Schwab again
Michael Petrowitsch | 12. März 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 200, Kunst und Kultur
»Schwabgasse 94« ist Pflichttermin für Kundige, die den früh verstorbenen Autor (aufs Neue) in den heimischen Kulturkanon einordnen wollen. Eine kurze Betrachtung.
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Wichtigste Frage zuerst: Ist Werner Schwab jetzt, also im Hier und Heute, noch lustig (falls er jemals als lustig wahrgenommen wurde)? Der Autor dieser Zeilen hat wahrlich ein Menschenexperiment durchgeführt und es an seinem 14-Jährigen Sohn ausprobiert. Die Antwort heißt: Ja. Der Nachwuchs würde sich das Stück gar nochmal anschauen, ohne mit den Namen Wojtila und Waldheim und ihrer Umsetzung als Bühnenbild (Bühne: Patrick Bannwart) irgendetwas anzufangen. Ohne irgendwelch historisierenden und atmosphärischen Inbezugsetzungen, die in seinem präfrontalen Cortex oder sonst wo ablaufen. So muss Theater im großen Haus, zumindest dann wenn Schwab 2024 auch noch angenommen werden will. Wir erinnern uns an die verdienstvolle Ausstellung von Gisela Bartens vor genau zehn Jahren im Literaturhaus, wir erinnern uns an lange, beständige Diskussionen um seinen Nachlass. Auch das hat das Schwabbild in den letzten Jahren in Graz mitgeprägt. Dass es nun genau am 30. Todestag des Autors eine Art »Hommage« im Stadttheater gibt, ist nur würdig und recht und der Intendantin bzw. ihrer Auswahl hochanzurechnen.
Die kritische Diskussion und Fragestellung, ob es legitim ist, diverse Stücke bzw. Textsorten zu einem Potpourri zusammenzufassen und auf knapp zwei Stunden zu komprimieren, sind müßig. Sie stellen sich gerade bei Schwab nicht, zählt bei ihm doch das gesprochene Wort und mithin der Wortwitz. Vielleicht stellt sich jetzt sowas wie Zeitlosigkeit ein. Dies dergestalt, als die Zusammenschau von mehreren Stücken von Regisseur David Bösch und seinem Team sich auf das Wesen der Sprachgewalt und der revoluzzerischen Aggressivität der 80er/90er Jahre mit dem Punk-Gestus und sämtlichen (oder zumindest einigen) Konventionen brechen zu wollen mittlerweile in den historischen Literaturkanon stellt. Schwab war halt ein Sturm- und Drangautor und passenderweise gibt es dann kein Alterswerk. Der Kelch ist schicksalsfügig an ihm vorübergegangen.
Besonders zu erwähnen ist das hervorragende Ensemble, das sich spürbar lustvoll durch den Abend schwingt. Ein Franz Solar als eindringlich und wahrhaft kleinbürgerlicher Prollpapa, eine Olivia Grigolli unter anderem als Monstermutter und (in einem famosen handgreiflichen Streitgespräch mit Karola Niederhuber) eskalierende möchtegernbourgeouise Zicke. Ein Rudi Widerhofer, der Ohnehin-Schwabfachmann, als Hundsmaulsepp und der supertroupere Mervan Ürkmez als Schwab-Alter-Ego (langer Ledermantel inklusive) sind stellvertretend mit den wenigen noch fehlenden zu erwähnen. Überhaupt funktioniert das Textkonvolut als Ganzes, ein Verdienst der Schauspieler – als alle.
Der Abend bietet die Möglichkeit einer Neu-Einordung des »Enfant terribles«. Dass man mit einem Schwab sogar noch provozieren kann, bewies dann am Ende der Sitznachbar, der seiner Gattin nach dem Vorhang barsch befahl, nicht zu klatschen, und sich ob des großen Beifalls des Auditoriums verwundert zeigte. Schön, dass es so etwas noch gibt. Empfehlung! Hingehen! Dreimal geht’s noch!
Schwabgasse 94
Eine Hommage an
Werner Schwab im Grazer Schauspielhaus
Weitere Aufführungen: 28.2., 13. u. 27.3.
buehnen-graz.com
Alles Kultur, Fazit 200 (März 2024), Foto: Stella Kager
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