Anzeige
FazitOnline

Politicks Juli 2024

| 12. Juli 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 204, Politicks

Drexler: Vorrang für Bildungschancen der Einheimischen
Trotz deutlicher Verluste und anders lautender Umfragen sieht der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler in der EU-Wahl die Bestätigung dafür, dass sein Ziel, bei der steirischen Landtagswahl im Herbst als Erster durchs Ziel zu gehen, durchaus erreichbar ist.

Drexler definiert sein Wahlziel damit, als Erster durchs Ziel gehen zu wollen. Die Steirische Volkspartei solle mit ihm an der Spitze weiterhin die Hauptverantwortung in diesem Land übernehmen können; und zwar am liebsten mit ihrem bisherigen Regierungspartner, weil man gemeinsam eine sehr gute Arbeit für die Steirerinnen und Steirer geleistet habe. Drexler stellte zudem klar, dass er nicht als LHStv. zur Verfügung stehen werde.

Natürlich setzt das schlechte EU-Wahlergebnis die Steirische ÖVP unter massiven Zugzwang. Drexler sagte diesbezüglich, die EU-Wahl habe viel Skepsis und große Sorgen unter der Bevölkerung offengelegt, denen auch er sich stellen werde. Er sehe im EU-Wahlergebnis aber sogar eine Motivation für die Landtagswahl. Die zwei Prozentpunkte, die die FPÖ in der Steiermark voranliegt, würden zwar schmerzen, wären aber aufholbar. Angesichts der schwierigen Ausgangslage für die ÖVP sei es bereits als Erfolg zu werten, dass die ÖVP deutlich an zweiter Position geblieben sei.

Um sein Wahlziel zu erreichen, will Drexler seine Lösungskompetenz auch bei klassischen FPÖ-Themen wie der illegalen Migration und deren Folgen schärfen. Was den Familiennachzug der Zuwanderer betrifft, fordert er eine klare Regelverschärfung. Es gelte, das Menschenrecht auf Familienzusammenführung mit dem Menschenrecht auf Bildung abzuwägen, wobei er keinen Zweifel daran lässt, dass die Bildungschancen der steirischen Kinder aus seiner Sicht Vorrang haben müssen.

SPÖ: Wie reagiert die Partei auf das abgesagte Kanzlerduell?
Das SPÖ-Ergebnis bei der Europawahl war zwar nicht berauschend. Aber die Verluste von 0,6 Prozentpunkten sollten angesichts der völlig danebengegangenen SPÖ-Wahlkampagne niemanden überraschen. Im Gegenteil! Mit 23,2 Prozent ist die SPÖ noch ziemlich gut bedient.  Ihre abstruse Forderung nach einer europäischen Sozialunion – also der langfristigen Angleichung der völlig unterschiedlichen europäischen Sozialniveaus – würde für die wohlfahrtsstaatverwöhnten Österreichinnen und Österreicher nämlich unweigerlich mit der Absenkung der heimischen Sozialleistungen einhergehen.

Die Sozialdemokraten sollten sich daher besser darüber freuen, dass ihre Stammwähler immer noch ziemlich unkritisch ein Kreuzerl hinter dem SPÖ-Parteinamen machen. Was sollen sich im Vergleich dazu die Verantwortlichen der beiden Regierungsparteien denken? Die ÖVP hat fast ein Drittel ihre Wähler von 2019 verloren und die Grünen auch beinahe ein Viertel.

Trotzdem scheint aktuell nur bei der SPÖ Aufregung über den Wahlausgang zu herrschen. Der Frust dürfte darin begründet sein, dass viele SPÖ-Funktionäre bis zur Bekanntgabe des EU-Wahl-Ergebnisses tatsächlich an ein von Andreas Babler verkündetes Kanzlerduell zwischen Herbert Kickl und dem SPÖ-Chef geglaubt hatten. Massiv verstärkt wurde dieser Glaube nicht nur von den Wertejournalisten – also linksgrünen Propagandamitarbeitern – in den heimischen Nachrichtenredaktionen, sondern auch einer am Boden liegenden Demoskopie, die immer noch nicht weiß, wie sie mit der Unterdeklaration der ÖVP-Wähler und der Überdeklaration der FPÖ-Wähler umgehen soll. Bei den anderen Parteien trafen die Umfragen übrigens auch bei der EU-Wahl ins Schwarze.

Tatsächlich wäre die Reduzierung des Nationalratswahlkampfes auf ein Duell zwischen Gut (also SPÖ) und Böse (selbstverständlich FPÖ) aus SPÖ-Sicht etwas Feines gewesen. Denn wie so ein Wahlkampf angelegt werden muss, wissen die Genossen ganz genau. Da hätten sie nur bei der Wiener SPÖ nachschauen müssen. Denn Wiener SPÖ-Gemeinderatswahlkämpfe beschränken sich seit Jahrzehnten darauf, den vermeintlichen blauen Teufel an die Wand zu malen. In einem solchen Wahlkampf geht es aus SPÖ-Sicht dann vor allem darum, die Bevölkerung gemeinsam mit dem Staatsfunk dermaßen zu verunsichern, dass selbst Wiener Bürgerliche und klassische Grünwähler ihr Kreuzerl beim roten Bürgermeister machen.

