Anzeige
FazitOnline

Außenansicht (55)

| 14. August 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 205

Republikaner »funktionieren« erfolgreich. Nur etwa 90 Minuten nördlich von Chicago liegt Milwaukee, die Hauptstadt des Bundesstaates Wisconsin. Einst ein Zentrum der Einwanderer aus Deutschland und der Schweiz mit Bierhäusern und Bratwurst und einigen Dörfern, die wie frisch aus Bayern importiert aussehen.

::: Hier im Printlayout online lesen

Im »Bird Center«, einem modernen Kongresszentrum, fand heuer der RNC statt, der »Republican National Congress«, an dem der Kandidat der Republikaner für die Präsidentschaftswahl nominiert wurde. Wenig überraschend wird Donald Trump für die Republikaner antreten. Die Neugierde konzentrierte sich in den Tagen vor Beginn des Kongresses auf die Nominierung des Vizepräsidenten. Insider prophezeiten den einen oder die andere aus dem inneren Kreis des Expräsidenten, der jedoch mit seiner Entscheidung alle überraschte.

J. D. Vance, einst ein aggressiver Gegner von Trump, der ihn als Hitler kritisierte, später jedoch in sein Team wechselte, repräsentiert einen neuen Stil konservativer Politik. Der 39-jährige Senator von Ohio wuchs unter ärmlichen Bedingungen auf. Seine Eltern ließen sich scheiden, als er noch ein Baby war, die drogenabhängige Mutter vernachlässigte Vance und seine Schwester, bis die Großeltern die Kinder übernahmen. Nach der High School meldete er sich zur Armee, war in Irak während des Krieges und schloss danach die Universität von Ohio mit Auszeichnung ab – ein Türöffner zur Universität von Yale, einer der besten Unis weltweit. 2016 schrieb er bereits seine Memoiren »Hillbilly Elegy«. Das Buch mit der Beschreibung des Elends seiner Kindheit, der schlecht bezahlten Jobs und dem Verschwinden der Fabriken aus weiten Teilen des Landes, erreichte die Bestsellerliste der New York Times, wurde verfilmt und bei den Oscars präsentiert.

Vance passt so gar nicht in das Klischee der reichen Republikaner, die angeblich nur Politik betreiben, um ihre reichen Freunde noch reicher zu machen. Während Trump mit geerbtem Vermögen seine vergoldeten Toilettendeckel stolz erwähnt, repräsentiert Vance den »amerikanischen Traum«, wie man aus der »Gosse« kommend mit harter Arbeit erfolgreich sein kann.

Doch Vance ist nicht nur der Emporkömmling, der den Republikanern ein paar Stimmen aus der kommerziellen Unterschicht bringen könnte. In seinem Buch kritisiert er nicht die »Umstände«, die der Grund für seine Armut wären, sondern den Mangel an Eigeninitiative seiner eigenen Eltern und einem absurden Sozialsystem. Als Jugendlicher arbeitete er in einem Supermarkt. Er beschreibt Arbeitslose und Sozialgeldempfänger, die wesentlich reicher waren als er, obwohl er neben der High School 30 Stunden lang jede Woche gearbeitet hatte. Wie könnten jene, die nicht arbeiten, ständig mit ihren Mobiltelefonen spielen, schreibt er, während er sich nie eines leisten konnte. Er nennt es die »Obama Economy«, das jene bestraft, die einfache, schlecht bezahlte Arbeit bereit wären zu übernehmen, und jene belohne, die um staatliche Hilfe bitten und einfach nichts tun würden.

Doch die Nominierung von Vance bedeutet noch ein ganz anderes Signal. Damit bereitet Trump eine langfristige Präsidentschaft der Republikaner vor. In vier Jahren ist Vance 44 Jahre alt, mit möglicherweise einer vierjährigen Erfahrung als Vizepräsident. Das wäre ein Vorsprung für die Wahlen 2028. Dem gegenüber stünden die Demokraten mit der ewig schweigenden Kamala Harris ziemlich armselig da. Und auch die Ehefrau von J. D. Vance, Usha Vance aus einer Familie indischer Einwanderer, entspricht so ganz und gar nicht dem Klischee der blonden Partnerinnen republikanischer Politiker. Ihre Eltern sind gläubige Hindus. Auch sie studierte in Yale und eröffnete nach der Ausbildung als Rechtsanwältin ihre eigene Kanzlei. Die »nicht-weiße« Mehrheit der US-Bevölkerung sieht in ihr möglicherweise die Chanc für Kinder aus Einwandererfamilien in der us-amerikanischen Gesellschaft. Schon jetzt kommt ein Drittel der Absolventen der dortigen Universitäten aus solchen Familien.

Gegenüber Trump existieren völlig berechtigt unterschiedliche Meinungen, oft Zweifel und Ablehnung. Dennoch bringt er mit seiner Erfahrung in der Privatindustrie ein Knowhow mit, das im Vergleich zu den zerstrittenen Demokraten die Republikaner als geschlossene, professionelle Organisation zeigt.

Außenansicht #55, Fazit 205 (August 2024)

Kommentare

Antworten