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Zwischen Mitte und Vernunft

| 14. August 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 205, Fazitgespräch

Foto: Heimo Binder

In einer politischen Landschaft, in der die Karten heuer völlig neu gemischt werden, steht auch die Steiermark vor einer Wahl. Drei Parteien mit ähnlichen Chancen auf den Sieg, ringen um die Gunst der Wähler. Auch die Regierungsverhandlungen danach werden spannend sein. Wir haben Landeshauptmann Christopher Drexler gefragt, wie er gewinnen will.

Das Gespräch führten Johannes Roth und Johannes Tandl.
Fotos von Heimo Binder.

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Es gibt bessere Rahmenbedingungen, um Landeshauptmann zu werden. Als Christopher Drexler vor zwei Jahren das Zepter übernahm, war Corona noch omnipräsent, die Bundes-ÖVP war gerade dabei, sich nach dem Aufschwung 2019 mit einem unglaublichen Reputationsverlust durch die Schmid-Chats abzufinden. Dann überfiel Russland die Ukraine, die Energiepreise heizten eine sich durch die anhaltende EZB-Nullzinspolitik bereits abzeichnende Inflation zusätzlich an.

In dieser Situation übernahm Drexler die Verantwortung für das Land – mit einer Politik, die sich nicht durch billiges Kleingeldwechseln und Abarbeiten an politischen Gegnern auszeichnet, sondern durch überlegtes Orientieren am Konsens mit dem Regierungspartner. Der »steirische Weg«, der von Hermann Schützenhöfer und Franz Voves begonnen wurde, findet so Fortsetzung – eine Gratwanderung zwischen politischen Notwendigkeiten eines Landes und einem äußerst fragmentierten Wählerwillen.

Plumper Populismus ist Drexlers Sache nicht, politische Erfolge werden immer gemeinsam mit dem Regierungspartner gefeiert. Anders als im Bund tritt Ideologie bei allen im Landtag vertretenen Parteien gegenüber Pragmatik in den Hintergrund. Der Preis dafür ist hoch: In den Umfragen liefern sich ÖVP, SPÖ und FPÖ ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wenn Drexler daraus als Sieger hervorgehen will, muss er sich wider sein Naturell zu mehr Populismus hinreißen lassen. Ob und wie ihm das gelingt, werden die nächsten Monate zeigen.

***

Herr Landeshauptmann, die folgende Frage stellen wir allen Interviewpartnern vor der Landtagswahl zu Beginn des Gesprächs: Was wird nach der Wahl die größte Herausforderung für die politische Arbeit in der Steiermark sein?
Wir haben eine eingetrübte wirtschaftliche Situation. Die Standortqualität Europas und damit auch der Steiermark steht auf dem Prüfstand. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit. Die Steiermark ist ein Industrieland, in dem jeder zweite Euro in der Exportwirtschaft verdient wird. Da ist die Wettbewerbsfähigkeit wichtig. Das heißt, es geht um Wirtschaft, Arbeit und Wirtschaft und Arbeit …

Zurzeit steht nicht nur die Industrie vor Riesenproblemen, sondern auch die heimische Bauwirtschaft. Nun hat das Land zahlreiche Initiativen gesetzt, vom Geschoßbau-Turbo über den Jungfamilienbonus und die Sondersanierungspakete bis zur neuen Eigenheimförderung. Wann werden diese Pakete tatsächlich zur Entspannung beitragen?
Das muss schnell wirken. Ich werde auf kaum eine Initiative der Landesregierung so oft angesprochen wie auf die große steirische Wohnraumoffensive. Insbesondere das 200.000-Euro-Darlehen um 0,5 bis 1,5 Prozent Zinsen. Weil das den jungen Menschen endlich wieder eine Perspektive gibt, sich Eigentum zu schaffen. Wir wollen nun sicherstellen, dass man schon vor dem 1. September die Anträge stellen kann. Ab dem 1. September soll das Ganze dann abgewickelt werden. Insofern hoffe ich, dass vor allem die große steirische Wohnraumoffensive rasch für Impulse in der Bauwirtschaft sorgt.

