Anzeige
FazitOnline

Käse ist mir nicht Wurst

| 14. August 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 205, Fazitportrait

Foto: Heimo Binder

Das Grazer Traditionsunternehmen »Delikatessen Nussbaumer«, weithin bekannt für sein riesiges, hochqualitatives Käsesortiment und seine umfangreichen Wurst- und Schinkenspezialitäten hat seit kurzem einen neuen Eigentümer. Das Besondere daran: Mit Anton Tropper stürzt sich ein studierter Europa-Spezialist, der noch bis vor kurzem Landesgeschäftsführer der Neos war, in das Abenteuer Selbstständigkeit.

::: Hier im Printlayout online lesen

Delikatessen Nussbaumer wurde 1903 als Familienunternehmen gegründet und hat sich zu einer wahren Institution im Herzen von Graz, in der Paradeisgasse 1, entwickelt. Mit der über hundertjährigen Tradition des Ein- und Verkaufs ausgezeichneter Käse und verschiedener Spezialitäten geht ein umfangreicher Wissens- und Erfahrungsschatz im Bereich Feinkost und Delikatessen einher. Als Fritz Nussbaumer, der Sohn des Unternehmensgründers, im Juni 2016 in den Ruhestand trat, verkaufte er das Geschäft an Josef Sorger, der 40 Jahre im Ausland im Hotelmanagement tätig war. Dort hatte er sich vom Koch bis zum Director of Operations im Intercontinental in Saudi Arabien hochgearbeitet. Sorger: »Der Nussbaumer war für mich eine Betätigung im Ruhestand, um mich nach so vielen Jahren im Ausland zu reintegrieren. In den acht Jahren bis heuer im März konnte ich den Umsatz fast verdreifachen.« Seine Suche nach einem Nachfolger dauerte etwa 14 Monate lang, bis mit Neos-Geschäftsführer Anton Tropper der Richtige kam. Seit April führt der verheiratete 42jährige Vater zweier Kinder das alteingesessene Unternehmen  und freut sich, dass sein hausgemachtes Roastbeef aus Bio-Rindfleisch so stark nachgefragt ist, dass jede Woche für drei bis vier Kilo Nachschub gesorgt werden muss. Angesprochen auf seine weiteren Pläne reagiert ihr zunächst verhalten. Er möchte vorerst einmal ein Jahr lang das Geschäft führen und stabil auf den Boden bringen. Sein Lebenslauf ist nicht gerade typisch für einen Geschäftsmann in der Lebensmittelbranche, er ist sogar ausgesprochen bunt und vielfältig.

Foto: Heimo Binder

Weltreisen hilft
Nach einem Diplomstudium in Geographie in Graz absolvierte er in Wien noch das Masterstudium »European Studies«. Während des Studiums arbeitete Tropper als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Geographie an der Grazer Karl-Franzens-Universität. Für drei Monate verschlug es ihn für ein Praktikum in das Büro für Sicherheitspolitik im Bundesministerium für Landesverteidigung. Anschließend begab er sich für ein halbes Jahr auf eine Weltreise, auf der ihn seine jetzige Frau zum Großteil begleitete. Die Reise mit dem Rucksack führte ihn über Südamerika und Nordamerika bis nach Asien und Neuseeland und sorgte, wie er es ausdrückt, für erhellende Momente. Schließlich landete Anton Tropper in Brüssel. Dieser Weg führte ihn über ein Praktikum zu einer Anstellung in einer Stiftung des europäischen Parlaments: »Meine Aufgabe war es, die Politik der europäischen Union bei den ehemaligen Erweiterungsländern zu implementieren.« Im Anschluss ergatterte er einen hohen Posten in München, wo er von 2013 bis 2018 stellvertretender Leiter für die Abteilung für Internationales und Europa sowie Leiter der Europa-Abteilung war. Die letzten sechs Jahre schließlich war er Landesgeschäftsführer der Neos in der Steiermark, eine reine Managementfunktion ohne politisches Mandat am Glockenspielplatz. Für all diese Posten ist er jeweils über Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen als Bester genommen worden. Tropper: »Das läuft in Deutschland ein bisschen anders als in Österreich. Da kann man sich tatsächlich auf Stellen bewerben und wird genommen, auch wenn man keinen kennt. Sie werden lachen, aber es ist so. Das war ja auch mein Antrieb überhaupt bei den Neos zu starten, weil ich gesagt habe: Es muss zählen was man kann und nicht wen man kennt.«

