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Tandl macht Schluss (Fazit 203)

| 6. Juni 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 203, Schlusspunkt

Die Europäische Union. Unverzichtbar, aber oft auf einem gehörigen Irrweg. Im aktuellen Eurobarometer der EU-Kommission bewerteten nur mehr 38 Prozent der befragten Österreicher die EU-Mitgliedschaft als positiv, 24 Prozent hingegen als eindeutig negativ. Im Vergleich dazu: Im EU-Schnitt sahen 61 Prozent der EU-Bürger die EU-Mitgliedschaft ihres Landes als positiv an und nur zehn Prozent als negativ. Diesmal wurde auch die Einschätzung der aktuellen Lage im eigenen Land abgefragt.

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Doch Die Europäische Union. Unverzichtbar, aber oft auf einem gehörigen Irrweg.Im aktuellen Eurobarometer der EU-Kommission bewerteten nur mehr 38 Prozent der befragten Österreicher die EU-Mitgliedschaft als positiv, 24 Prozent hingegen als eindeutig negativ. Im Vergleich dazu: Im EU-Schnitt sahen 61 Prozent der EU-Bürger die EU-Mitgliedschaft ihres Landes als positiv an und nur zehn Prozent als negativ. Diesmal wurde auch die Einschätzung der aktuellen Lage im eigenen Land abgefragt. Dabei schneidet Österreich signifikant besser ab als die meisten anderen EU-Mitglieder. So erachten etwa 62 Prozent der Befragten die politische und wirtschaftliche Situation in Österreich trotz Inflation und hoher Energiepreise als insgesamt gut – im EU-Schnitt sagen das nur 42 Prozent über ihr eigenes Land. Nicht abgefragt wurde die Einstellung der EU-Bürger zur Migration. Dabei ist die illegale Massenzuwanderung längst ein unübersehbarer »elephant in the room« geworden. Als Wahlmotiv überlagert die Migration fast alle andere Themen. Inzwischen ist selbst vielen Links-der-Mitte-Stehenden klar, dass die Zukunft der EU an der der unkontrollierten Migration hängt.  Mit einer Erweiterung der Europäischen Menschenrechtskonvention im Jahr 1998 wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof als alleiniger Entscheidungsträger bei strittigen Asylentscheidungen ins Leben gerufen. Und weil die EMRK zum EU-Rechtsbestand gehört, aber nur vom Europarat und noch dazu einstimmig abgeändert werden kann, ist sie de facto nicht reformierbar. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die EU kaum valides Zahlenmaterial zur Einstellung der Bevölkerung gegenüber der unkontrollierten Migration zur Verfügung stellt. Das beantwortet auch die Frage, warum die EU-Skepsis in Österreich so groß ist, obwohl die Österreicher mit ihrem Lebensumfeld durchaus zufrieden sind.

Sämtliche Umfragen zur EU-Wahl im Lande werden daher von der FPÖ angeführt. Ihr Slogan »EU-Wahnsinn stoppen« bringt die Stimmung vieler Wähler auf den Punkt. Gemeinsam mit der Forderung nach Aussetzung der EU-Zahlungen bewegt sich die FPÖ damit jedoch in eine gefährliche Öxit-Richtung. Auch die Forderung nach einer Festung Europa mit einer Asylpolitik nach australischem Vorbild ist nicht einmal im Ansatz durchsetzbar. Und der FPÖ-Wunsch nach einem Umgang mit Asylwerbern wie in Ungarn bleibt hoffentlich ebenfalls unerfüllt. Dann müssten nämlich die österreichischen Sozialleistungen auf das ungarische Niveau – also auf 20 bis 40 Prozent des aktuellen Levels abgesenkt werden. Aber das wird die FPÖ ihren treuen Stammwählern wohl nicht zumuten.

Für ÖVP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka ist und bleibt Europapolitik die Kunst des Machbaren. Sein Slogan »Europa. Aber besser.« bringt das auf den Punkt. Erfolgreiche Europapolitik besteht aus dem Bohren extrem dicker Bretter. Dabei wird Lopatka klar sein, dass auch der aktuelle Asylpackt keine echte Entlastung bringen wird, weil darin die Internierung von Migranten aus sicheren Drittstaaten bis zum Asylentscheid auf maximal 30.000 illegale Zuwanderer pro Jahr beschränkt wird. Allein im Vorjahr sind über eine Million Menschen illegal in die EU eingereist. Lopatka sieht die einzige Chance, dem Asylproblem Herr zu werden, daher in der Verbesserung des Außengrenzschutzes. Auch seine Forderung nach »Klimaschutz mit Hausverstand«, mit der er für Technologieoffenheit etwa bei der Entwicklung einer klimaneutralen Mobilität wirbt, erscheint plausibel.

Andreas Schieder von der SPÖ kämpft wieder einmal für ein »soziales und gerechtes Europa«. Ihm ist natürlich klar, dass eine europaweite Harmonisierung der Sozialleistungen nur den reichsten Österreichern entgegenkommen würde, weil sich unser Sozialleistungsniveau weit über dem EU-Durchschnitt befindet. Daher verzichtet die SPÖ in der Wahlbewegung auf die Forderung nach der Umwandlung der EU in eine Sozialunion. Die EU-Kampagne der Grünen ist aus den bekannten Gründen ins Stocken geraten, das kommt womöglich den Neos entgegen, die mit ihrer Forderung nach »Vereinigten Staaten von Europa« bewusst in eine ganz andere Richtung als die FPÖ polarisieren.

Die Qual der Wahl ist diesmal gar nicht so groß. Wer für seinen Denkzettel einen Öxit in Kauf nimmt, ohne dadurch ein einziges Problem zu lösen, weiß ebenso was er am 9. Juni ankreuzen muss, wie jene, für die die EU zwar unverzichtbar ist, sich aber nicht immer auf dem richtigen Weg befindet.

Tandl macht Schluss! Fazit 203 (Juni 2024)

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