Foto: Heimo Binder

Die steirische Wirtschaft und der Industriestandort insgesamt sehen sich massiv bedroht. Die Personal- und Energiekosten sind im internationalen Vergleich viel zu hoch, vor allem die immens wichtige Autoindustrie hat Riesenprobleme. Was kann das Land in diesem Umfeld tun, um den Standort wieder wettbewerbsfähiger zu machen?
Wir werden als Land alles tun, was in unserer Macht steht. Aber wir wissen, dass das allein nicht reichen wird. Deswegen ist für mich ganz entscheidend, dass – da es ja diese Bundesregierung nicht mehr zusammenzubringen scheint – jedenfalls die nächste Bundesregierung Planbarkeit für die Industrie zustande bringt; insbesondere, was die Energiekosten betrifft. Das heißt, das SAG, das Stromkosten-Ausgleichsgesetz, wäre bis 2030 zu verlängern, wie es ja auch in Nachbarländern wie Italien oder Deutschland der Fall ist. Zum anderen glaube ich, dass wir alles dazu tun müssen, dass die neue Europäische Kommission einen Paradigmenwechsel vollzieht. Insofern nämlich, als sie die Themen Standortattraktivität, Wettbewerbsfähigkeit, europäischer Wirtschaftsraum im Vergleich mit Nordamerika und Südostasien etc. wieder in den Mittelpunkt stellt. Wir müssen alles dazu tun, dass wir Wohlstand und Arbeit nicht nur in der Gegenwart haben, sondern auch in Zukunft haben werden.

Ein Thema, das von der Wirtschaft immer wieder angesprochen wird, ist die Headquartertauglichkeit von Graz als Standort. Da gibt es eine Stellschraube, an der man in Österreich drehen kann, nämlich die Tagesrandflugverbindungen ab Graz. Die werden von der jetzigen Bundesregierung massiv infrage gestellt.
Nun, der Flughafen Graz ist ein ganz wesentlicher Teil der Infrastruktur für den Wirtschaftsstandort. Es ist alles dazu zu tun, dass wir die notwendigen Flugverbindungen haben, die wir brauchen – nicht nur Tagesrandverbindungen. Und für mich ist klar, dass ich nach der Nationalratswahl die wichtigen steirischen Infrastrukturpunkte zum Verhandlungsgegenstand machen werde.

Welche wären das, Ihrer Meinung nach?
Der dreispurige Ausbau der A9 im Süden von Graz. Die Haltestelle der Koralmbahn beim Flughafen – das ist ein entscheidender Punkt für die Attraktivität. Das sind aber auch die Schienenlückenschlüsse, die noch notwendig sind, um die Südbahn zu komplettieren. Wir müssen etwa den Ausbau Bruck-Graz-Spielfeld-Koper sicherstellen. Und das große Lebensaderprojekt, das wir in der nächsten Legislaturperiode auf Bundes- und Landesebene der Realisierung näherbringen müssen, ist die Pyhrn-Schober-Achse, also der neue Bosruck-Tunnel.

Haben Sie das Gefühl, dass die Betonung der Klimapolitik ein bisschen zu stark war und die Standortpolitik zu weit in den Hintergrund gerückt ist?
Es bleibt dabei: Der Klimaschutz ist die Herausforderung unserer Epoche. Aber er muss in einem ausgewogenen Verhältnis angegangen werden. Und darum glaube ich, dass Standortthemen, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit ähnliche Priorität genießen müssen wie der Klimaschutz.

Schließt sich das einander nicht aus?
Nein. Denn gerade die steirische und österreichische Industrie ist ja massiv dahinter, bedeutende Klimaschutzprojekte umzusetzen. Wir müssen das nur ermöglichen – aber zu vertretbaren Bedingungen, und es hilft uns nichts, wenn Europa in ein Museum umgestaltet wird. Auch wenn es ein Landwirtschafts- oder Landschafts- oder Naturschutzmuseum ist – das allein ist nicht ausreichend. Es geht darum, dem gesamten Kontinent auch in Zukunft Wohlstand und Arbeit zu garantieren. Das wird auch für den Klimaschutz wichtig sein, denn nur wenn es die entsprechende Wertschöpfung gibt, gibt’s auch die Möglichkeit, in den Klimaschutz zu investieren und stabile soziale Sicherungssysteme zu generieren.

Sie spielen auf den Renaturierungs-Alleingang von Ministerin Gewessler an?
Der Renaturierungseingang der Frau Bundesministerin Gewessler ist ein ungeheuerlicher Akt gewesen, insbesondere aus staatspolitischer und verfassungsrechtlicher Sicht. Aber das passiert eben, wenn sich eine NGO-Aktivistin in eine Regierung verirrt.

