Politicks Dezember 2023
Johannes Tandl | 8. Dezember 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 198, Politicks
Nationale Regierungen können die Klimagesetze nicht stoppen
Angesichts des Krieges in Europa, der ökonomischen Folgen der Rezession und der Ohnmacht, mit der die EU der größten Völkerwanderung der Geschichte begegnet, sinkt das Problembewusstsein für die Klimakrise in allen EU-Mitgliedsstaaten. Trotzdem ist an den EU-Klimazielen nicht zu rütteln. Denn bereits im Juni 2021 hat der EU-Rat auf Vorschlag der Kommission das EU-Klimagesetz beschlossen. Und zwar als rechtsverbindlichen Rahmen für sämtliche Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten ergriffen werden müssen, um bis 2030 eine 55-prozentige Reduktion der europäischen Treibhausgasemissionen und bis 2050 die völlige Klimaneutralität der gesamten EU zu erreichen.
Daran können auch die Populisten der FPÖ nichts ändern, obwohl sie behaupten, sämtliche in ihren Augen überzogenen Klimaschutzmaßnahmen nach ihrem Regierungseintritt bekämpfen zu wollen. Und auch jene politischen Parteien und NGOs, die in der Bekämpfung des Klimawandels einen Hebel für ihre antikapitalistische Agenda sehen, werden scheitern. Schließlich steht in den kommenden Jahren in allen Mitgliedsländern die massive Ausweitung des ausgezeichnet bewährten Emissionshandels auf weitere Sektoren sowie die Einführung strenger Auflagen und Kontrollen des bereits bestehenden Emissionshandelssystems rechtsverbindlich auf der Agenda. Mit dem Emissionshandel wurde der Klimaschutz in die Marktwirtschaft integriert. Dadurch konnten die Emissionen aus der Stromerzeugung und in den energieintensiven Industriezweigen bis 2021 bereits um 42,8 Prozent gesenkt werden. Mit der schrittweisen Abschaffung der kostenlosen Emissionszertifikate für den Luftverkehr und der erstmaligen Einbeziehung der Schifffahrtsemissionen sowie ein separates neues Emissionshandelssystem für den Straßenverkehr und Gebäudesektor steht fest, dass sich Investitionen in Klimaeffizienz auch wirtschaftlich lohnen werden.
Auch wenn inzwischen klar ist, dass Klimaeffizienz nicht nur Wachstum bringt, sondern durchaus auch Wohlstand kosten wird. Mit »Fit for 55« hat die EU dafür gesorgt, dass der Klimaschutz auch für die Endverbraucher auf eine Art monetarisiert wird, die klimafreundliche Technologien und Systeme billiger und klimaschädliches Verhalten teurer macht. Daran können nationale Wahlsiege von Klimaleugnern ebenso wenig ändern wie auf der anderen Seite die Hysterie der Straßenblockierer.
»Fit for 55« kann den Klimawandel bestenfalls begrenzen
Trotzdem ist klar, dass selbst die größten Anstrengungen der EU nicht ausreichen werden, um den Klimawandel zu stoppen. Denn der EU-Anteil an den globalen CO2-Emissionen liegt gerade einmal bei etwa 9 Prozent. 81 Prozent des CO2-Ausstoßes können demnach nur indirekt von der EU beeinflusst werden. Als Instrumente eignen sich die schrittweise Anhebung der gerade eingeführten Klimazölle auf in Europa gehandelte Waren und Dienstleistungen sowie die Einbeziehung von Drittstaaten in den EU-Binnenmarkt. Eine weitere Möglichkeit, die europäische Klimaschutzmentalität zu exportieren, bieten Freihandelsabkommen. Aber natürlich sind die diesbezüglichen Möglichkeiten begrenzt. Der Anteil der EU-Staaten am globalen kaufkraftbereinigten BIP beträgt gerade einmal 18,6 Prozent (China 18,4 %, USA 15,5 %, Indien 7,3 %, Russland 2,9 %). Das reicht natürlich nicht aus, um einheitliche Klimaschutzstandards oder gar einen globalen CO2-Preis durchzusetzen. Außerdem wird wohl auch in der EU auch nach 2050 noch Beton hergestellt oder Erdöl für Kunststoffe, Medikamente, Straßenbeläge oder Kosmetikprodukte benötigt werden. Auch ob ohne einen massiven Atomkraftausbau ein Ausstieg aus der Erdgasverstromung und -verbrennung gelingen kann, ist äußerst fraglich.
Daher sind sich die meisten Experten einig, dass das 1,5-Grad-Ziel längst verfehlt ist und auch ein 2-Grad-Ziel nur dann zu halten sein wird, wenn sich die G-20 – sie sind für über 80 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verantwortlich – auf deutlich strengere gemeinsame Mindestklimastandards einigen würden. Tatsächlich tun sowohl China oder die USA sehr viel, um ihre Emissionen einzuschränken. Doch da bisher nur Europa dazu bereit ist, für den Klimaschutz auch auf Wohlstand zu verzichten, werden wir es in Zukunft noch viel häufiger mit Extremwetterereignissen zu tun bekommen als in der Vergangenheit.
