Herr der Fliegen (Best of Fazitportrait)
Volker Schögler | 28. Februar 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 190, Fazitportrait
Wer sich mit Fliegenfischen beschäftigt, stößt hierzulande unweigerlich auf Hans Ljubic. Seit 40 Jahren betreibt er gemeinsam mit seiner Frau Waltraud in Graz ein Geschäft für Angelsport, wo sie nicht nur die Fliegen aus unzähligen und unsagbaren Materialien selbst herstellen. Er ist zugleich Handwerker, Lehrer, Guide für seine Kunden und Zeitzeuge der Fische.
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Als Hans Ljubic im Jahr 1979 in der Sendung »Was bin ich?« auftrat, und der legendäre Quizmaster Robert Lembke ihm die obligate Frage stellte »Welches Schweinderl hätten S‘ denn gern?«, wählte er das grüne. Es hat heute noch einen Ehrenplatz bei Angelsport-Ljubic in der Herrgottwiesgasse. »Fliegenbinder« lautete die Berufsbezeichnung, die als – nur für das Publikum sichtbares – Insert eingeblendet wurde. Sie haben es nicht erraten. Sie, das war das vierköpfige Rateteam bestehend aus Guido Baumann, Hans Sachs, Annette von Aretin und wahrscheinlich Anneliese Fleyenschmidt, denn Marianne Koch war nicht dabei, sind sich Hans und seine Frau Waltraud Ljubic heute einig. Zur Erklärung für alle Unterdreissigjährigen (die Sendung gab es ja doch bis 1989): Je früher man »Was bin ich?« geschaut hat, also vielleicht schon in den 1960er Jahren, desto genauer erinnert man sich an Einzelheiten oder Namen, weil man all die Jahre wesentlich weniger Sendungen und Sender zur Auswahl hatte. Die Einschaltquote beim sogenannten »heiteren Beruferaten« lag bei bis zu heute unvorstellbaren 75 Prozent. Was Herr Sachs, der während der Sendung gelegentlich eine geraucht hat, und Frau Koch hauptberuflich gemacht haben, wissen Eure Eltern und Großeltern ohne nachzudenken oder zu googlen. Zehnmal fünf Deutsche Mark bekam Hans Ljubic in sein Schweinderl, damit war es voll. Nicht inflationsbereinigt gerade einmal 25 Euro. So vergehen sie also doch, der Ruhm der Welt, der Papst und das Geld.
Guru gibts keinen
»Fliegenbinder« ist zwar so richtig wie originell, greift aber zu kurz, um das umfassende Anglerreich des Hans Ljubic zu beschreiben. Das Geschäftlokal, das bis 2011 33 Jahre lang in der Muchargasse beheimatet war, ist zum Mekka für Fischer geworden und das hat mehrere Gründe. Ob er damit einverstanden ist oder nicht, aber Hans Ljubic ist der Prophet und das größere Wunder ist, dass er noch immer – bald zum fünfzigsten Mal – zum Fischen nach Alaska geht und nicht Alaska zu ihm kommt. Oder zumindest die Lachse. Ein ernstzunehmenderer Grund ist, dass er kein Guru ist. Darauf legt er Wert, denn dazu ist er schon zu vielen begegnet. Ljubic: »Es ist immer irgendein Guru dabei, der alles über Fliegen weiß.« Außerdem scheint es ein Naturgesetz zu geben, das besagt: Sollte der Guru aus welchem Grund auch immer ausfallen, nimmt sofort ein anderer seine Stelle ein. Soziologen werden müde lächeln, sie kennen das. Ein anderer Grund besteht darin, dass er nach knapp mehr als 70 Lebensjahren über einen entsprechend großen Erfahrungsschatz verfügt und alles dafür tut, um ein anderes Naturgesetz zu widerlegen, nämlich dass man Erfahrung nicht weitergeben kann. Glaubt man den Rückmeldungen von Kursteilnehmern an der »Ersten Grazer Fliegenfischerschule«, die Hans Ljubic seit vielen Jahren in Rohrmoos am Untertalbach beim Alpengasthof Tetter betreibt, so ist er damit ziemlich erfolgreich.
