Anzeige
FazitOnline

Bücher aus Gleisdorf

| 10. Juni 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 193, Fazitportrait

Foto: Heimo Binder

Seit genau 75 Jahren ist die Buchhandlung Plautz in der Stadt Gleisdorf für die literarische Nahversorgung zuständig und hat sich einen so guten Ruf erarbeitet, dass Kunden sogar aus der nahen Landeshauptstadt anreisen. Der Wohlfühlatmosphäre des oststeirischen Hauses kann sich kaum ein  Bücherwurm entziehen.

::: Hier im Printlayout online lesen

Es gibt Orte, an denen man sich wohlfühlt, ohne genau zu wissen warum. Nicht dazu gehören Gerichte, Aufbahrungshallen oder Zahnarztpraxen – auch wenn sie allesamt notwendig sind. Dazu gehören Kaffeehäuser mit angeschlossener Konditorei, Kaffeehäuser ohne angeschlossene Konditorei oder Buchhandlungen, egal ob mit oder ohne. Das Beste wäre natürlich ein Kaffeehaus mit Buchhandlung, doch das gibt es nur in Triest. Aber auch in Gleisdorf in der Oststeiermark gibt es so einen Ort zum Wohlfühlen: Die Buchhandlung Plautz, die schon von außen besticht. Mit seiner frischen roten Fassade und seinen weißen Fensterbalken sieht das alte Haus aus wie aus dem Märchenland, jedenfalls so, wie man sich eine idealisierte Buchhandlung vorstellt. Ein Knusperhäuschen, das zum Eintreten regelrecht einlädt. Doch in seinem Inneren wartet keine böse Hexe, sondern im Gegenteil, der nette Herr Schwarz. Claus Schwarz (64) ist der Neffe von Helga Plautz, der Tochter von Karl Plautz, der die Buchhandlung 1948 gegründet hat. Ihr jahrzehntelanges Engagement für eine Leseförderung, die nach ihren Vorstellungen schon ab frühester Jugend gepflegt werden sollte, ist in der Buchhandelslandschaft österreichweit Legion. Nach wie vor liegt daher ein Schwerpunkt des erstaunlich umfangreichen Sortiments der Buchhandlung Plautz auf Kinder- und Jugendliteratur.

Foto: Heimo Binder

Leitbetrieb von Gleisdorf
Die 300 Quadratmeter große Verkaufsfläche – plus 200 Quadratmeter Büro und Lager – ist ständig mit 30.000 Büchern gefüllt. »Jeden Tag werden 200 bis 250 Kilogramm Bücher angeliefert«, so Claus Schwarz, »das werden geschätzt etwa 400 Bücher sein.« Im Durchschnitt tragen sechzig bis siebzig Kundenbestellungen pro Tag ihren Teil zum Umsatz bei, der, wie in der Branche üblich, zwar nicht kommuniziert wird, aber jedenfalls im siebenstelligen Bereich liegt. Das ist auch das Verdienst des insgesamt neunzehnköpfigen Teams, das bei Herausrechnung der Teilzeitanstellungen noch immer dreizehn Mitarbeitern entspricht. Nicht zuletzt deshalb wird das traditionsreiche Unternehmen zu den Leitbetrieben von Gleisdorf gezählt. Die Stadt hat rund 12.000 Einwohner, aber mit den Umlandgemeinden ein Einzugsgebiet von 20.000 bis 22.000 Personen. »Aber auch bei Grazern ist die Buchhandlung beliebt«, weiß Petra Schaller, die seit 2021 Geschäftsführerin ist. Am Tag des Interviews gab es knapp 200 zahlende Kunden, also mindestens 200 Buchverkäufe, noch ohne jene an diverse Bibliotheken, Rechnungs- und Onlinekunden.

