Anzeige
FazitOnline

Politicks April 2024

| 11. April 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 201, Politicks

Zweite Steiermarkrede – kaum Wahlkampfrhetorik
Mit der Steiermarkrede des Landeshauptmannes definierte Christopher Drexler am Vorabend des Josefitags, des steirischen Landesfeiertags, in der Alten Universität in Graz sein Bild einer erfolgreichen Landespolitik. Wer sich einen emotional aufgeladenen Auftakt zur Landtagswahl im November erwartet hatte, wurde von der Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit des Landeshauptmannes enttäuscht.

Denn abgesehen von einigen der Tagesaktualität geschuldeten Ausreißern hinsichtlich der explodierenden Jugendkriminalität in Migrantenkreisen enthielten seine Aussagen so gut wie keine typische Wahlkampfrhetorik. So verzichtete Drexler weitgehend auf Attacken gegen die politischen Mitbewerber der ÖVP. Nur an die FPÖ richtete er ganz am Ende seiner Ausführungen, dass jeder, der die Steiermark liebt, gefälligst für die Steiermark arbeiten müsse, anstatt nur an die eigene Partei zu denken und alle anderen zu beschimpfen. Obwohl die meisten Demoskopen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ÖVP, SPÖ und FPÖ um die Nummer eins im Land ausgehen, gab es von Seiten Drexlers keine deftigen Sprüche und kaum Populismus. Der Landeshauptmann hob stattdessen das gute steirische Klima der Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner SPÖ hervor.

In seinen weiteren Ausführungen sprach Drexler von einer düsteren Stimmung im Land. Die habe mit dem Ukraine-Krieg, der Energiekrise und der Inflation zwar keine steirischen Ursachen, sei aber dennoch dominierend und stelle die Landespolitik vor große Herausforderungen. Man müsse daher alles dafür tun, um die Folgen der Krisen abzumildern. Nur so könne die düstere Stimmung in absehbarer Zeit einem positiven Bild weichen.

Leistbares Wohnen, Kinderbetreuung und Gesundheitsversorgung
Drexler konzentrierte sich bei seinen weiteren Aussagen bewusst auf jene Themen, die entweder in die Zuständigkeit des Landes fallen oder zumindest einen starken Steiermark-Bezug haben.

Wohnen, Gesundheit und Pflege, Kinderbildung und -betreuung seien wesentliche Grundbedürfnisse für ein erfülltes Leben, bei denen das Land dazu beitragen könne, dass keine Steirerin und kein Steirer zurückgelassen werde. Daher werde die Landesregierung noch vor dem Sommer ein weiteres Wohnpaket präsentieren. Als Ziel nannte Drexler, das Wohnen leistbar zu halten – mit leistbaren Mieten und mit der Möglichkeit für junge Menschen, sich wieder Wohneigentum zu schaffen. Dringenden Reformbedarf ortete er in diesem Zusammenhang bei der weisungsunabhängigen österreichischen Finanzmarktaufsicht, die mit ihrer Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-Verordnung) viele Jungfamilien von der Finanzierung ihrer Wohnträume abgeschnitten habe.

Bezüglich des Ausbaus der Kinderbetreuung befinde sich die Steiermark in einer Aufholphase. Um jungen Eltern die echte Wahlfreiheit zwischen Daheimbleiben und Beruf zu ermöglichen, müsse noch sehr viel beim Ausbau der Kinderkrippen geschehen.

Die massiven Herausforderungen und Problemstellungen in der Gesundheitsversorgung seien kein rein steirisches, sondern ein gesamteuropäisches Problem. Unsere Zukunftsperspektive muss die beste, modernste und leistungsfähigste Spitalsversorgung sein, definierte Drexler die Vorgabe, die erreicht werden müsse, um als Land und damit als Standort erfolgreich zu bleiben. Mit dem Gehaltspaket von 130 Millionen Euro habe man übrigens erreichen können, dass der Beschäftigungsstand bei den Landesspitälern erstmals seit Jahren wieder im Ansteigen sei. Das Leitspital für den Bezirk Liezen sei für die Chancengleichheit der Bewohner des Ennstals unabdingbar notwendig. Mit den Steirerambulanzen und den Gesundheitszentren soll eine flächendeckende qualitätsvolle Rund-um-die-Uhr-Gesundheitsversorgung auch außerhalb der Spitäler wieder selbstverständlich werden.

Mit Hausverstand gegen die Regulierungswut
Für den Erhalt des Wohlstandes müsse alles getan werden, um die Steiermark als Industriestandort zu erhalten. Der Landeshauptmann sparte in diesem Zusammenhang nicht mit Kritik an der EU, die mit ihrer überbordenden Regulierungswut und der Verhinderung von Technologieoffenheit mitverantwortlich sei, dass die innovative Industrie immer öfter auf andere Kontinente ausweichen müsse. Für Drexler stehen Technologieoffenheit und Klimaschutz keinesfalls im Gegensatz. Das zeige sich auch an den heimischen Initiativen zur Durchsetzung der Biomasse als klimafreundliche Energieform.