Von der Politik in den Lebensmittelhandel
Und wie wird man mit so einem Lebenslauf Nachfolger von Delikatessen Nussbaumer? Tropper: »Mein Gott, ich habe zwei Leidenschaften. Die erste Leidenschaft ist Politik. Die hab ich in meinem bisherigen Berufsleben jetzt einmal abgehandelt. Meine zweite Leidenschaft ist gutes Essen, gutes Trinken und gehaltvolle Nahrungsmittel – und so habe ich meine zweite Leidenschaft zum Beruf gemacht.« Aber was lockt einen politischen Kopf vom Schreibtisch zur Verkaufstheke von Nussbaumer? »Die Auseinandersetzung mit den Produkten. Das macht mir Spaß und das interessiert mich. Und natürlich habe ich ein bisschen was vor und ich habe Visionen. Nussbaumer ist schon mehr als das Geschäft und ich glaube da geht mehr.« Doch noch gibt er sich zurückhaltend. »Über ungelegte Eier will ich nicht sprechen. Aber grundsätzlich glaube ich schon, dass das Geschäft mehr ist, als es sich jetzt darstellt, ich glaube, man kann noch ein bisschen mehr daraus machen.« Ob er denn meine, das altehrwürdige, renommierte Geschäft sollte langsam und sorgsam verändert werden? »Es ist noch zu früh, ich habe das Geschäft erst seit vier Monaten. Aber man könnte etwa an eine Zweigfiliale denken oder daran, das Geschäft ein bisschen umzubauen, das Sortiment zu erweitern oder das Ganze zu eventisieren – da gibt es verschiedene Ideen, aber es ist wirklich noch zu früh. Zuerst muss ich das Geschäft auf gute Beine stellen, ich stehe ja auch in der Verantwortung für die Mitarbeiter, in Kürze soll noch ein vierter Mitarbeiter hinzukommen. Zum Umsatz möchte ich nur sagen, dass ich vier Beschäftigte bezahlen kann und mich auch. Den Umsatz muss man dann nach einem Jahr anschauen. Von den Produkten her hat sich schon ein bisschen verändert, es ist mehr Italien eingezogen. Ich bin schon durchaus frankophil, aber seit ich einen Führerschein habe, fahre ich einen Alfa und bin entsprechend italophil. Ich fahre oft nach Italien, weil ich dort lokale Produzenten habe und das spiegelt sich natürlich auch in den Produkten wider.« Das erwähnte Auto sind übrigens zwei: eine neue Giulia und ein Spider aus dem Jahr 1998 »als Liebhaberei«.

Foto: Heimo Binder

Erfahrung in der Gastronomie
Schließlich wird dann doch klar, dass Anton Tropper durchaus eine gewisse Gastro-Vergangenheit hat. Als Student kellnerte er etwa im »PPC« in der Neubaugasse oder in der Bodega in der Grabenstraße, aber auch bei Events auf der Burg Clam in Oberösterreich. Außerdem nutzte er seine Aufenthalte in Brüssel und in München dazu, steirische Spezialitäten, insbesondere steirischen Wein im Ausland salonfähig zu machen und – wenn auch eingeschränkt – Handel zu betreiben. Ins Bild passt auch sein kleiner Weingarten zur Selbstbewirtschaftung bei Straden mit Isabella-, Sämling- und Traminertrauben. Er selbst macht aber keinen Wein, dazu fehle auch die Zeit. Aber seine Leidenschaft war schon früher groß genug, um sich als Jungsommelier für Wein ausbilden zu lassen. So hat sich mittlerweile nicht nur im Käseangebot bei Nussbaumer etwas geändert – neuerdings gibt es zum Beispiel auch einen italienischen Camembert aus Büffelmilch – sondern vor allem im Weinsortiment: »Das sind Fundstücke, wo das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, Weine, die man sonst nicht so leicht bekommt. Ich habe ein oder zwei Weine, die über 100 Euro kosten, der Rest ist im bezahlbaren Bereich. Das heißt Zweidrittel der Weine sind im Bereich zwischen 15 und 50 Euro, zum Beispiel der Münzenrieder Zweigelt um 14,90 Euro oder der Pinot Noir von Klaus Preisinger aus dem Burgenland um 37,90 Euro oder ein »Pet Nat« von Winkler-Hermaden aus Kapfenstein.« Für uns Nichtweinkenner: Pet Nat ist die Abkürzung für Pétillant Naturel. Kommt aus dem Französischen und heißt »natürlich perlend« und bezeichnet Schaumweine, deren Perlage – die Kohlensäurebläschen – das Ergebnis einer Flaschengärung nach der sogenannen »Méthode Rurale« ist. In den Regalen vom Nussbaumer finden sich aber auch ein Guyot, ein portugiesischer Weißwein oder ein Spätburgunder aus Baden in Deutschland sowie ein alkoholfreier Limoncello, ein Zitronenlikör aus Sizilien. Oder ein Gin- und Rumsortiment, etwa mit Rum aus Panama oder Gin aus der Steiermark. Tropper brennt gemeinsam mit seinem bayerischen Schwiegervater aus Wachholderbeeren selbst Gin (»London Dry Gin«) und erklärt uns Laien geduldig, dass der angesetzte Gin »Bathtub-Gin« heißt. Das soll an die Zeit der US-amerikanischen Prohibition zwischen 1920 und 1933 erinnern, er wird auch mittels dem damals aus der Not geborenen »Cold Compounding« hergestellt. Dabei wurden in großen Behältern wie Badewannen (Bathtub) illegal gebrannter Alkohol und Gewürze vermischt. Man merkt: Beratung wird beim Nussbaumer großgeschrieben.