Lockdown als Onlinebooster
Das Onlinegeschäft in der Buchhandlung Plautz hat sich in der Corona-Zeit entwickelt und macht heute rund 15 Prozent des Umsatzes aus. Schwarz: »In den drei Jahren der Pandemie mussten wir insgesamt 16 Wochen unser Verkaufslokal schließen. Zum Glück hatten wir bereits im Jahr 2019 einen Onlineshop geplant und im November 2019 im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft auch installiert. Als daraufhin 2020 der erste Lockdown kam, hatten wir den modernsten Internetshop im österreichischen Buchhandel.« Für eine vorausschauende und innovative Vorgehenssweise vor allem in Servicebereich ist die Buchhandlung Plautz seit langem bekannt – nicht umsonst wurde sie unter anderem im Jahr 2017 vom Bundeskanzleramt zur »Buchhandlung des Jahres« gekürt oder vom AVJ, der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen, als kinderfreundlichste Buchhandlung Österreichs mit dem Kinderbuchhandlungspreis ausgezeichnet. In der Gleisdorfer Buchhandlung ist man stolz darauf, die Lockdownphase ohne Kurzarbeit und ohne Förderungen bewältigt zu haben. Ein eigener Tonbanddienst wurde eingerichtet, eine »Click & Collect«-Station, Bilder im Netz sowie online und telefonische Beratung stellten viele Kunden zufrieden, und zugestellt wurden die Bücher persönlich. Schwarz: »Das habe ich oft mit dem Fahrrad gemacht, genauso wie mein Großvater damals, als man sich noch kein Auto leisten konnte.« Onlinebuchtrailer, Autoreninterviews und das intensive Bespielen der Auslagen entwickelten sich zu einem wichtigen Bestandteil der Werbung von Plautz. Für die Auslagen gab es sogar einige Preise, so etwa vom Diogenes Verlag. Dass die im Onlineshop bestellten Bücher versandkostenfrei zugestellt werden, ist eine Folge der entsprechenden Vorgehensweise und Geschäftspolitik von Amazon, dem natürlichen Feind aller Buchhandlungen. Dieser Onlinehändler und auf Bestseller konzentrierte, unpersönliche Fachmarktketten holten sich bereits vor mehr als zehn Jahren nach Einschätzung des Hauptverbands des österreichischen Buchhandels 10 bis 20 Prozent des Umsatzes, heute sind es wesentlich mehr. Buchhändler wie Claus Schwarz schätzen den Abgang auf 40 bis 50 Prozent. Im positiven Sinne schätzen sie aber auch die Solidarität ihrer Kunden, die in kleineren Städten und Gemeinden möglicherweise größer ist als in Metropolen. Schwarz: »Manche Kunden bestehen sogar darauf, das Porto zu bezahlen. In der Lockdownzeit haben wir sicher viele Kunden von Amazon gewonnen.«

Foto: Heimo Binder

Zur Kundschaft zählt die Buchhandlung ferner vier Universitäten, mehrere Büchereien und seit einem halben Jahr auch die Nationalbibliothek. Besonders wichtig erscheint dem Gleisdorfer Betrieb die Versorgung verschiedener Bibliotheken. So wird etwa eine langjährige Kooperation mit Kindergärten und Schulen gepflegt. »Durch den Generationenwechsel bei den Lehrern geht dieser langjährige Bezug zu uns als Buchhandlung leicht verloren, daher bemühen wir uns dranzubleiben«, so Geschäftsführerin Petra Schaller. Als eine der größten eigentümergeführten Buchhandlungen Österreichs leistet sich Plautz etwas, das mangels Kostendeckung nicht mehr viele Buchhandlungen machen: Es werden Büchertische zur Verfügung gestellt. Etwa für die Pädagogische Hochschule, die Kirchlich Pädagogische Hochschule, die Elementarpädagik, den ORF Steiermark/Hör-und Seebühne, den Steiermarkhof oder auch einmal pro Monat für Lesungen in der Steiermärkischen Landesbibliothek. Insgesamt werden zwischen 70 und 80 Institutionen mit Büchern von dem oststeirischen Unternehmen beliefert.

