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Europawahl. Auftakt zum Jahr der Wegscheiden und Scheidewege

| 6. Juni 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 203, Gastkommentar

Foto: Marija KanizajEin Gastkommentar von Lukas Mandl.

Krieg und Terror, US-Wahl und EU-Wahl unter ambivalenten Vorzeichen, Inflation und Energiekrise, Cybercrime und irreguläre Migration, Arbeitskräftemangel und Gefahren für unsere liberalen Demokratien: dreist durch Populismus, schleichend durch Bürokratismus, lauthals durch Islamismus. Wir erleben Gereiztheit in vielen Gesellschaftsbereichen. So lässt sich der Frühsommer 2024 beschreiben.

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Gerade jetzt haben wir allen Grund, anzupacken. Gerade jetzt ist Zuversicht angezeigt. Jetzt ist jede Initiative für gutes Miteinander, für Mut und Pioniergeist, für Menschenwürde und Freiheitsrechte, für Bildung und Leistung, inklusive Herzensbildung sowie Anerkennung für unbezahlte Leistung, wie der sprichwörtliche Tropfen auf trockenen Boden.

Wir bilden nicht die erste Generation, die Krisen zu bewältigen hat. Selbstmitleid wäre unangebracht. Unsere Verantwortung gegenüber kommenden Generationen ergibt sich daraus, dass wir ein gut bestelltes Europa übernommen haben und ein solches übergeben sollten, nach Goethe: »Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb’ es, um zu besitzen.« Zwar ist das Gefüge komplexer und gesellschaftliche Fliehkräfte sind größer, aber wir haben auch mehr Freiheit und Spielraum. Die Imperative, die sich aus unserer Verantwortung ergeben, kulminieren im Jahr 2024. Es ist ein Jahr, über das wir in Zukunft mehr reden werden als über ein x-beliebiges Jahr. Es ist ein Jahr der Wegscheiden und der Scheidewege. Wie entscheiden wir?

Die Europawahl ist ein erster Höhepunkt dieses besonderen Jahres. Ich plädiere für Transparenz dazu, was überhaupt zu entscheiden ist. In der Republik Österreich, unserem Heimatland, das einen einzigen Wahlkreis bildet, entscheiden wird, welche 20 Abgeordnete Land und Leute im neuen Europaparlament vertreten werden. Punkt. Es wird nicht über die Spitze eines exekutiven oder legislativen Körpers entschieden, auch nicht über jene der Europäischen Kommission.

Wer sieht, dass Österreichs Schicksal untrennbar mit jenem Europas verbunden ist, wird verlangen, dass österreichische Abgeordnete mit europäischer Haltung und globaler Vernetzung verhandeln, dass sie Europa gestalten, und zwar auf Österreichisch – im Sinne ihrer obersten parlamentarischen Aufgabe, der Vertretung unserer Landsleute.

Zu den ersten Aufgaben des neuen Europaparlaments wird die Abstimmung über den Vorschlag der mitgliedsstaatlichen Regierungen für eine neue Kommissionsspitze gehören. Ob diesem personellen Vorschlag zugestimmt werden kann, wird vom Programm abhängen. Wird die vorgeschlagene Person einen Weg aus der Verbotspolitik, die in eine neue Prohibition abzudriften droht, sowie aus der zunehmenden Isolation Europas vom Weltmarkt, vorzeichnen können, und zwar glaubwürdig? Wird diese Person zu mehr Freiheit, damit zu mehr Innovation, Produktion, Risikodiversifikation, beitragen können? Wird sie Europas Stärke nach außen und damit unser aller Sicherheit auf den nötigen Standard bringen? Werden wir so andere Teile der Welt auf den Weg, dem Klimawandel zu begegnen, mitnehmen können? Andernfalls wird die Menschheit dem Klimawandel nämlich gar nicht begegnen. Von den Antworten auf Fragen wie diese werde ich mein Abstimmungsverhalten abhängig machen, sollte ich dem neuen Europaparlament angehören.

Aus meiner Sicht ist der Hinweis wichtig, dass die Vorzugsstimme zum Wahlrecht gehört. Das Wahlrecht voll auszuüben bedeutet, mit Vorzugsstimme zu wählen. Das gilt besonders dann, wenn nicht Koalitionen begünstigt oder Regierungsfunktionen besetzt werden können, sondern schlicht 20 Personen als Vertreterinnen und Vertreter unseres Landes gewählt werden. Denn die Vorzugsstimme ist die Personenstimme. Eine wahlberechtigte Person kann eine kandidierende Person mit Vorzugsstimme wählen, und zwar durch Hinschreiben des Namens.

Nach der Wahl werden auch Parteienergebnisse ausgewiesen. Meine Sorge für Österreich ist, dass unser Land das einzige sein könnte, in dem die extrem Rechten als Erste durchs Ziel gehen. Wollen wir das für Österreich? Soll uns das definieren? Ich denke nicht. – Ich liebe die Demokratie, ich plädiere für die freie Wahlentscheidung. Mit der Freiheit geht auch Verantwortung einher. Tauschen wir uns über alles Für und Wider aus, bevor wir entscheiden.

Mag. Lukas Mandl (44) ist der längstdienende Europaabgeordnete der ÖVP-Liste und bewirbt sich bei der Europawahl am 9. Juni um eine Wiederwahl durch Vorzugsstimmen. lukasmandl.at

Zu Gast bei Fazit, Fazit 203 (Juni 2024), Foto: Marija Kanizaj

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