Wie man dorthin kommt, wo man gerade ist
Aber waren zwei Studien der richtige Weg, um heute hier zu sein, wo man gerade ist, Herr Tropper? »Man muss im Leben die Dinge ausprobieren, ich da bin kein Kind von Traurigkeit. So wie ich mich kenne, werde ich das auch nicht bis an mein Lebensende machen. Man lebt nur einmal. Und wenn es einem möglich ist, das zu tun, dann soll man es auch tun. Davon bin ich überzeugt. Trotz aller Widrigkeiten, die es mit sich bringt: Von einem gesicherten Arbeitsverhältnis mit einem guten Gehalt hinein in die Selbstständigkeit mit gewissen Unsicherheiten ist sicher nicht jedermanns Sache. Ich habe ja auch zwei Kinder und eine Frau.« Dass der Nussbaumer eine gewisse Hemmschwelle hat, die so manchen am Betreten der Geschäftsräumlichkeiten hindern mag, ist Tropper durchaus bewusst. Mit ihm habe sich das Publikum schon etwas verändert und ist ein bisschen jünger geworden. Es ist auch sein Ziel, eher in die Breite zu gehen. In diesem ohnehin nur 37 Quadratmeter kleinen Geschäft ist es tatsächlich wichtig, sich mutig umzuschauen. Sonst entdeckt man sie einfach nicht, die Köstlichkeiten. Den hausgemachten Trüffel-Briekäse, den Pistazien-Brie, das Roastbeef, Pesto, Marmeladen, Senfarten, Sugo, Pasteten, Oliven, Mayonnaisen, Suppen aus der Oststeiermark, Kaviarbutter, getrüffelte Butter, gesalzene Butter aus der Normandie, Trüffelsauce oder die belgischen Biersorten sowie die antialkoholischen Getränke.

Foto: Heimo Binder

Aus aller Welt
Und dann natürlich Vorarlberger Emmentaler, Blauschimmelweichkäse aus der Lombardei, Tronchetto Cremonesi aus dem Veneto, Stilton PDO aus England, verschiedene Ziegenkäse aus Frankreich, Blauschimmel mit Amaretto aus Venetien, französischen Roquefort Papillon vom Schaf, Feigenbergkäse aus Deutschland. Und Schinken aus Istrien, Guanciale Tradizionale, Kärntner Speck, Lardo oder Süsses wie frische Florentiner, Cantucci, Galettes de Bretagne, Amaretti, Tartuffischokolade, Himbeerwalnüsse aus Leutschach oder Pistazien aus Sizilien.

Anton Tropper ist Überzeugungstäter im doppelten Wortsinn: Bevor ich mir irgendwo 10 Dekagramm Pressschinken um 3,40 Euro kaufe, sei es doch im wahren Wortsinn besser, 10 Dekagramm echten Beinschinken um 3,80 Euro zu kaufen. Wo? Beim Nussbaumer. Natürlich.

Delikatessen Nussbaumer
8020 Graz, Paradeisgasse 1
Telefon 316 829162
delikatessen-nussbaumer.at

Fazitportrait, Fazit 205 (August 2024) – Fotos: Heimo Binder

Kommentare

Antworten