Noch besserer Wohlfühlort
Claus Schwarz, der ab 2005 die Geschäftsführung innehatte und seit 2015 Eigentümer ist, weiß, wie wichtig der kontinuierliche Kontakt mit den Kunden ist. Die sich wiederum des Slogans »Buy local« (daheim einkaufen) immer mehr bewusst zu werden scheinen. Schaller: »Gerade im Handel kann es nur miteinander funktionieren. Die Kunden sollen sich bei uns wohlfühlen und wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserem Service punkten. Aber natürlich muss es auch für uns passen. Wenn wir in der Gesellschaft nicht zusammenhalten, wird es bald keinen Handel mehr geben und man wird durch leere Innenstädte ohne jegliches Flair spazieren.« Die Buchhandlung Plautz ist ein gutes Beispiel dafür, dass es einer gehörigen Portion Unternehmergeistes bedarf, mit Risiko- und Investitionsbereitschaft, einem Sensorium für Entwicklungen und einem klaren Ziel. Erst kürzlich investierte Claus Schwarz über 100.000 Euro in einen Umbau, im Laufe der Geschäftsentwicklung wurden die Papierhandlung und eine Filiale aufgegeben, weil sich die Marktbedingungen geändert hatten, um schließlich – nicht zuletzt mit Hilfe einer Feng-Shui-Expertise – einen Wohlfühlort zu einem noch besseren Wohlfühlort zu machen. Dazu ist es auch notwendig, neben Fenstern und Türen in andere Welten, sprich Bücher, sogenannte Nonbooks, sprich Geschenkartikel, anzubieten. Vom Booklight über Schreibwaren und Spiele bis zu Artikel für anlassbezogene Bereiche, wie zum Beispiel Taufkerzen. Noch wichtiger aber ist es, Aktivitäten zu setzen. Und das macht die Buchhandlung Plautz. Jedes Jahr werden vier bis sechs Lesungen mit Gastautoren im Haus organisiert. So waren schon Illja Trojanow, Franzobel, Judith Taschler, Alex Beer, Konstantin Wecker oder Martin Walker in Gleisdorf. Betreut werden aber auch Großveranstaltungen mit mehreren hundert Gästen, zum Beispiel mit der Stadt Gleisdorf im »Forum Kloster« mit Autoren wie Paul Lendvai oder Christian Wehrschütz. »Lesegenuss nach Ladenschluss« ist eine weitere Spezialität des Hauses: Vier- bis fünfmal pro Monat können fünf bis zehn Personen die Buchhandlung nach 18 Uhr für jeweils 20 Euro für sich allein nutzen, schmökern und sich an Sekt, Wein, anderen Getränken und Prosciuttojausen laben. Dafür sind engagierte Mitarbeiter notwendig, die insbesondere viel Lesearbeit in ihrer Freizeit erledigen, um die Kunden unmittelbar und gut beraten zu können, denn kompetente Beratung ist eine der herausragenden Stärken dieser Buchhandlung; neben zahlreichen weiteren Veranstaltungen, die sich etwa unter dem Motto »Kids & Books« gezielt an Eltern mit Kindern richten.

Foto: Heimo Binder

50 Jahre Schulbuchaktion
Von großer wirtschaftlicher Bedeutung für Buchhandlungen, so auch für Plautz, ist die Schulbuchauslieferung. Durch die Schulbuchaktion, die 1972 unter dem damaligen Bundeskanzler Kreisky als familien- und bildungspolitische Leistung eingeführt wurde, werden Schülerinnen und Schüler an österreichischen Schulen seit mehr als 50 Jahren unentgeltlich mit den notwendigen Unterrichtsmitteln, genauer den Schulbüchern, ausgestattet. Wenn man so wie Plautz an mehr als 60 Schulen die Bücher ausliefert, ist das zwar ein gutes Geschäft, aber auch beinharte Knochenarbeit. Es müssen fast 100.000 Bücher transportiert werden, das sind rund 70 Tonnen. Dafür mietet Claus Schwarz jedes Jahr extra zwei Lagerhallen und einige Kleintransporter an und er muss sechsstellige Beträge vorfinanzieren. Der Organisationsaufwand ist gewaltig und umfasst etwa auch die Bestellungen der einzelnen Schulklassen und die zeitgerechten Meldungen an die Verlage, die ihre Auflagen danach richten. Das System hat sich offenbar bewährt. Schwarz: »Der Staat verdient nicht nur die zehn Prozent Mehrwertsteuer zurück, die Spediteure und die Verlage bekommen Aufträge und für uns Buchhändler zahlt es sich auch aus. Man muss sagen, ohne Schulbuchaktion würde es die Vielfalt der Buchhandlungen nicht geben.« Apropos Vielfalt: Neben lauschigen, gemütlichen Leseecken und einem Kinderspielbereich mit Rutsche und buchaffinem Spielzeug gibt es in der Buchhandlung Plautz auch eine Kaffeebar und der Kaffee ist gratis. Diesbezüglich hat sie dem Antico Caffè San Marco in Triest etwas voraus.

Buchhandlung Plautz GmbH
8200 Gleisdorf, Sparkassenplatz 2
Telefon +43 3112 2485
plautz.at

Fazitportrait, Fazit 193 (Juni 2023) – Fotos: Heimo Binder

Kommentare

Antworten