Werner Fenz und sein Erbe
Michael Petrowitsch | 6. Juni 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 203, Kunst und Kultur
Endlich wird das Wirken des großen steirischen Kulturtheoretikers, Lehrmeisters und Wegbereiters entsprechend gewürdigt. Ein Stipendium und ein Archiv verbunden mit seinem Namen finden beim Steirischen Herbst seine Heimstätte.
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Der Steirische Herbst und die Stadt Graz vergeben 2024 erstmals gemeinsam das Werner-Fenz-Stipendium für Kunst im öffentlichen Raum. Aus 142 Einreichungen überzeugte die renommierte brasilianische Künstlerin Clara Ianni die Jury mit ihrem Konzept einer Performance im Grazer Stadtraum. Das mit 17.000 Euro dotierte Stipendium umfasst die Umsetzung der Arbeit während des Steirischen Herbst 2024.
Stipendium
Zur Würdigung des Kunsthistorikers und Kurators Werner Fenz (1944–2016) hat das Kulturreferat der Stadt Graz 2020 auf Initiative von über 200 Kunstschaffenden, Kuratoren und Journalisten sowie anderen Mitgliedern des Kunstbetriebs ein Stipendium für Kunst im öffentlichen Raum eingerichtet. Im Jahr 2021 wurde es erstmals an Hannes Zebedin für das Projekt »Die Brücke« vergeben, das 2022 im Parallelprogramm des Steirischen Herbst realisiert wurde. Werner Fenz war mit dem Steirischen Herbst eng verbunden und hat unzählige Projekte im Festival kuratiert. Angesichts der Ressourcen des Steirischen Herbst und seiner langjährigen Produktionserfahrung mit Kunst im öffentlichen Raum lag es nahe, das biennale Stipendium zusammen mit der Stadt Graz auszuschreiben und die Realisierung des Siegerprojekts vollends in den Herbst zu integrieren. Es richtet sich an nationale und internationale Projekte, die sich mit dem sozialpolitischen Kontext von Graz auseinandersetzen, und fördert Kunst, von der entscheidende Impulse für den öffentlichen Raum und den gesellschaftlichen Wandel ausgehen.
Hochkarätige Jury
Diesen Kriterien folgend, entschied sich die fünfköpfige Jury bestehend aus Nils van Beek, Martin Behr, Ekaterina Degot, Katrina Petter, und Andreas Siekmann einstimmig für das Projekt Resurrection von Clara Ianni. In ihrer Arbeit beschäftigt sich die 1987 in São Paulo geborene Künstlerin kritisch mit dominanten historischen Narrativen, Machtstrukturen und institutionellen Rahmenbedingungen, einschließlich derer im Kunstbereich. Mit ihrem Projekt im Rahmen des Werner-Fenz-Stipendiums macht Ianni einen Grazer Bestand im öffentlichen Raum sichtbar, der in der Regel vergessen wird. Ausrangierte Bühnenelemente und Requisiten aus dem Fundus der Grazer Theater werden in Iannis Performance wiederbelebt: Bäume, Steine, Wolken oder Blumen – Ausstattungselemente also, die die Natur abbilden. So wird der echten Natur eine künstliche gegenübergestellt, um überraschende Verbindungen zwischen menschlichen und ökologischen Dimensionen zu schaffen.
Neue Sammlung
Ergänzend zum Werner-Fenz-Stipendium für Kunst im öffentlichen Raum initiiert der Herbst die Sammlung des Werner-Fenz-Stipendiums und kauft Originale von zehn ausgewählten Künstlern an, die an der Ausschreibung zum Stipendium 2024 teilgenommen haben. Die neue Sammlung wird parallel zum biennalen Stipendium wachsen und vorbereitendes Material wie Entwürfe oder Skizzen der eingereichten Konzeptideen umfassen. Damit wird ein Blick auf unterschiedliche Schaffensprozesse und unrealisierte künstlerische Ideen ermöglicht und die Reflexion der Gestaltungsmöglichkeiten von Kunst im öffentlichen Raum in Graz und darüber hinaus angeregt. Die Arbeiten der ausgewählten Werke repräsentieren einen Querschnitt der künstlerischen Auseinandersetzung, die der Zielsetzung der neuen Sammlung entspricht und die paradigmatisch für Werner Fenz’ Verständnis von Kunst im öffentlichen Raum steht.
Im Forum Stadtpark
Vorbereitendes Material zu Clara Iannis Arbeit ist zusätzlich Teil dieses ersten Bausteins der Sammlung, die im Rahmen des Steirischen Herbst ’24 in einer eigenen Ausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Die Ausstellung eröffnet am zweiten Festivalwochenende im Forum Stadtpark und wird anhand des Projekts »Kunst Heimat Kunst« (1992–94) die Multidimensionalität des Wirkens von Werner Fenz als Kulturschaffender, Historiker und Kurator mit einer Vielzahl an Dokumenten, Interviews und Fotos über die zehn ausgewählten Arbeiten hinaus beleuchten.
Schenkung
Ulrike Fenz-Kortschak, Werner Fenz’ Witwe, hat sich bereit erklärt, Teile ihres privaten Archivs zum Wirken ihres Ehemanns im Steirischen Herbst dem Festival zu schenken. Es handelt sich insbesondere um Material zu den Projekten Bezugspunkte 38/88 (1988) und Kunst Heimat Kunst (1992–94), die zu den prägendsten der Festivalgeschichte gehören. Speziell Hans Haackes Skulptur »Und ihr habt doch gesiegt« (1988) am Eisernen Tor, auf die ein Brandanschlag verübt wurde, ist bis heute international bekannt. Korrespondenzen, Skizzen und Fotos werden im Archiv und Recherchezentrum des Steirischen Herbst künftig Forschenden wichtige Einblicke in diese und andere Arbeiten des Festivals liefern.
Alles Kultur, Fazit 203 (Juni 2024), Foto: Ana Ferreira
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