Er forderte von den Regulierern auf allen Ebenen mehr Hausverstand ein. Das gelte auch für den Umgang mit der Bodenversiegelung. Der Begriff Hausverstand sei in den vergangenen Monaten zwar in Verruf geraten. Er halte jedoch daran fest, weil Hausverstand nichts anderes sei als die Verbindung von Vernunft mit Realismus. In Anlehnung an die Vernunft als große gesellschaftliche Errungenschaft der europäischen Aufklärung fand Drexler dafür die Bezeichnung pragmatische Vernunft.

Deutliche Kritik an der grünen Infrastrukturministerin
Drexler verzichtete zwar auf die deutliche Kritik seiner politischen Mitbewerber im Land, nicht jedoch auf die des ÖVP-Regierungspartners auf Bundeseben. So forderte er von Umweltministerin Leonore Gewessler mit Vehemenz ein Ende der Schildbürgerstreiche des Umwelt- und Infrastrukturministeriums. Es verhindere nämlich nach wie vor den Bau einer Haltestelle der Koralmbahn in Feldkirchen bei Graz und damit eine sinnvolle Öffi-Einbindung des Flughafens. Gewessler bekämpft auch weiterhin den dreispurigen Ausbau der A9 im Süden von Graz; und das obwohl eine Studie des Landes eine 103-prozentige Auslastung der Autobahn nachgewiesen hat. Daher führen die täglichen Pendlerstaus zwangsläufig zu weiteren Staus des Ausweichverkehrs entlang der die A9 begleitenden Bundesstraße. Der Landeshauptmann versprach den 400 zuhörenden Entscheidungsträgern aus Wirtschaft, Kultur und Politik unter großem Applaus, dass es ohne Autobahnausbau und Flughafenhaltestelle keine steirische Zustimmung zu wie auch immer gearteten Regierungsabkommen auf Bundesebene geben werde.

EU-Wahl – EU-Ratspräsident Charles Michel spielt der FPÖ in die Hände
EU-Ratspräsident Charles Michel forderte kürzlich, Europa müsse für den Frieden in der Ukraine in einen Kriegswirtschaftsmodus übergehen. Gemeint haben dürfte Michel mit seiner zweifelhaften Aussage, die Einführung einer europäisch koordinierten und staatlich geplanten Waffen- und Munitionsproduktion in den EU-Mitgliedsländern. Eigentlich sollte man annehmen, dass diese koordinierte Beschaffung längst zu den Grundpfeilern der EU-Außen- und -Sicherheitspolitik gehört. Aber dem war zumindest bisher nicht so. Eine logistische Selbstverständlichkeit als Kriegswirtschaftsmodus zu bezeichnen ist natürlich nicht besonders schlau, zumal der EU-Ratspräsident mit seinen Aussagen europaweit die Wahlchancen der gerne als Putin-Versteher verunglimpften rechtspopulistischen Parteien befeuern dürfte.

In Österreich spielt Michel mit seiner Haltung der FPÖ in die Hände. Die will den russischen Aggressionskrieg ohnehin zum zentralen Thema ihres Europawahlkampfes machen. So sagte etwa die FPÖ-Nationalratsabgeordnete und EU-Kandidatin Petra Steger vor wenigen Tagen in einer Aussendung: Nachdem sämtliche Friedensbemühungen von der herrschenden Klasse im Keim erstickt werden, wird es einen demokratischen Paukenschlag bei der kommenden EU-Wahl benötigen, bei der es um nicht weniger als die Entscheidung über Krieg oder Frieden geht.

Steger kandidiert bei der Europawahl hinter  dem bisherigen Delegationsleiter Harald Vilimsky auf dem sicheren zweiten FPÖ-Listenplatz. Sie warf dem belgischen EU-Ratspräsident Charles Michel vor, sich in einem kriegsgeilen Rauschzustand zu befinden. Man solle froh sein, so Steger, dass es noch keine EU-Armee gebe, sonst würde die EU wohl schon bald Tausende von Soldaten in den sicheren Tod schicken und damit den Krieg vor unser aller Haustür tragen.

FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky befürchtet übrigens, dass die geplante Änderung des Mandats der Europäischen Investitionsbank (EIB) künftig auch die Finanzierung von Rüstungsprojekten ermöglichen werde.

::: Hier im Printlayout online lesen

Politicks, Fazit 201 (April 2024)

Kommentare

Antworten