Steirischer Landtag beschließt Landeszuschlag zur ORF-Steuer
Nach Kärnten, Tirol und dem Burgenland wird es den Landeszuschlag zur ORF-Abgabe auch in der Steiermark weiterhin geben. Der Landtagsbeschluss von ÖVP und SPÖ erfolgte trotz eines von Neos beauftragten Rechtsgutachtens, das das Gesetz für die Abgabe als verfassungswidrig ansieht. In Zukunft muss jeder steirische Haushalt 4,79 Euro im Monat als Kultur- und Sportabgabe bezahlen. Daraus werden sowohl Kultur- und Sportförderungen als auch Miet- und Instandhaltungen von kulturellen Einrichtungen und Sportanlagen finanziert. Die Neos wollen nun mit einem Drittel der Angeordneten eine Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof erreichen und das Gesetz gegebenenfalls kippen. Der Landtagsbeschluss der Koalitionsparteien wurde gefasst, nachdem der steirische Verfassungsdienst grünes Licht für die Abgabe gegeben hatte. ÖVP-Landesgeschäftsführer und Sportsprecher Detlev Eisel-Eiselsberg sieht in der Abgabe einen essenziellen Beitrag für Kultur und Sport. Obwohl ihm klar sei, dass niemand gerne Abgaben zahlt, sei der Fortbestand des Zuschlags zur Rundfunkabgabe auch aus sozialer Sicht vertretbar. Schließlich gebe es – wie schon jetzt bei der GIS – Befreiungen für sozial Schwache.
FPÖ und KPÖ kündigten bereits an, dem Antrag der Neos auf verfassungsrechtliche Prüfung der Kultur- und Sportabgabezuzustimmen. Ob die dafür erforderlichen 16 Stimmen im Landtag zusammenkommen, hängt jedoch von den Grünen ab, die in der Steiermark zwar zur Opposition gehören, als Regierungspartei auf Bundesebene jedoch wesentlich an der neuen ORF-Steuer samt Landeszuschlag mitgewirkt haben. Außer in der Steiermark gibt es den ORF-Steuer-Landeszuschlag im nächsten Jahr auch noch in Kärnten, Tirol und dem Burgenland.
Burgenland: Keine Neuverschuldung trotz 2,3 Prozent Defizit?
Der burgenländische Landeshauptmann und Finanzreferent Hans Peter Doskozil hat bei seiner Budgetpräsentation für 2024 im Landtag ein veranschlagtes Defizit von rund 40 Millionen Euro angekündigt. Das entspricht 2,3 Prozent des 1,7 Milliarden-Haushalts. Gleichzeitig kündigte er aber an, dass es trotzdem keine neuen Schulden geben werde, weil das Land diese 40 Millionen im laufenden kommenden Haushaltsjahr einsparen bzw. durch die Auflösung von Rücklagen abdecken wolle. Diese Summe soll im Laufe des Jahres eingespart und durch Zahlungsmittelreserven gedeckt werden, sodass keine neuen Schulden aufgenommen werden müssen, kündigte Doskozil an. Es gibt im Budget 2024 keine zusätzliche Neuverschuldung. Wir sind jenes Bundesland, das die geringste Neuverschuldung pro Kopf österreichweit haben wird, betonte Doskozil. So habe das Land bei einem Prozess gegen die staatliche Abwicklungsgesellschaft der Hypo-Alpe-Adria 14 Millionen Euro erstritten, die im nächsten Jahr eingehen würden. Außerdem werde man aus einigen Swap-Geschäften aussteigen, was einen zumindest bilanziellen Schuldenabbau von bis zu 80 Millionen Euro ermögliche. Insgesamt soll der nächstjährige Landeshaushalt um neun Prozent höher ausfallen als das diesjährige Budget, was in etwa der Inflation entspricht.
Nora Tödtling-Musenbichler wird Caritas-Präsidentin
Mit Nora Tödtling-Musenbichler ist erstmals eine Frau Präsidentin der Caritas Österreich. Die Caritas beschäftigt bundesweit 17.000 Personen und ist mit einem Jahresumsatz von einer Milliarde Euro die größte österreichische Hilfsorganisation.
Tödtling-Musenbichler war langjährige Direktorin der österreichischen Vinzi-Werke und ist nun seit 2021 steirische Caritas-Präsidentin. Sie folgt damit auf Michael Landau, der den Vorsitz zehn Jahre lang innehatte und das Amt sowohl verbindend als auch beharrlich und streitbar ausübte.Tödtling-Musenbichler sieht in Zeiten multipler Krisen eine wesentliche Aufgabe der Caritas darin, die Werte der Solidarität und des Zusammenhalts zu leben und vorzuleben. Wir setzen uns als Caritas für alle Menschen ein, die keine Stimme haben oder nicht gehört werden, für Menschen am Rand der Gesellschaft in Österreich, ebenso für jene, die von Kriegen und Katastrophen weltweit betroffen sind, so die designierte Caritas-Präsidentin.
Ihr Vor-Vorgänger als Caritas-Präsident, der Steirer Franz Küberl, sieht in der Wahl Tödtling-Musenbichlers eine tolle Weiterentwicklung der Caritas, die auch kirchliche Auswirkungen haben werde, denn schließlich ist die Caritas ist ja nicht die unbedeutendste Gliederung der katholischen Kirche.
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Politicks, Fazit 198 (Dezember 2023)
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