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Warm anziehen am Bau!

| 10. Dezember 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 188, Fazitgespräch

Foto: Heimo Binder

Der Grazer Baumeister Alexander Pongratz über Baukosten und Bebauungspläne, den Unterschied zwischen Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik und warum die »Neue Gründerzeit« noch lange nicht vorbei ist.

Das Gespräch führten Volker Schögler und Josef Schiffer.
Fotos von Heimo Binder.

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»Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr«, heißt es in einem Gedicht von Rainer Maria Rilke. Kostenexplosionen, restriktive Kreditvergabe, schwächelnde Wirtschaft, drohende Rezession und allgemeine Unsicherheit führen dazu, dass Investoren und Bauherren zur Zeit sehr zurückhaltend sind, wenn es darum geht, mit einem Neubau zu beginnen.

Der Immobilienmarkt hat eine preisliche Vollbremsung hingelegt. Was bedeutet all das für die Konsumenten, was für die Baubranche? Allein die Bauinnung in der Steiermark hat fast 3.000 Mitglieder mit rund 15.000 Beschäftigten. Wir haben mit Alexander Pongratz, Spartenobmann-Stellvertreter von Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftkammer Steiermark gesprochen.

Er war bis vor kurzem Landesinnungsmeister der Landesinnung Bau und kennt die Branche und den Markt seit Jahrzehnten in- und auswendig. Dunkle Wolken zeichnen sich am Herbsthimmel ab.

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Die jüngste Konjunkturumfrage von »KMU Forschung Austria« besagt, dass im Gewerbe und Handwerk, Österreichs größter Arbeitgeberbranche, die Stimmung gekippt ist: 80 Prozent der Unternehmen hätten demnach reale Umsatzverluste. Das liege vor allem an den extrem hohen Energiekosten, aber was sind die anderen Gründe? Und wie schaut es in der Steiermark aus?
Für das gesamte Gewerbe und Handwerk kann ich es nicht sagen, aber für die baunahen oder -verwandten Sparten haben wir nach wie vor eine sehr gute Auslastung. Im Bauhauptgewerbe bemerken wir, dass die Aufträge langsam nachlassen. Natürlich sind die Baukosten dabei ein Thema, aber der größte Faktor ist meines Erachtens die Zinssituation und die Kreditvergabe. Die Niedrigzinsphase ist vorbei, die Zinsen gehen rauf. Es sind viele Wohnungen gebaut worden, weil Graz ein günstiges Pflaster war und nicht weil der ehemalige Bürgermeister Nagl dazu aufgefordert hat, zu bauen. Weil die Nachfrage durch das billige Geld so hoch war, sind die Grundstückspreise in den letzten Jahren gestiegen, haben sich teilweise sogar verdoppelt, und die potenziellen Anleger fallen nun mehr oder weniger weg. Die Steigerung der Energiekosten spielt eher bei der Vermietung eine Rolle, aber auch bei den Kosten der Baustoffe selbst.

Vor wenigen Jahren haben Pensionsfonds Graz entdeckt und sich etwa in der »Smart City« eingekauft. Wie sieht die Entwicklung hier aus?
Die Schere geht sozusagen doppelt auf. Die Fonds haben deshalb eingekauft, weil am Kapitalmarkt fast keine Verzinsung zu erwirtschaften war, aber Grundstücke und auch die Baukosten günstig waren. Mit dem Preisanstieg bei Grund und Baustoffen ist inzwischen aber keine höhere Rendite mehr zu erzielen, auch die Mieten haben weitgehend stagniert, während die Verzinsung am Kapitalmarkt angestiegen ist. Bei einer Anhebung des Richtwertmietzinses könnten sich viele Mieter ihre Wohnungen nicht mehr leisten. Aus diesem Grund gibt es seitens der Fonds kaum mehr Nachfrage für ein Investment in diesem Sektor.

