Politicks März 2023
Johannes Tandl | 28. Februar 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 190, Politicks
Steiermark: Drei Parteien hoffen auf den LH-Sessel
Eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl kann von Wahlkampf noch keine Rede sein. Trotzdem haben die Parteien bereits damit begonnen, sich organisatorisch in Stellung zu bringen. Einen Personalwechsel hat es kürzlich bei der steirischen SPÖ gegeben. Dort folgt der 32-jährige Florian Seifter dem in Ruhestand getretenen Günther Pirker als Landesgeschäftsführer nach. Seifert ist ehemaliger Kommunikationschef der steirischen SPÖ. Er hat das Motto ausgegeben, mit mehr Alltagspräsenz der steirischen SPÖ die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die bevorstehende Landtagswahl zu gewinnen. Denn der steirische SPÖ-Chef LHStv. Anton Lang sieht für seine Partei gute Chancen, beim nächsten Mal wieder vor der ÖVP durch das Ziel zu gehen. Und glaubt man den Gerüchten über diverse langjährige Absprachen zwischen ÖVP und SPÖ, ist eine vierte Legislaturperiode der derzeitigen Koalition längst beschlossene Sache. Dass der Landeshauptmann von der stärkeren der beiden Partei gestellt wird, ist zwar gerade in der Steiermark keine Selbstverständlichkeit. Das soll aber ebenfalls bereits fix ausgemacht worden sein.
Bei einer von den Neos beim Institut »Triple M« beauftragten Umfrage landet die FPÖ so wie im Bund auch in der Steiermark deutlich vor SPÖ und ÖVP. Alle drei Parteien befinden sich jedoch innerhalb der Schwankungsbreite. „Triple M“ ist zudem in Bezug auf politische Umfragen kaum in Erscheinung getreten. Und gerade die Sonntagsfrage birgt ein großes Fehlerpotenzial, denn um die Partei-Unentschlossenen, die Verweigerer oder die potenziellen Nichtwähler richtig zuordnen zu können, sind nicht nur statistisches und methodisches Wissen, sondern auch Erfahrung erforderlich. Jedenfalls macht sich auch die FPÖ berechtigte Hoffnungen auf den ersten Platz und damit auf den LH-Sessel. Wer als FPÖ-Spitzenkandidat ins Rennen gehen wird, ist wegen der Falschaussagevorwürfe gegen FPÖ-Chef Mario Kunasek zwar noch fraglich, aber wohl zweitrangig, denn den Protest- und Denkzettelwählern geht es bekanntlich vor allem darum, die bisherigen Regierungsparteien zu schädigen.
Christopher Drexler ist natürlich Landeshauptmann geworden, um zu bleiben. Tatsächlich hat sich sein Vorgänger Hermann Schützenhöfer für den Wechsel einen Zeitpunkt ausgesucht, der seinem Nachfolger bis zur im Herbst 2024 geplanten Wahl einen möglichst großen Landeshauptmannbonus ermöglichen soll, um so die Nummer eins für die Steirische Volkspartei sicherzustellen.
Drexler gibt den Landeshauptmann im Lodenjanker
Um diesen LH-Bonus zu erarbeiten, reist Drexler nun seit acht Monaten kreuz und quer durch die Steiermark und schüttelt dabei Tausende Hände. Doch bisher ist diese Strategie noch nicht aufgegangen. Denn obwohl Drexler ein unglaublich intensives Programm abspult, bilden sich seine Aktivitäten nicht in den Umfragewerten ab. Die ÖVP liegt bestenfalls Kopf an Kopf mit ihren Mitbewerbern. Und die eher unpolitischen Lodenjanker-Auftritte Drexlers bei Sport- und Volkskulturveranstaltungen werden medial nicht nur vom Ukraine-Krieg, der Inflation und den Energiepreisen, sondern auch von den Korruptionsvorwürfen gegen die Bundes-ÖVP überschattet.
Daher haben die üblichen parteiinternen »Jammereien«, mit denen auch Schützenhöfer zu kämpfen hatte, bis er – im Sog von Sebastian Kurz – die Landtagswahl 2019 mit über 13 Prozent Vorsprung vor der SPÖ für sich entscheiden konnte, längst eingesetzt.
