Börki und der Knödelausweichlöffel
Volker Schögler | 8. Dezember 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 198, Fazitbegegnung
Es gibt Menschen, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass sie Feinde haben könnten. Obwohl oder gerade weil Burkhard Stulecker so viele Freunde hat, jedenfalls aber einen Bekanntheitsgrad, der weit über das Normalmaß hinausgeht und damit etwa auch einen Ottfried Fischer, den Bullen von Tölz, verblüfft. Vielleicht ist es seine unvoreingenommene Art mit der er einem begegnet, als wäre gleiche Augenhöhe das einzige gültige Maß. Egal, ob man Helmut Berger, Marisa Mell, Barry Newmann, Sylvester Stallone oder Max Mustermann heißt. Oder auch James Bond, »Börki« findet Zugang. Er ist zweifellos ein bunter Hund und zugleich ein Kind seiner Zeit.
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Aufgewachsen in diesem wunderbaren Zeitfenster nach Wiederaufbau, Wohlstand und Wonnejugend, kurz Wickie, Slime und Paiper, treibt es ihn neben dem Bühnenbildstudium in Graz zu Jobs in der Formel 1. Quer durch Europa, zweimal auch in Übersee, jobbt er immer wieder für das F-1-Shadow-Team von Teamchef Don Nichols. Nach diesen wilden Siebzigerjahren wird er für mehrere Jahre Journalist bei Autozeitschriften, Neue Zeit, Krone und Grazer. Vor mehr als 20 Jahren wandert er nach Italien aus, besinnt sich seiner eigentlichen Profession als Bühnenbildner und gründet einen Theaterverein, um »Orvieto« von Franz Innerhofer mit Marisa Mell und Adi Hirschall aufzuführen. In den Neunzehnachtzigern folgen unter anderem Inszenierungen mit Wilfried Scheutz (»Ikarus«) bis er erkennt, dass der Film das besserer Geschäft ist.
Anfangs als Fahrer, dann als Aufnahmeleiter hatte er 1990 schließlich seine erste Ausstattung für Götz Spielmanns Film »Erwin und Julia«. Dann meldete sich Franz Antel für die Serie »Almenrausch und Pulverschnee« mit Toni Sailer und Alfred Böhm. Karl Spiehs berief Stulecker als Coausstatter nach Thailand für »Der blaue Diamant« mit Ernest Borgnine, Pierre Brice und Barry Newman – den »Börki« tatsächlich fragte, ob Petrocelli sein Haus jemals fertiggebaut hat. (Dazu muss man die Anwaltsserie zumindest einmal gesehen haben – es geht um die immer gleiche Schlussszene.) Alle Hände voll zu tun hatte er für »Daylight« mit Sylvester Stallone, als in der Cinecittà in einem nachgebauten, 800 Meter langen Tunnel 300 extra eingeflogene amerikanische Autos zertrümmert werden mussten: »Dafür haben wir eine große Party mit viel Wein, Grappa und Vorschlaghämmern organisiert.« So beginnt eine der vielen Anekdoten, die der Weltenbummler auf Lager hat.
Zu den spektakulärsten Aufträgen als Szenograf, wie der Ausstatter und Bühnenbildner heute offiziell heißt, zählte wohl der James-Bond-Film »Spectre« von 2015 mit einem Budget von 340 Millionen Dollar. Stulecker besorgte unter anderem das alte Holzhaus, das im Film von Bond mit einem Flugzeug durchbohrt wird, in der Veitsch, seinem Heimatgebiet. Es sollte wegen eines Neubaus ohnehin entsorgt werden. Und er garantiert, dass die Stunts alle echt waren. Unter anderem war er auch sieben Jahre lang für Regisseur Reinhard Schwabenitzky tätig, nämlich für die Fersehserien »Oben ohne« und »Die Couch«, sowie für einen Kinofilm und mehrere Spielfilme. Aber auch für das Bühnenbild der »Kaktusblüte« in den Kammerspielen der Josefstadt in Wien. Zuletzt arbeitete Burkhard Stulecker im Ausstattungsteam für die Neuverfilmung von »Dune« (6 Oscars) mit Josh Brolin und Charlotte Rampling und an »Feuerblume«, einem Dokumentarfilm von Markus Mörth über Marisa Mell.
Der seit 2002 in Marano Lagunare beheimatete Obersteirer erhielt gerade seinen dritten Preis in Italien, diesmal von der IPA, der International Police Association, für seine Mitwirkung an »Taktik«, einem österreichischen Film mit Harald Krassnitzer über eine Geiselnahme in der Grazer Strafanstalt Karlau. Nach dem hier aus Platzgründen notwendigen Verschweigen der zahlreichen wie köstlichen Anekdoten und Begebenheiten des Szenografen und Künstlers darf Appetit auf sein fast fertiges Buch mit dem Arbeitstitel »Knödelausweichlöffel« gemacht werden, in dem er aus dem Vollem schöpfen wird. Der »Knödelausweichlöffel« ist ein Löffel mit einer Ausnehmung, damit man im Beuschel den Knödel nicht erwischt. »Knödel«, so »Börki« Stulecker,,«ist auch eine Metapher für »Kohle« – da bin ich immer rundherum gegangen und habe auf der Seite aufgeschaufelt, nie in der Mitte.«
Warum Ottfried Fischer verblüfft war, wollen Sie noch wissen? Der kennt »Börki« ohnehin »als den, der alle kennt«. Als Fischer bei einer Preisverleihung neben dem Staatssekretär von Bayern zum Sitzen kam und ihm dieser von seiner Tochter erzählte, die Schauspielerin werden möchte, fragte ihn Fischer unverwandt, ob er Burkhard Stulecker kenne. Darauf der Staatssekretär: »Ja der wär fast mein Schwiegersohn geworden.«
Burkhard Stulecker wurde am 19. Dezember 1956 in Langenwang geboren, die Mutter stammt aus einer Förster- und Gastrofamilie, der Vater war Diplomingenieur für Bergwesen. Nach dem Gymnasium in Mürzzuschlag ging er in die Bildhauerklasse am Ortweinplatz, dann Bühnenbildstudium. Stationen u.a. bei der Formel 1 und bei Zeitungen. Theaterinszenierungen und Bühnenbild, dann Umstieg auf Film. Lebt seit mehr als 20 Jahren in Italien. Er bereitet gerade ein Buch über sein buntes Leben vor. Arbeitstitel: Knödelausweichlöffel.
Fazitbegegnung, Fazit 198 (Dezember 2023) – Foto: Andreas Pankarter
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