Tandl macht Schluss (Fazit 192)
Johannes Tandl | 12. Mai 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 192, Schlusspunkt
Wer bei uns lebt, soll arbeiten dürfen. Derzeit klagen zwei von drei österreichischen Arbeitgebern über Probleme beim Recruiting. Und dieses Problem wird sich noch deutlich verschärfen. Bis 2050 werden 600.000 mehr über 65-Jährige und 300.000 weniger 20-65-Jährige in Österreich leben als heute.
Die Erwerbsbevölkerung schrumpft jedoch nicht nur bei uns, sondern in allen Industrienationen; sogar in immer mehr halbwegs entwickelten Schwellenländern wie etwa China. Deshalb ist der Arbeitskräftemangel inzwischen eine weltweite Bedrohung für den Wohlstand; nicht zuletzt, weil er auch die Finanzierung der Sozialsysteme gefährdet. Viele Experten sehen in der Demografie eine noch größere Herausforderung als im Klimawandel. Die Transformation zu einem dekarbonisierten Lebensstil wird nämlich in zwei bis drei Jahrzehnten abgeschlossen sein und ist außerdem schon heute ein gewaltiger Innovations- und Wachstumstreiber. Während die Bevölkerung bei uns schrumpft, hält die globale Bevölkerungsexplosion noch einige Jahrzehnte lang an. Aus den drei Milliarden Menschen, die im Jahr 1960 unseren Planeten bevölkerten, sind bis heute acht Milliarden geworden. Dieses Bevölkerungswachstum spielt sich jedoch ausschließlich in armen Ländern ab. Schon heute leben 80 Prozent der acht Milliarden im globalen Süden. Mit inzwischen 1,4 Milliarden Einwohnern löst Indien übrigens gerade China als bevölkerungsreichstes Land der Erde ab. Die chinesische »Workforce« wird noch in diesem Jahrhundert um unglaubliche 75 Prozent – von einer Milliarde Menschen auf 250 Millionen – sinken.
Jedes Land geht anders mit der demografischen Herausforderung um. Österreich setzt vor allem darauf, das Arbeitskräftepotenzial unter der erwerbsfähigen Bevölkerung zu erhöhen. Potenziale gibt es noch, wenn etwa ein späteres faktisches Pensionsantrittsalter durchgesetzt werden kann oder wenn mehr Frauen von einem Teilzeitjob in ein Vollzeitarbeitsverhältnis wechseln können; etwa in dem flächendeckend ganztägig geöffnete Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Mit der gerade einsetzenden Ruhestandswelle der geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1960 bis 1969 wird die Arbeitnehmerzahl trotzdem deutlich sinken.
Die Politik redet auch von Anreizen für qualifizierte Zuwanderer. Gut ausgebildete Menschen aus Osteuropa und anderen Ländern mit einem funktionierenden Bildungssystem sollen dazu bewogen werden, nach Österreich zu kommen, um die Lücken auf dem Arbeitsmarkt zu schließen. Doch ist es wirklich so einfach? Oder sind die osteuropäischen Arbeitsmärkte als Folge eines Massenexodus junger Menschen im erwerbsfähigen Alter nicht längst völlig ausgedünnt? Schließlich reißt sich die halbe Welt um diese Menschen.
Müssen wir uns also, wohl oder übel, mit der anhaltenden unqualifizierter Zuwanderung aus dem Globalen Süden zufrieden geben? Und was soll mit den Hundertausenden Armutsmigranten geschehen, die seit 2015 nach Österreich gekommen sind und immer noch aus unseren angespannten Sozialtöpfen alimentiert werden, weil ihre Qualifikationen nicht einmal den Mindestansprüchen der österreichischer Arbeitgeber entsprechen?
Was wäre, wenn Österreich allen, die seit 2015 illegal ins Land gekommen sind, einen Spurwechsel in Richtung Qualifizierung und auf den Arbeitsmarkt ermöglichen würde? Ganz egal ob sie inzwischen einen Asylstatus haben, ob sie subsidiär schutzberechtigt sind oder ob sie nur deshalb immer noch bei uns im Land sind, weil sie nicht abgeschoben werden können. Bisher lehnen so gut wie alle Politiker diesen Spurwechsel ab, weil sie darin einen Pullfaktor für einen weiteren illegalen Massenzuzug sehen. Aber vielleicht nimmt die EU die Forderungen, ihre Außengrenzen zu schützen, ja endlich ernst. Und gäbe es nicht auch die Möglichkeit, die sozialen Unterstützungen für Zuwanderer an den Besuch von Pflichtschulen, Deutschkursen oder den Antritt von Berufsausbildungen zu knüpfen?
Viele Armutsmigranten wären wohl gerne dazu bereit, unsere Sprache zu erlernen und eine mehrjährige Schule zu besuchen, wenn damit eine echte Aufstiegsperspektive einherginge.
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Tandl macht Schluss! Fazit 192 (Mai 2023)
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