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Geld und Macht

| 8. Dezember 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 198, Kunst und Kultur

Foto: Wittgenstein Archive Cambridge

Vieles wurde geschrieben über den Philosophen Ludwig Wittgenstein, aber nur wenig ist allgemein bekannt über seinen Hintergrund, stammt er doch aus einer der reichsten Familien der Habsburgermonarchie.

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Das soeben erschienene Werk des Wirtschaftshistorikers Peter Eigner geht nun einen neuen Weg. Der Österreicher Ludwig Wittgenstein gilt bis heute als einer der weltweit einflussreichsten Philosophen und wurde auch in seiner Geburtsheimat zu einer wahren Kultfigur, obwohl er den Großteil seiner Karriere in der englischen Universitätsstadt Cambridge verbrachte. Es gibt zahlreiche Geschichten zu seinem asketischen Lebensstil, zum Verzicht auf das reiche Erbe und zu seiner Episode als Volksschullehrer in den 30er Jahren. Im Zentrum von Eigners Buch »Die Wittgensteins – Geschichte einer unglaublich reichen Familie« steht Karl Wittgenstein, der Vater des Philosophen. Dieser stammte aus einer deutschen Unternehmerfamilie mit jüdischen Wurzeln, die den Namen des adeligen Dienstherrn angenommen hatte und zum Protestantismus konvertierte. Der Großvater Hermann Christian heiratete mit Fanny Figdor in das wohlhabende Bürgertum Wiens ein.

Als eines von elf Geschwistern aus dieser Ehe war der junge Karl Wittgenstein von klein auf überdurchschnittlich ehrgeizig und rebellisch zugleich, so entfloh er mit 17 Jahren der Strenge des Elternhauses und schlug sich zwei Jahre lang mit den unterschiedlichsten Jobs in den USA durch, ehe er geläutert in den Schoß der Familie zurückkehrte. An seine Erfahrungen in Amerika erinnerte er sich trotz mancher Widrigkeiten durchaus positiv und brachte später auch in Zeitungsartikeln seine Bewunderung für die ökonomische Dynamik dieser Nation zum Ausdruck. Mit seinem Einstieg als technischer Zeichner bei den Teplitzer Walzwerken beginnt die Geschichte eines beispiellosen wirtschaftlichen Aufstiegs. In seiner knapp 30-jährigen Laufbahn avancierte er durch sorgfältig gepflegte Familienbeziehungen und Freundschaften sowie einen durchaus rücksichtslos zu nennenden Geschäftsstil zum mächtigsten Magnaten in der Eisen- und Stahlindustrie Österreich-Ungarns.

Große Liebe zur Musik
Der daraus resultierende Reichtum zeigte sich unter anderem in einem prachtvollen Palais nahe dem Karlsplatz, das mit den Werken bekannter Künstler geradezu vollgestopft war, etwa von Gustav Klimt, der das bekannte Porträt der Tochter Margarethe Stonborough-Wittgenstein malte. Auch die Liebe zur Musik spielte im Hause Wittgenstein eine große Rolle, Johannes Brahms, Gustav Mahler, Bruno Walter oder Pablo Casals waren hier bei Musikabenden häufig zu Gast. Den künstlerischen Ambitionen seiner Kinder, vor allem der Söhne, stand er kritisch gegenüber. Der Konflikt mit dem patriarchalischen Vater trieb zwei davon in den Selbstmord und hinterließ wohl auch bei den übrigen Geschwistern seine Spuren. Den Untergang der Monarchie sollte der mächtige Industrielle nicht mehr erleben, er verstarb 1913 an einer Krebserkrankung. Schon kurz nach der Jahrhundertwende hatte er sich nach öffentlichen Anfeindungen wegen seiner umstrittenen Geschäftspraktiken aus den Unternehmungen zurückgezogen und sein Kapital in der Schweiz veranlagt. Das rettete es zwar vor der Inflation, aber nicht vor dem späteren Zugriff der Nazis, die einen Großteil davon für die »Arisierung« der Familie einforderten. All das und noch viele weitere Aspekte aus Wirtschaft und Kultur des Fin de siècle schildert Eigner in seinem reich bebilderten Buch in angenehmem Schreibstil, ohne dabei den kritischen Blick auf die Quellen außer Acht zu lassen.

Die Wittgensteins. Geschichte einer unglaublich reichen Familie
Von Peter Eigner, Molden Verlag 2023, 336 Seiten, 39 Euro

styriabooks.at

Alles Kultur, Fazit 198 (Dezember 2023), Fotos: Wittgenstein Archive Cambridge, Molden Verlag

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