und Pleitewellen bei Wirtschaftskrisen ausgelöst. Doch davon ist aber trotz der gegenwärtigen Rezession noch nichts zu merken.

Richtig problematisch ist die strukturelle Arbeitslosigkeit, wie es sie in den steirischen Abwanderungsregionen gibt. Und wenn etwa ein Unternehmen seine Fertigung nach Asien verlegen muss, weil es sich bei uns die Energiekosten nicht mehr leisten, wird man die arbeitslos gewordenen Menschen kaum für den Pflegebereich umschulen können, obwohl dort dringend Arbeitskräfte benötigt werden. Zum Glück betrifft die strukturelle Arbeitslosigkeit nur einen Bruchteil der Arbeitslosen. Die Arbeitnehmervertreter tun trotzdem so, als ob das ganze Land unter strukturellen Problemen leiden würde. Außerdem bekämpfen sie die Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln für Arbeitssuchende. Aktuell gilt nämlich die Annahme von Arbeitsstellen, die weiter als eine Wegstunde von zu Hause entfernt sind, als nicht zumutbar. In einer Stunde kommt man aber nicht einmal von Fürstenfeld nach Weiz. Und sollte man von Arbeitssuchenden nicht Ähnliches verlangen können, wie den Zigtausenden Oststeirern, die täglich nach Graz pendeln?

Offiziell beträgt die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld zwischen 55 bis 60 Prozent des letzten Nettobezugs. Das ist viel zu wenig! Daher ist eine Erhöhung überfällig. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht für 20 bis 30 Wochen. Das ist angesichts der Arbeitsmarktsituation zu lange! Der Besuch von AMS-Schulungsmaßnahmen und Umschulungen erhöht die Bezugsdauer aus nachvollziehbaren Gründen. Um die Menschen während ihrer Arbeitslosigkeit nicht gänzlich von einer regelmäßigen Beschäftigung zu entwöhnen, hat der Gesetzgeber außerdem die Möglichkeit geschaffen, zusätzlich zum Arbeitslosengeld 485 Euro steuerfrei dazuzuverdienen. In Zeiten, als es tatsächlich deutlich mehr Arbeitslose als verfügbare Arbeit gab, mag das sinnvoll gewesen sein. Durch den demografischen Wandel hat sich das aber dramatisch geändert.

Um die 250.000 offenen Stellen endlich besser auf die 258.000 Arbeitssuchenden zu verteilen, ist eine Arbeitsmarktreform überfällig. Dazu sind aber auch Verschärfungen für die Arbeitslosen – wie etwa die Verkürzung der Anspruchsdauer, die Beendigung der steuerfreien Zuverdienstmöglichkeit oder die Zumutbarkeit längerer Wegzeiten – notwendig. Doch diese Reform wurde von der Regierung nun endgültig gecancelt. Die Grünen weigern sich nämlich, Reformen zuzustimmen, die für die Gewerkschaft unbequem sind. Und das obwohl die meisten Unternehmen verzweifelt nach willigen und fähigen Mitarbeitern suchen. Diese Zeiten eignen sich nicht für parteipolitisch motivierten Populismus.

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Tandl macht Schluss! Fazit 189 (Jänner 2023)

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