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Die Stadtpflanze und andere Blumen

| 14. August 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 205, Fazitbegegnung

Foto: Andreas Pankarter

Seit gut zwei Jahren bereichert Ursula Gabbauer das Grazer Herz-Jesu-Viertel mit Trommelschlegel, Wiesenknopf oder Eisenholz in einer ehemaligen Herrenschneiderei mit Umkleidekabinen, Vitrine und Sesseln aus den Neunzehnfünfzigerjahren, buchstäblich durch die Bank denkmalgeschützt. Einfacher gesagt handelt es sich bei der »Stadtpflanze« um ein Blumengeschäft, aber eines, das anders ist. »Ich verkaufe so gut wie nie rote Rosen. Meine Kundschaft ist zu 95 Prozent weiblich, gut situiert und schätzt Handwerk. Und will etwas, was andere nicht haben.«

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Zum Beispiel einen Graskranz oder einen aus Blättern oder Wacholder oder aus Trockenblumen. Sehr oft wird bei ihr nach einem Geschenk gesucht. Da die Floristin sich als Gestalterin versteht, entstehen neben handgemalten und gedruckten Billets, Geschenkanhängern oder Pickerln, mit Hilfsmitteln wie Gefäßen, Draht oder haptischem Karton florale Kompositionen, in denen auch Feldblumen, eingangs erwähnte Gewächse, weiße oder eingefärbte Schafgarben, bunte Dahlien oder Strandflieder ihren Platz finden. Die Schönheit und Grazie einer Jungfer im Grünen bezaubert nicht nur als Blüte, sondern ist auch als Samenkapsel höchst attraktiv. Trotz Vergangenheit als Flüchtling aus den Mittelmeerraum und verwildernder Gartenflüchtling aus der Enge heimischer Bauerngärten hat diese »Nigella damascena« sich in der österreichischen Sagenwelt als Gretl in der Stauden (neben dem Hansl am Weg) einen Namen gemacht. Allesamt sind in der Regel regionale Gewächse, die alles andere als selten sind – außer in klassischen Blumengeschäften.

Der kleine, feine, persönliche Dekorations-, Geschenke-, Schöne-Sachen-Laden führt ganz bewusst im Sinne des natürlichen Naturkreislaufs Sonnenblumen nur im Sommer und Schneerosen nur im Winter. Einerseits sollen Blumen nicht um die ganze Welt gekarrt werden und andererseits geht es auch um das Licht. Gabbauer: »Das ist etwa in der Hochzeitsfloristik wichtig. Erstens sind Sonnenblumen im Winter teurer und zweitens bekommen Sie nur im Herbst die typischen schönen honiggelben Blätter, weil das Licht warm ist, während es im Frühjahr kalt ist.«

Ursula Gabbauer ist eine Quereinsteigerin. Aufgewachsen ist sie in der Katzianergasse gleich ums Eck, im gleichen Haus, wo auch der Dramatiker Wolfgang Bauer wohnte, der dem damaligen Teenager unzählige Zeichnungen nicht jugendfreien Inhalts zukommen ließ: »Ich hätte sie mir aufbehalten sollen, hatte aber Angst, dass mein Vater sie findet.« Nach einem abgebrochenen Biologiestudium absolvierte sie ein Kolleg für Tiefbau an der HTL-Ortweinschule, bekam aber in der männerdominierten Branche keinen Job. Also jobbte sie wieder wie schon zu Studienzeiten im Gastgewerbe, ging auf Saison und blieb fast fünf Jahre in Tiroler Hotels, inklusive Rezeptionistenausbildung. Dort lernte sie auch ihren Mann kennen, der Architekt in Graz ist und sie quasi heimholte.

Ihr Job bei der Firma Lederleitner brachte sie auf den Geschmack, und so beschloss Ursula Gabbauer mit 40 Jahren Floristin zu werden. Sie holte die Lehre nach und 2021 die Meisterprüfung in Zwettl. Im Sinne von Regionalität und kurzen Wegen bezieht sie ihre Blumen möglichst direkt beim Produzenten, so vom Grazer Schnittblumenproduzenten Stefan Wallner, aber auch vom Großhändler Gebrüder Leitner in der Puchstraße und die Feldblumen von der »Blumenfarm« im Lavanttal. Die Mischung mit Feldblumen macht auch die Natürlichkeit ihrer Sträuße aus, allerdings sind diese typischen Bauerngärtenblumen schwer über den Großhandel zu bekommen. »Und die wenigen Marktfrauen, die noch Blumen verkaufen werden weniger, weil sich das niemand mehr antut«, so Gabbauer. Als dilettierender Blumenliebhaber lerne ich Folgendes: »Der Strauß ist das schwierigste Werkstück. Man beginnt mit nichts, man hat keine Form wie etwa bei einem Gesteck, wo das Gefäß die Form vorgibt.« Dann werden die Stiele geputzt und – jetzt kommt‘s – spiralförmig gebunden, »weil beides die Haltbarkeit eines Straußes enorm verlängert.« So verletzt nämlich der Bindfaden die Stiele nicht, die das Wasser zu den Blüten leiten. Gebunden wird er, damit die kürzeren Blumen nicht nach unten rutschen. Würde man die kürzeren Seitentriebe nicht verwenden, würde das den Strauß teurer machen.

Tatsächlich, so Gabbauer, ist der Preis der Blume als Rohstoff in den letzten Jahren ohnehin um 40 Prozent gestiegen. Ziel der Meisterfloristin ist es im Übrigen, dass der Anblick eines Straußes genügt, um den Urheber zu erkennen.Die naturnahe Floristik von Ursula Gabbauer funktioniert in der Stadt wahrscheinlich besser als am Land: »Ich merke, dass die urbane Klientel wieder gern einfache Dinge haben will. Sei es aus Naturverbundenheit oder vielleicht aufgrund von Kindheitserinnerungen.« Man könne sich mittlerweile zwar bei Amazon&Co alles bestellen, aber die ganz einfachen Dinge wie Feldblumen eben nicht. Sollte uns das nicht zu denken geben?

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Ursula Gabbauer wurde am 20. Dezember 1973 in Graz geboren, die Mutter war im Lehrberuf, der Vater als Landvermesser tätig. Sie hat zwei Schwestern, ist verheiratet und hat ein Kind. Nach der Matura bei den Ursulinen studierte sie kurz Biologie, absolvierte eine HTL und enschloss sich erst mit 40 Jahren Floristin zu werden. Heute ist sie selbstständig und betreibt die Blumenhandlung »Stadtpflanze« in einem denkmalgeschützten Neunzehnfünfzigerjahregeschäft in der Naglergasse 42.

Fazitbegegnung, Fazit 205 (August 2024) – Foto: Andreas Pankarter

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