Schulung der Wurftechnik
Manche Dinge lassen sich erlernen, so man dazu bereit ist. So legt der Meister besonderen Wert auf die Vermittlung des sorgsamen Umgangs mit der Natur. Bach, Fluss, See und die Umwelt gehören da ebenso dazu, wie die richtige Behandlung der Fische während des Fanges und des Zurücksetzens sowie die richtige Verwahrung eines mitgenommenen Fisches. Im Vordergrund steht natürlich die Praxis. Daher wird die meiste Zeit dem Erlernen der Wurftechnik gewidmet. Beim Fliegenfischen wird die Schnur geworfen, denn sie ist das Gewicht. Im Vergleich zum Fischen mit Wurm, Blinker und Schwimmer und Co hat eine Fliege bekanntlich kein Gewicht. Viele kennen die Bilder aus der Romanverfilmung »Aus der Mitte entspringt ein Fluss«, wie Brad Pitt, sein Filmbruder und sein Filmvater mit weit ausholenden Schwüngen dem Fliegenfischen eine spirituelle Ästhetik verleihen. Aber wie Brad Pitt wirft, gefällt Meister Ljubic nicht wirklich. Er ist Anhänger der Gebetsroither-Methode, bei der der Wurf aus Unter- und Oberarm kommt und kreisförmig ausgeführt wird. Vom Österreicher Hans Gebetsroither stammt die österreichische Wurfschule, also ein bisschen Tribalismus soll sein, solange es keine Religionsfrage ist. Jedenfalls soll der Wurf gezielt zum Fisch gelingen. Wie, mag prinzipiell egal sein, aber viele andere Möglichkeiten gibt es nicht. Das Wasser sollte daher auch klar sein, im Trüben ist schlecht Fliegenfischen.
Manufaktur
Hans Ljubic verkauft nicht einfach Handelsware. Ganz abgesehen von den Fliegen konfektioniert er sogar Angelruten selbst. Und das geht so: Nur die Kohlefaserrohlinge werden eingekauft, der gesamte Auf- und Zusammenbau, inklusive Drehen und Schleifen der Korkgriffe erledigt der Meister in Eigenregie. Und tut sich daher auch bei allfälligen Reparaturen leicht. So entstehen drei-, aber auch vierteilige Anglerrouten die in der Regel 7 bis 9,6 Fuß lang sind, das sind etwa 2 bis 3 Meter; die Lachsrouten hingegen haben eine Länge von rund 3,8 bis 4,3 Meter und werden von ihm bis zu sechsteilig gebaut. »Damit erspart man sich etwa bei Reisen nach Alaska das Geld für überlanges Gepäck im Fluzeug«, schöpft er aus seinem Erfahrungsschatz.
Ausrüstung kostet
Apropos Geld. Ganz billig ist das Vergnügen nicht. Abgesehen von Reisespesen – wenn man es denn ausgerechnet auf den Königslachs oder den Silberlachs abgesehen hat – gehört doch so einiges zur Ausrüstung. Vorsichtig geschätzt schlägt sich das Basis-Equipment mit/ab 600 bis 900 Euro zu Buche. Da sind aber auch Watstiefel und Bekleidung inkludiert. Und letztere ist bereits befüllt mit Fliegen und Dosen, Vorfächern und Vorfächermaterial (daran ist der Haken geknotet), Klemmen, Schere, Clips zum Abzwicken, Fliegenfett zum Imprägnieren, einem Messer, einer Polbrille (filtert die waagrechten Lichtwellen, damit man den Fisch im Wasser besser sieht), aber auch die Fliegenschnur, die Fliegenrolle und die Fliegenrute sind dabei. »Nach oben gibt es keine Grenze«, fügt Hans Ljubic wahrheitsgetreu hinzu. Und dass die Kosten für die Tageskarte (Landesgästekarte) bis zu 150 Euro ausmachen. Eine Fliegenrolle etwa kann 50 Euro kosten, aber auch 1.000. Statt den bekannten überhohen Stiefel aus Gummi werden heute gern Wathosen verwendet, die auch aus Gummi sind, an den Füßen aber aus wasserdichtem Neoprem, die wiederum in speziellen Schuhen stecken, die wie Wanderschuhen aussehen, aber auch innen nass werden dürfen, ja müssen, wahlweise mit Gummisohle oder mit Filzsohle, die ein Ausrutschen verhindern soll. Es gibt sogar Schuhe mit auswechselbaren Sohlen. Auch Flugschnüre gibt es zu hunderten, »aber nur zehn sind wirklich wichtig«.