Landesthemen gehen derzeit völlig unter
Vielleicht denken sich die Kommunikationsberater des Landeshauptmannes angesichts dieser Stimmungslage ja, dass es derzeit gar keinen Sinn hat, diesen übermächtigen Themen mit positiver PR-Arbeit gegenüberzutreten. Das Umfeld des Landeshauptmannes bleibt nämlich trotz der schlechten Umfragen überraschend gelassen. Wie schon in Tirol, Niederösterreich und in Kärnten schaffen es landesspezifische Themen auch in der Steiermark derzeit kaum über die mediale Wahrnehmungsschwelle hinaus. Da mag es aus Drexlers Sicht durchaus klug erscheinen, die zahlreichen »Good News«, die es aus landespolitischer Sicht sowohl wirtschaftlich als auch wissenschaftlich, ökologisch, sozial oder in Bezug auf die Infrastruktur zu vermelden gäbe, bis zum Wahljahr zurückzuhalten; um dann mit geballter Kraft als Landesmanager zu punkten. So gibt es trotz der angespannten Wirtschaftslage so viele offene Stellen wie nie zuvor – nicht nur im Großraum Graz, sondern im ganzen Land. Auch die Mietpreise sind im Bundesländervergleich extrem niedrig. Sie liegen zwischen 30 und 60 Prozent unter jenen von Wien oder von Westösterreich. Und selbst was die Einkommen der unselbstständig Beschäftigten betrifft, hat die Steiermark – vor allem wegen der hohen Industriequote – sämtliche touristisch geprägten Bundesländer und auch Wien abgehängt. Die höchsten Medianeinkommen erzielen inzwischen übrigens die Niederösterreicher und die Burgenländer. Die beiden Bundesländer teilen sich den Speckgürtel der Bundeshauptstadt untereinander auf. Und dorthin flüchten die einkommensstarken Wiener immer noch ungebrochen bei ihrer Absetzbewegung aus der Großstadt.
Die Gesundheitspolitik kommt nicht aus den Schlagzeilen
Im Gesundheitsbereich bläst allen politisch Verantwortlichen ein starker Wind entgegen. Der Personalmangel in den Spitälern hat inzwischen dazu geführt, dass in der Steiermark Hunderte Krankenhausbetten stillgelegt werden mussten. Von den versprochenen Gesundheitszentren, die im niedergelassenen Bereich die nur wenige Stunden täglich geöffneten Einzelordinationen zuerst ergänzen und danach ersetzen sollen, ist noch nicht viel zu bemerken. Dazu kommt die in der Region immer noch unbewältigte Einigung auf das Leitspital für den riesigen Bezirk Liezen, das aus Sicht der Landesregierung dringend notwendig ist, um die medizinische Versorgung in der bevölkerungsarmen Region auf einem hohen Niveau zu halten.
Natürlich kämpfen die Spitäler auch in allen anderen Flächenbundesländern sowohl im medizinischen als auch im Pflegebereich mit dem Personalmangel. In einem Krankenhaus der Maximalversorgung wie dem LKH Graz mit 19 Universitätskliniken, 33 Departments, 1.550 Betten und 7.800 Mitarbeitern potenzieren sich die Ressourcenprobleme jedoch. Die steirische Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß kämpft zwar gegen den Mangel, aber ihre Einflussmöglichkeiten sind beschränkt. Die Entscheidungsstrukturen in der Gesundheitspolitik sind geprägt von überlappenden Kompetenzen von Bund, Land und Sozialversicherungsträgern. Gemeinsam mit der Interessenpolitik der Ärztekammern ähneln sie einem gordischen Knoten der nur mehr zerschlagen und nicht entwirrt werden kann. Doch selbst das ist kaum möglich, weil keiner der Stakeholder freiwillig auf Macht und Einfluss verzichten will. Daher enden die Reformansätze regelmäßig in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Das reicht der verunsicherten Bevölkerung natürlich nicht. Und auch die Steirerinnen und Steirer haben kein Verständnis mehr für niedergelassene Ärzte, die sich weigern, in der Nacht und an Wochenenden zu arbeiten; oder für Spitalsambulanzen, die selbst bei geplanten Nachuntersuchungen am Terminmanagement scheitern. Und schon gar nicht dafür, dass es diese Probleme nur gibt, weil sich der Gesundheitsminister nicht mit den Ländern, den Sozialversicherungsträgern und den Ärztekammern auf klare Entscheidungs- und Finanzierungsstrukturen einigen kann.
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