Tandl macht Schluss (Fazit 198)
Johannes Tandl | 8. Dezember 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 198, Schlusspunkt
Was bringt der europäische Green Deal? »Fit for 55« das Klimaschutzprogramm, mit dem die Europäische Union Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen will, ist ein gewaltiges Projekt. Aber nachdem der Rat die Klimaschutzforderungen der Kommission bereits im Jahr 2021 zur Rahmenrichtlinie und damit zum Gesetz erhoben hat, stellt sich die Sinnfrage nur mehr rhetorisch. Denn längst wird in allen Mitgliedsländern an den Umsetzungsbestimmungen gearbeitet. Trotzdem sollten die Bürger über die Auswirkungen dessen, was auf sie zukommt, informiert sein.
Dazu muss man wissen, dass die die Länder der heutigen EU zwischen 1990 und 2021 bereits eine 27-prozentige Kohlendioxidreduktion erreicht haben. Das war wegen des Zusammenbruchs großer Bereiche der osteuropäischen Schwerindustrie nach Ende des Kommunismus allerdings keine echte Herausforderung. Viel schwieriger wird der Abbau der verbleibenden 73 Prozent der europäischen Emissionen bis 2050.
Österreich schießt als Weltmeister des »Gold Plating« sogar über das EU-Ziel hinaus und will die Klimaneutralität sogar schon bis 2040 erreichen. Es ist jedoch völlig klar, dass das nicht möglich ist. Denn die Technologien, mit denen sich eine vollständige Klimaneutralität erreichen lässt, stehen derzeit einfach noch nicht zur Verfügung. Nur bei der Stromerzeugung lässt sich während der Sommermonate Klimaneutralität erreichen.
Das österreichische Gold Plating birgt die große Gefahr von Politaktionismus in Form von Geboten und Verboten, mit eindeutig negativen Auswirkungen auf den Wohlstand. Dabei ist »Fit for 55« eher so angedacht, dass der Kohlendioxidemissionshandel auf alle Lebensbereiche – also nicht nur auf die Industrie, sondern auch auf die Luftfahrt, die Gebäudeenergie oder den Straßenverkehr erweitert wird. Mit Hilfe von Marktmechanismen soll klimaschädliche Energie immer teurer werden und so die Entwicklung von klimafreundlichen Ersatztechnologien beschleunigen. Doch statt die Zeit bis 2050 für einen kontrollierten marktgetriebenen Umbau zu nutzen, setzt die Politik auf Gebote und Verbote.
Sie fordert etwa die Elektrifizierung von Heizungen, des Verkehr oder industrieller Prozesse und ignoriert dabei völlig, dass in Österreich im Winterhalbjahr weder ausreichend Wasserkraft und auch so gut wie kein Solar- und Windstrom zur Verfügung stehen. Um die Emissionsziele trotzdem irgendwie erreichen zu können, bleibt nur die Hoffnung auf den Ausbau der Atomkraft in Südost- und Osteuropa, um den Strom von dort importieren zu können. Der deutsche Ökonom Hans Werner Sinn spricht nach dem deutschen Atomausstieg und dem doppelten Verbrennerverbot – sowohl bei Automotoren als auch bei Heizungen − in diesem Zusammenhang übrigens von der berechtigten Angst vor einer Deindustrialisierung.
Ob die EU mit ihren Klimazielen richtig liegt, lässt sich zwar noch nicht abschließend sagen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es dem Klima hilft, wenn in Europa wegen des »Green Deals« kein Öl und bald wohl auch kein Gas mehr verbrannt werden darf, geht gegen null. Sowohl Öl als auch Gas sind auf internationalen Warenbörsen gehandelte Rohstoffe. Weniger Nachfrage in Europa führt daher zu fallenden Weltmarktpreisen und diese stützen wiederum die Nachfrage in jenen Ländern, die eher auf billige Energie als auf Klimaschutz setzen. Fossile Brennstoffe, die aus Klimaschutzgründen, oder wie beim russischen Erdgas wegen der Sanktionen, nicht mehr nach Europa gelangen, werden dann halt in China, Indien, Afrika oder sonst wo energetisch genutzt. Und das schadet nicht nur dem Klima, sondern auch unserer Industrie und damit unserem Wohlstand.
Eine überambitionierte EU-Klimapolitik trägt daher kaum dazu bei, den globalen Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. Fast jede Tonne Kohlendioxid, die in Europa vermieden wird, wird auf anderen Erdteilen zusätzlich ausgestoßen; Aber nur solange, bis klimafreundliche Ersatzbrennstoffe irgendwann global konkurrenzfähig sein werden. Doch das kann erst passieren, wenn der Klimaschutz multilateral, also mit einheitlichen Rahmenbedingungen auf der gesamten G-20-Ebene, gedacht und gelebt wird.
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Tandl macht Schluss! Fazit 198 (Dezember 2023)
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