Foto: Heimo Binder

Und die privaten Anleger?
Die kleinen Käufer fallen ebenso zum Großteil weg. Eine Wohnung im Grazer Raum war bis vor kurzem noch einigermaßen erschwinglich – mit Preisen von 3.000 bis 4000 Euro netto pro Quadratmeter, bedient mit einem Kredit mit 1,5 Prozent Fixzinsen auf 15 Jahre. Zusammen mit der Richtwertmiete ergab sich daraus eine Rendite von 3 bis 3,5 Prozent. Selbst wenn man Mietausfälle und Investitionen berücksichtigt, hat sich die Wohnung damit in Wahrheit fast von selbst bezahlt. Das ist vorbei. Heute gibt es unter 4.500 Euro netto pro Quadratmeter in Graz vermutlich keine Neubauwohnung mehr und die Zinsen liegen derzeit bei über 4 Prozent fix auf zehn Jahre, haben sich also verdreifacht. Und die Kosten für den Bau der Wohnung sind auch gestiegen, während die Mieten eben wie gesagt fast gleich geblieben sind. Auf der anderen Seite kommen auf die Mieter von Seite der Betriebskosten große Probleme zu, wie etwa ein Anstieg von 65 Prozent allein bei der Fernwärme, ganz abgesehen von den Stromkosten.

Wie sehen Sie nach der letzten Gemeinderatswahl in der Landeshauptstadt die politischen Rahmenbedingungen für die Branche, wohin entwickelt sich die Stadt?
Es wird sicher keine Dichteerhöhungen mehr geben, wahrscheinlich werden Bebauungspläne noch restriktiver, aber das war schon vor dieser Stadtregierung ein Problem. Das sieht man etwa an der Entwicklung in der Kärntnerstraße. Erst jenseits der Stadtgrenze in Seiersberg lassen sich wieder Bebauungspläne erkennen. Hier fehlt jegliche Stadtentwicklung, es hätten zumindest Bebauungsrichtlinien erstellt werden müssen. Bebauungspläne nur anlassbezogen zu machen, funktioniert eben nicht. Außerdem ist hier die Stadt personell schwach aufgestellt, daher wäre eine externe Vergabe an Raumplanungsbüros wohl sinnvoller und ich für meinen Teil würde für die externe Erstellung der Bebauungspläne auch die Kosten tragen, denn die schleppenden Entscheidungen bei Bebauungsplänen sind für die Wirtschaft eine Katastrophe. Zur kommunalen Politik nur so viel: Sozialer Friede ist natürlich sehr wichtig, aber ausgleichende Sozialpolitik ist noch lange keine Wirtschaftspolitik.

Fachkräftemangel ist auch am Bau ein großes Thema – wie ist die Situation insgesamt und was macht man dagegen? Wie bewähren sich Anreize wie hohe Lehrlingsentschädigungen und die Bauakademie Übelbach?
Wir sind da gut aufgestellt und haben in der Steiermark heuer um fast 20 Prozent mehr Lehrlinge als im Vorjahr aufgenommen. Die Hauptgründe dafür sind, dass wir eine gute Lehrlingsentschädigung haben und auch gute Perspektiven bezüglich der Karriereleiter bieten. Schließlich haben wir die ganze Lehre in ihrem Ausbildungsinhalt sehr stark modernisiert, was auch in der Bezeichnung »Bauakademie« für die Ausbildungsstätte in Übelbach zum Ausdruck kommt. Ich darf behaupten, in der Ausbildung sind wir wahrscheinlich in Österreich weltweit die Besten. Punkto Fachkräfte muss man aber auch deutlich sagen, dass wir es nur mit den Inländern allein nicht schaffen werden, denn wir fischen alle im gleichen Teich, ob das jetzt Unternehmen wie Magna, Voest-Alpine oder Knapp-Logistik sind. Wir haben sehr viele Betriebe in der Steiermark, die alle Lehrlinge suchen und wir spüren die demografische Entwicklung, also insbesondere den starken Geburtenknick.

Foto: Heimo Binder

Stichwort grenzüberschreitender Dienstleistungsverkehr: Einzelunternehmer aus Bosnien und Serbien kommen als Arbeitskräfte zu Dumpingpreisen über Slowenien auf die heimischen Baustellen. Gewerkschaft und Arbeitgeber sagen der Praxis jetzt gemeinsam den Kampf an. Was bedeutet das konkret? Nachdem das schon seit Jahren beklagt wird, sind die Maßnahmen anscheinend nicht sehr wirkungsvoll?
Wir haben in der BUAK [Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse] rund 200.000 Dienstnehmer, davon sind fast 80.000 Mitarbeiter aus dem Ausland, das heißt ohne diese »Ausländer«, die ja zumeist EU-Inländer sind, könnten wir unsere Projekte nicht bewältigen. Das Lohn- und Sozialdumping werden wir nie ganz in den Griff kriegen, weil auch die Vermittler etwa bei einem rumänischen Arbeitnehmer mitkassieren wollen, wenn dieser statt 300 Euro in seiner Heimat bei uns 1.800 bis 2.000 Euro netto verdient. Rückwirkend gesehen, haben wir die Grenzen zu den neuen EU-Mitgliedern im Osten viel zu früh geöffnet, nämlich bevor bei Sozial- und Lohnstandards ähnliche Verhältnisse erreicht worden sind. Und diese gibt es bis heute einfach noch nicht. Durch die gute Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern haben die Maßnahmen gegen Lohndumping und Schwarzarbeit andererseits gut gegriffen und die kommende Bau-ID-Card, wie es sie etwa in Schweden gibt, wird vieles transparenter machen. Diesen Ausweis hat dann jeder Bauarbeiter mit dabei und damit haben wir bei einer Prüfung auch direkten Zugriff auf die österreichische Gebietskrankenkassa und zur BUAK.