Kriterium Insektenkunde
Auf Anglerlatein wird im Hause Ljubic dankenswerterweise konsequent verzichtet, obwohl – die Geschichte mit den selbst kreierten »Königslachsjigs pink« mit applizierter Bleikugel, einer Lachsfliege Marke Ljubic, mit der er mehr erwischt als alle anderen zusammen, ist von ziemlich schrägen Eltern. Aber wer den Hans Ljubic kennengelernt hat weiß, dass es nur stimmen kann. Zum Fliegenfischen gehören unbedingt Kenntnisse in Insektenkunde. »Faktisch kann man alle Fische per Fliege fangen«, klärt der Meister auf. Also nicht nur Forelle und Äsche, sondern auch Weißfische wie Eitel, Nase oder Barbe, sowie Barsch, Zander, Wels, Rotauge, Huchen oder Hecht. Man lernt nie aus. Wer schon immer wissen wollte, wie ein Hecht in einen Schotterteich kommt: Es war die Ente – sie überträgt nicht nur Insekten, sondern auch den Hecht. Staunen macht den Laien auch, dass es tausende Arten von Eintagsfliegen gibt. Als Imago, Subimago und Emerger – wir kennen uns aus, oder? In aller Kürze: Grundsätzlich kennt der Angler drei wichtige Fliegen. Neben besagter Eintagsfliege noch die Köcherfliege und die Steinfliege. Der »Schlupf« beginnt grundsätzlich im März, bei warmem Wetter schon früher, hat seinen Höhepukt im Juni und dauert etwa bis Ende Oktober. Den Ablauf zu kennen, Ei – Nymphe (Larve) – erste Häutung knapp unter der Wasseroberfläche (Subimago, das nicht geschlechtsreife Insekt) – zweite Häutung bereits an der Luft, heißt, mit dem Wissen der Fische gleichzuziehen. Nur dann kann der Fliegenfischer erkennen, welche Fliege er zu wählen hat, um Petri Dank sagen zu können. Und ja, das hängt mit dem biblischen Fischer Petrus zusammen. Lukas 5,1-11 und Johannes 21, 1-14, für die, die es nachlesen wollen. Gloria mundi, der Ruhm der Welt, hat übrigens wirklich mit der Vergänglichkeit des Papstes zu tun und das steht jetzt hier nur, weil der Paganini der Abschweifungen, Harry Rowohlt (»Ich bin ja schon froh, dass ich nicht Kiepenheuer und Witsch heiße«), am 15. Juni seine dritten Todestag hatte.
Immer weniger Fische
Hans Ljubic selbst setzt seine Fänge wieder im Wasser aus, wie er überhaupt wenig fischt: »Weil es ja nur mehr so wenig Fische gibt.« Als Mitglied des Grazer Sportanglervereins und des Kuratoriums für Fischerei in Wien beschäftigt er sich intensiv mit Umweltproblemen – sozusagen aus der Sicht der Fische. Wer über die Problematik von Wasserkraftwerken oder Kormoranen oder übertriebenen Tierschutz diskutieren will, ist bei ihm richtig. Natürlich kennt der staatlich geprüfte Berg- und Schiführer und steirische Schilehrer Ausnahmeflüsse und Kleinode wie etwa die Obere Salza. Und er fungiert auch als Guide für Fliegenfischen in heimischen und ausländischen EU-Gewässern. Und er läßt sich auch gern nach Alaska begleiten.
Das Band mit der »Was bin ich«-Sendung wurde mit dem hervorragenden, aber ausgestorbenen Video-2000-System aufgezeichnet. Aber das macht nichts, denn es wurde ohnehin versehentlich gelöscht. Sic transit gloria mundi. Oder: There is no greater fan of fly fishing than the worm (Patrick F. McManus).
Angelsport Hans Ljubic
8055 Graz, Herrgottwiesgasse 149
Telefon +43 316 681490
angelsport-ljubic.at
Best of Fazitportrait, Fazit 190 (März 2023) – Fotos: Marija Kanizaj
Dieses Fazitportrait erschien erstmals im Juli 2018.
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