Tandl macht Schluss (Fazit 202)
Johannes Tandl | 13. Mai 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 202, Schlusspunkt
Aufwachen! Der Standort geht kaputt. Seit einiger Zeit schon fällt Österreich bei wichtigen globalen Standortrankings zurück. Von Weltspitze kann keine Rede mehr sein. Das ist deshalb bitter, weil die Position bei diesen Vergleichen über die Attraktivität für internationale Großinvestitionen entscheidet. Dabei hat sich der heimische Standort jahrzehntelang – seit dem EU-Beitritt im Jahr 1995 – kontinuierlich bestens entwickelt. Während andere EU-Staaten ihre Industrien an Schwellenländer verloren haben, weil sie ihre Wettbewerbsposition vernachlässigt hatten, ist Österreichs Industrieanteil und damit der Wohlstand gestiegen.
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Doch damit ist es vorbei! Eine Reihe von makroökonomischen Faktoren, die zuerst von der Politik verstanden und verinnerlicht werden müssen, bevor sie von dieser zumindest eingeschränkt beeinflusst werden können, bedroht unsere Position.
Da sind einmal der Krieg in der Ukraine und die einseitige EU-Klimaschutzpolitik. Beide Faktoren haben dazu geführt, dass die heimischen Energiepreise derzeit gut dreimal so hoch liegen wie jene in den USA oder in China. Vor allem die energieintensive Industrie büßt kontinuierlich an Konkurrenzfähigkeit ein. Dann ist da die unglaubliche Nachlässigkeit der Bundesregierung, weil diese den sogenannten WAG-Loop nicht zustande bringt. Dabei handelt es sich um die Verlängerung der West-Austria-Gasleitung um 40 Kilometer von Bad Leonfelden bis zur deutschen Grenze. Mit dem WAG-Loop könnte dann endlich auch genügend Gas aus Europa und den USA nach Österreich weitergeleitet werden. Spätestens in einem Jahr müsste die Leitung fertiggebaut sein, weil die Ukraine ab Mitte 2025 kein russisches Gas mehr nach Europa durchlassen wird.
Zum immer größeren Standortproblem wird auch die Inflation. Mögliche Ursachen dafür, dass die Inflation in Österreich signifikant höher ist als in der restlichen Eurozone, sind die kompromisslose Anwendung der Benya-Formel bei den Lohn- und Gehaltsverhandlungen, die hohe Gewichtung des preisunempfindlichen Tourismus in unserem Warenkorb, aber auch die Indexierung von Mieten und Abgaben. Daher haben die Unternehmen mit einer Lohn-Preis-Spirale zu kämpfen, die sich negative auf ihre Wettbewerbsposition auswirkt.
Vor allem die Exportindustrie steht dadurch vor einem Problem. Diese Unternehmen können die steigenden Kosten nämlich nicht über die Preise auf ihre Kunden abwälzen, weil sie sonst sofort aus den internationalen Märkten fliegen würden. Es ist absehbar, dass mit den Exportunternehmen mittelfristig jeder zweite österreichische Arbeitsplatz unter Druck geraten wird. In kaum einem anderen Land der Welt hängen mehr Arbeitsplätze am Export als in Österreich.
Es gibt aber noch weitere Gründe für den Rückfall bei der Standortqualität; etwa den Arbeits- und Fachkräftemangel, die schlechte digitale Infrastruktur sowie Probleme im Bildungsbereich und im Gesundheitssystem. Auch die öffentliche Verwaltung wird in Österreich als zunehmend ineffizient wahrgenommen. Doch statt dringend notwendiger Reformen stehen die Themen Umverteilung, Arbeitszeitverkürzung und die Erhöhung diverser Alimentierungen auf der Agenda. Als größtes unternehmerisches Risiko und Investitionshemmnis werden von den österreichischen Unternehmen übrigens die regulatorischen Auflagen wahrgenommen. Besonders auffällig ist der im internationalen Vergleich extreme Bürokratieaufwand, der auch bei der besonders rücksichtslosen und unternehmensfeindlichen Umsetzung von EU-Richtlinien verortet wird.
Dass das österreichische Steuer- und Abgabensystem im internationalen Wettbewerb sowohl hinsichtlich der hohen Belastungen als auch bei fiskalpolitischen Lenkungs- und Steuerungseffekten schlecht abschneidet, wundert niemanden. 90 Prozent der im Vorjahr für das Deloitte-Wirtschaftsradar befragten Unternehmen fordern die Senkung der Lohnnebenkosten sowie weitere Einkommensteuersenkungen. Gefordert werden auch neue Investitionsförderungen.
Dass Österreich mit seinen Problemen nicht allein dasteht und Deutschland noch deutlicher zurückfällt, darf niemanden beruhigen, sondern das verschärft das Problem nur. Die Politik muss endlich aufwachen. Denn mit dem Standort geht auch der Sozialstaat kaputt.
Tandl macht Schluss! Fazit 202 (Mai 2024)
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