Der Immobilienmarkt hat eine preisliche Vollbremsung hingelegt. Die Kreditzinsen steigen, mit der KIM-VO [Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmenverordnung] sind seit 1. August mindestens 20 Prozent Eigenmittel notwendig und im 2. Halbjahr 2022 ist der geringste Anstieg der Immobilienpreise seit langem zu verzeichnen – was heißt das für die Bauwirtschaft und den Markt?
Weil die Nachfrage sinkt, werden die Firmen mehr Aufträge brauchen. Ich sehe jetzt im Bauhauptgewerbe schon, dass Aufträge aktiv gesucht werden, was bis vor drei Monaten nicht der Fall, weil nicht notwendig war. Wir sehen den Auftragsrückgang auch bei den Planern. Die richtige Vollbremsung kommt aber erst, und zwar schon im kommenden Halbjahr. Im Zeitraum 2023/24 wird sich die Branche warm anziehen müssen.

Haben die Grundstücks- und Immobilienpreise schon ihren Höhepunkt erreicht? Das Angebot steigt offenbar, seit Sommer sinkt aber die Nachfrage. Oder ist wegen Kostenexplosionen, drohender Rezession und allgemeiner Unsicherheit gar ein Wertverlust bei Immobilien denkbar?
Es wird nicht zu einer realen Verbilligung kommen, denn selbst wenn Zinsen, Treibstoff- und Gaspreis zurückgehen, kommt die Inflation in der Wirtschaft erst an. Der hohe Fernwärmepreis oder der hohe Gaspreis kommen nun erst mit Verzögerung an und da sehe ich auch mittelfristig keine realistische Perspektive, dass diese Preise dramatisch zurückgehen werden. Das Gaspreisniveau wird vielleicht wieder etwas sinken, aber umgekehrt wird es wegen der Bemühungen, auf alternative Energien umzustellen, keine Preisrückgänge geben und damit werden auch die Immobilienpreise nicht fallen. Die Immobilie bleibt nach wie vor eine gute Wertanlage, aber immer weniger für einen Durchschnittsverdiener.

In Österreich beträgt der Rückgang bei Immobilienkrediten von 800 Millionen Euro auf 600 Millionen im Juli minus 25 Prozent, im August auf 300 Millionen, das sind minus 50 Prozent. Das bedeutet schwächelnde Wirtschaft, drohender Stillstand und drohende Arbeitslosigkeit, die wiederum zu Kreditausfällen führen kann. Wird das zur Belastungsprobe für Banken und auch für die Bauwirtschaft?
Diese Entwicklung bestätigt jedenfalls meine Einschätzung, dass eine Rezession bevorstehen wird. Wir waren begünstigt durch niedrige Zinsen, jetzt bewirken die hohen Zinsen, dass ein Privater – wenn er nicht das Geld hat – im kommenden Jahr sicher nicht zu bauen beginnt. Die Kreditvergabe ist restriktiv – nicht nur wegen der strengeren Kreditrichtlinien, sondern auch weil die Banken sich nicht exponieren und in vielen Fällen gar keine neuen Kredite vergeben wollen. Manche Bank ist schon längst am Limit bei den Kreditvergaben, die sie sich für heuer vorgenommen haben.

