Tandl macht Schluss (Fazit 190)
Johannes Tandl | 28. Februar 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 190, Schlusspunkt
Weltbevölkerung, Klima und Arbeit: irrige Narrative. Seit den Neunzehnsiebzigern herrscht in weiten Gesellschaftskreisen die Überzeugung, dass uns in mittelbarer Zukunft die Arbeit ausgehen wird. Ausschlaggebend für diesen Narrativ war der erste Ölpreis-Schock, der die Weltwirtschaft in eine Krise stürzte. 1973 drosselte nämlich die arabisch dominierte OPEC im Zuge des Jom-Kippur-Krieges ihre Ölexporte nach Europa und in die USA, um Druck auf alle auszuüben, die Israel unterstützten.
Bereits ein Jahr zuvor hatte der »Club of Rome« seine dystopische Studie »Die Grenzen des Wachstums« veröffentlicht. Darin prophezeiten einige der besten Wissenschaftler der Welt den bevorstehenden Totalzusammenbruch der Wirtschaft, wenn es nicht sofort zu einer Abkehr vom exponentiellen Wachstumsdenken käme. Sie untermauerten ihre Forderungen mit Computersimulationen, die zeigten, dass schon bald viele nicht ersetzbare Rohstoffe ausgehen würden. Tatsächlich ist gar nichts ausgegangen. Das falsche Narrativ lebt trotzdem weiter. Aus heutiger Sicht muss man dennoch Verständnis für die falschen Expertisen von vor 50 Jahren aufbringen. Für ihre Simulationen stand den »Club of Rome«-Wissenschaftlern nämlich weniger Rechnerkapazität zur Verfügung, als heute in einem einzigen Smartphone verbaut ist. Inzwischen wissen zumindest diejenigen, die nachrechnen, dass das globale BIP pro Kopf weitgehend linear verläuft. Ausreißer nach oben und unten sind natürlich möglich, etwa bei disruptiven Technologiesprüngen oder bei Pandemien. Daher wächst die Weltwirtschaft nur aus einem einzigen Grund exponentiell; weil sie nämlich mit der exponentiellen Wachstumsrate der Weltbevölkerung korreliert. Denn die acht Milliarden Menschen, die heute auf unserem Planeten leben, brauchen nun einmal mehr Platz zum Wohnen, mehr Nahrungsmittel, mehr Kleidung und mehr Energie als die 1972 lebenden 3,8 Milliarden. Dennoch ist der prognostizierte Zusammenbruch bis heute ausgeblieben. Rohstoffe, die uns längst ausgehen hätten müssen, wurden durch andere ersetzt. Und Industrienationen wie Österreich erzielen ihr hohes Wirtschaftswachstum seit Jahren sogar ohne zusätzlichen Energieverbrauch.
Alles im Griff, könnte man meinen. Doch leider werden die ökologischen Aspekte des Bevölkerungswachstums völlig tabuisiert. Schließlich könnte dann niemand mehr die bösen Kapitalisten als die Hauptverantwortlichen für die ökologischen Krisen – von der Erderwärmung bis zum Artensterben – brandmarken.
Wie wenig Wohlstand und Kohlendioxidausstoß miteinander zu tun haben, zeigt der folgende Vergleich: Obwohl China längst zur Technologienation aufgestiegen ist, beträgt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf nur etwa 12.600 Dollar. In Österreich ist es mit 53.300 Dollar mehr als viermal so hoch. Die jährlichen Kohlendioxidemissionen liegen in China bei 8,05 Tonnen, in Österreich jedoch »nur« bei 7,29 Tonnen. Gäbe es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und fossilem Energieverbrauch, müsste jeder Österreicher 34 Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Um ihre klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren, helfen den Chinesen daher nur neue Technologien; und sie müssten günstiger sein als die fossilen Alternativen.
Wie hartnäckig sich ideologische Dogmen im Korsett der Political Correctness halten können, beweisen nicht nur die fehlgeleiten Klimaaktivisten der »letzten Generation«, die sich lieber auf die Straße kleben, als aktiv etwas gegen die Erderwärmung zu tun. Auch Politiker, die ihre Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung immer noch mit mehr Gerechtigkeit begründen, die sich nur erreichen ließe, wenn die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen aufgeteilt würde, sind fehlgeleitet. Was uns wirklich ausgeht, ist nicht die Arbeit, sondern die Arbeitnehmer. Aber ungeachtet starrer Arbeitszeitregeln beträgt die durchschnittlich wöchentlich geleistete Arbeitszeit in Österreich ohnehin »nur« 30 Stunden. Auch das Narrativ, dass viele Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern zur Teilzeitarbeit gezwungen werden, ist angesichts der Rekordzahl an offenen Stellen nicht länger haltbar. Die Menschen arbeiten deshalb nur durchschnittlich 30 Stunden, weil sie damit das Auslangen finden und der Arbeitsplatz nicht länger den Mittelpunkt des Lebens bildet.
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Tandl macht Schluss! Fazit 190 (März 2023)
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