Ohne Kanzlerduell müssen die roten Hinterbänkler zittern …
Doch das EU-Ergebnis hat gezeigt, dass es das von Babler versprochene Duell nicht geben kann. Dazu hätte die SPÖ nämlich, wie eben von den überforderten Demoskopen prophezeit, klar vor der ÖVP Zweiter werden müssen. Stattdessen liegt die ÖVP jetzt nur 0,9 Prozentpunkte hinter dem klaren Wahlsieger FPÖ an zweiter Stelle und erst weitere 1,3 Prozentpunkte hinter der ÖVP folgt die SPÖ als Dritter.

Daher hat die ÖVP trotz ihrer krachenden Niederlage, die Möglichkeit, die Nationalratswahl ihrerseits zu einem Duell zwischen Gut – in diesem Fall die ÖVP – und Böse – wieder die FPÖ – zu erklären, bei dem die SPÖ keine Rolle spielt.

Obwohl die SPÖ mangels echter europapolitischer Agenda bei der EU-Wahl ähnlich abgeschnitten hat, wie sie immer abschneidet, beginnen ihre Hinterbänkler im Nationalrat und in den Landtagen zu begreifen, dass ihre Tage als gut bestallte Berufspolitiker mit der kommenden Nationalratswahl bzw. den kommenden Landtagswahlen enden könnten, wenn es Andreas Babler nicht endlich gelingt, irgendwie Tritt zu fassen. Und genau das ist der Zeitpunkt, zu dem wieder einmal der burgenländische Landeshauptmann ins Spiel kommt: Nach dem vermeintlich schlechten Abschneiden bei der EU-Wahl steigert Hans-Peter Doskozil seine Angriffsfrequenz auf den ungeliebten Parteivorsitzenden und die Wiener Partei.

Und immer wieder Doskozil …
Jetzt sind öffentlich ausgetragene persönliche und politische Streitigkeiten für die SPÖ nichts Neues.  Sie haben die Entwicklung der Partei seit den Tagen von Otto Bauer geprägt und der Partei auch in den letzten Jahrzehnten immer wieder eine neue Richtung gegeben. Der Fall von Franz Olah hat erst Bruno Kreisky möglich gemacht. Hätte Androsch sich gegen Kreisky durchgesetzt, hätte die SPÖ ebenfalls eine ganz andere Richtung eingeschlagen, wie unter dem an der Waldheim-Affäre gescheiterten Fred Sinowatz. Der Streit zwischen der Bundes-SPÖ und dem burgenländischen SPÖ-Landeshauptmann ist trotzdem einzigartig.

So hat Doskozil fünf Jahre lang darauf hin gearbeitet, die Quereinsteigerin Pamela Rendi-Wagner aus dem Weg zu räumen. Daraufhin hat Dosko eine von Andreas Babler erzwungene Mitgliederbefragung um den SPÖ-Vorsitz gewonnen, nur um von diesem bei einem völlig chaotischen Parteitag bei der Wahl um den Parteivorsitz doch noch besiegt zu werden.

Und obwohl Babler sich inzwischen bei einem weiteren Parteitag mit 90 Prozent Zustimmung bestätigen ließ, will trotzdem kein innerparteilicher Frieden bei der SPÖ einkehren. Ihr am linken Rand des selbst aus SPÖ-Sicht erträglichen Spektrums verorteter Vorsitzender ist einfach so weit von den roten Realos in den Gemeindeämtern, Kammern, Betriebsräten und Regierungsbüros entfernt, dass kein tragfähiger Brückenbau zwischen den weit auseinanderliegenden Positionen und Personen gelingen will.

Je öfter Doskozil wiederholt, dass das Kapitel der Bundespolitik für ihn abgeschlossen sei, desto stärker hoffen seine zahlreichen SPÖ-internen Fans, dass er sich doch noch einmal aufrafft, um die SPÖ endlich wieder auf die Siegerstraße zu führen. Denn trotz seines Versprechens, sich von der Bundes-SPÖ fernzuhalten, schießt Doskozil fast im Wochenrhythmus quer. Einmal gegen die SPÖ-Gewerkschafter, dann wieder gegen Michael Ludwig bzw. die Wiener SPÖ und immer wieder gegen Andreas Babler.

Gleichzeitig überschüttet Doskozil Expolitiker wie etwa Hannes Androsch und neuerdings auch Christian Kern mit viel Lob. In der SPÖ-Basis kursiert hingegen das hoffentlich völlig haltlose Gerücht, dass Doskozil am Parteitag eigentlich doch gegen Andreas Babler gewonnen hätte, die Wahlprotokolle im Nachhinein jedoch verändert worden seien.

Doskozil propagiert inzwischen sein etatistisches burgenländisches Erfolgsmodell als Programm für ganz Österreich. Der Landeshauptmann wird das Füllhorn über die Burgenländerinnen und Burgenländer wohl so lange weiter ausschütten, bis die Prokopfverschuldung von derzeit 4.300 Euro auf das Kärntner Ausmaß von 6.300 Euro gestiegen ist, oder bis seine parteiinternen Rachegelüste irgendwann befriedigt sein werden.

::: Hier im Printlayout online lesen

Politicks, Fazit 204 (Juli 2024)

Kommentare

Antworten