Nach welchen Wohnungen besteht Ihrer Erfahrung nach heute die größte Nachfrage, welche sind leistbar und gut vermietbar?
Die größte Nachfrage herrscht nach wie vor nach einer Zweizimmerwohnung, weil es nicht mehr so viele große Familien gibt und die Zahl der Singles zunimmt. Der typische »Seniorsingle« etwa nach einer Scheidung verfügt zumeist über ausreichend finanzielle Mittel und will eine schöne Zweizimmerwohnung, ebenso der Student, der vom Elternhaus finanziell unterstützt wird. Die Änderungen bei der Sanierungsförderung in der Steiermark werden bewirken, dass wir bei Wohnungen aus der umfassenden Sanierung, der Assanierung und im geförderten Geschoßbau in etwa die gleichen Mieten haben werden, und zwar überall generell zwei Drittel vom Richtwert, das sind dann ungefähr 5,66 Euro, als oberes Limit. Diese Regelung gilt für 15 Jahre, also den Zeitraum für der Absetzbarkeit der Immobilie. Das heißt, der Kunde kann bei allen Förderungsvarianten zu gleichen Konditionen frei auswählen. Damit werden auch Drei- oder Vierzimmerwohnungen leistbarer und vergleichbar mit den Genossenschaftswohnungen sein, die wegen der hohen Zinsen teurer und weniger gebaut werden.

Foto: Heimo Binder

Pongratz-Bau errichtet das Großbauprojekt Triester Straße. An welche Zielgruppen richtet sich das Angebot, dem Vernehmen nach handelt es sich um relativ kleine Wohneinheiten?
Dort entstehen 510 Wohnungen von C&P als Bauträger, wir sind Generalunternehmer, und die Planung ist über einen Wettbewerb der Stadt Graz gelaufen. Das Projekt »Gate 17« beinhaltet Anlegerwohnungen in Größen von 37 und bis zu 90 Quadratmeter mit einem Jahr Vermietungsgarantie. Hier beträgt der Quadratmeterpreis 4.100 Euro, was im Vergleich zu den erwähnten 4.500 Euro noch relativ günstig ist. Nächstes Jahr werden die Kosten noch höher sein, daher gehe ich eben nicht davon aus, dass die Preise für Immobilien generell fallen werden.

Insbesondere im Griesviertel ist in der Stadt Graz schon länger von der »Neue Gründerzeit« die Rede. Besteht diese Aufbruchsstimmung trotz der veränderten Verhältnisse weiter?
Auch wenn die Politik jetzt bremst, ist es so, dass diese Innenstadtregionen nach wie vor sehr nachgefragt sind. Auch international ist die Tendenz, in die Innenstädte zu gehen, eindeutig zu erkennen. Kurze Wege, Bildungs- und Unterhaltungsangebote, Arbeitsplätze, die Lust unter Menschen zu leben – das bieten nur die Städte. Diese Nachfrage wird auch nicht aufhören. Es wird zu einer weiteren Aufwertung der Gries-Gegend kommen, und weil hier die Förderung sehr gut ist, so dass es sich der Migrant ebenso wie der Österreicher leisten kann, wird das zu einer besseren Durchmischung von In- und Ausländern führen. Mit der Zeit wird die Achse vom Lend zum Gries entlang der Mur zusammenwachsen.

Noch eine Frage aus gegebenem Anlass – wie wird ein vormaliger Innungsmeister beziehungsweise nunmehriger Spartenobmann-Stellvertreter in der Wirtschaftskammer Steiermark entlohnt?
Man bekommt eine Entschädigung, das war für den Landesinnungsmeister 1.386 Euro und beträgt für den Spartenobmann-Stellvertreter 900 Euro im Monat.

Herr Pongratz, vielen Dank für das Gespräch.

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Gerhard Stark wurde am 13. September 1961 in Friesach geboren. Er besuchte eine HTL für Maschinenbau in Klagenfurt und studierte in Graz Medizin. 2011 wurde er Ärztlicher Direktor im Krankenhaus der Elisabethinen-Graz, fünf Jahre später Ärztlicher Direktor der Ordensprovinz »Barmherzige Brüder Österreich«. Im November 2021 wurde er – zunächst interimistisch – zum Vorstandsvorsitzender der Kages bestellt. Stark ist verheiratet und hat drei Kinder.

Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft GmbH. (KAGes) wurde 1985 als Betreiber der steirischen Landeskranenhäuser gegründet, seit 2013 gehören auch die Landespflegezentren dazu. Im Bereich der Universitätskliniken gibt es eine Kooperation mit der Medizinischen Universität Graz. Die Gesellschaft beschäftigt über 18.000 Mitarbeiter und ist damit der größte Arbeitgeber in der Steiermark. Derzeit gibt es zehn Landeskrankenhäuser an 20 Standorten sowie vier Landespflegezentren. kages.at

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