Sie haben gesagt, dass Frau Gewessler in einem Ministeramt für Sie nach der Nationalratswahl nicht mehr in Frage käme. Wie sieht’s denn grundsätzlich aus mit einer Regierungsbeteiligung der Grünen – im Bund und im Land?
Die Erfahrungen mit den Grünen waren anfänglich noch positiv, dann aber doch zunehmend ernüchternd. Es braucht für eine stabile und verlässliche Regierung ja Pakttreue, Kompromissbereitschaft und das Bewusstsein, dass eine Regierung als Kollektiv wahrnehmbar sein sollte. Und nicht als ein Mosaik aus Einzelspielern.

Glaubt man den letzten Umfragen, ist eine Zwei-Parteien-Regierung in der Steiermark unwahrscheinlich – für irgendeinen dritten Partner wird man sich entscheiden müssen. Zumindest wenn die ÖVP oder die SPÖ mit dabei sind. Wer schwebt Ihnen denn als dritter Partner vor?
Zunächst ist es mein Ziel, als Erster durchs Ziel zu gehen und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der steirischen Sozialdemokratie und Anton Lang fortzusetzen. Alles andere ist Spekulation. Es gibt ja auch ausreichend Daten, die eine Zwei-Parteien-Regierung möglich erscheinen lassen. Es ist hier viel im Fluss. Mein Ziel ist es, für eine vernünftige Politik der Mitte und für Stabilität in diesem Land zu sorgen. Wir werden nach der Wahl sehen, welche Regierungen zustande kommen.

Ein dominierendes Thema in diesem Wahlkampf ist die Migration. Sie haben sich klar positioniert, sind gegen Familiennachzug, gegen verkürzte Fristen für den Staatsbürgerschaftserwerb und gegen ein Demonstrationsrecht für Hardcore-Islamisten. Warum diese harte Linie?
Weil sie vernünftig ist! Punkt! Und ich will vernünftige Positionen gerade im Migrationsthema vertreten, weil ich weiß, dass sich mittlerweile 85 bis 90 Prozent der Menschen in unserem Land Sorgen deswegen machen. Wenn mir davon berichtet wird, dass in Graz am Abend bewusst bestimmte Gegenden gemieden werden, ist klar: Wir müssen unsere Städte wieder sicherer machen. Das hat auch mit Migrationsthemen zu tun. Oder wenn ich von einer Lehramtsstudentin höre, wie ihr der Beruf als Pädagogin verleidet wird, weil sie in der Nachmittagsbetreuung von Schülern mit migrantischem Hintergrund bedroht wird. Das ist nicht akzeptabel. Es sind also klare, möglicherweise restriktive Positionen im Migrationsbereich schlicht vernünftig. Und gerade deswegen muss man als Politiker der Mitte diese Positionen vertreten. Weil andere, die das vielleicht auch vertreten, einiges Andere mitnehmen. Ich denke, es gibt viele Leute, die sich Sorgen im Migrationsbereich machen, die aber deswegen nicht gleich mit Putin schmusen oder sich mit Pferdeentwurmungsmitteln versorgen wollen.

Foto: Heimo Binder

Sie haben in diesem Zusammenhang vom Menschenrecht auf Bildung gesprochen, das vor dem Menschenrecht auf Familiennachzug steht. Wird das vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof auch so gesehen? Man hat ein wenig den Eindruck, so etwas sei schwer durchzusetzen, weil man ja immer gegen eine Wand rennt, die der Europäische Menschenrechtsgerichtshof errichtet.
Natürlich ist es so, dass für mich das Menschenrecht auf Bildung für unsere steirischen Kinder Vorrang hat vor dem sogenannten Familiennachzug. Wenn zum einen der sogenannte Familiennachzug unser Bildungssystem überfordert, das ohnehin unter Stress steht, dann ist das Menschenrecht auf Bildung für steirische Kinder gefährdet. Daher ist es legitim, auf dieses Menschenrecht prioritär abzustellen. Zum anderen: Wir haben ja die glückliche Fügung, dass wir gerade Europawahlen gehabt haben. Das heißt, es gibt ein neues Europäisches Parlament, es wird eine neue Europäische Kommission geben. Also steht auch die Richtlinie über die Familienzusammenführung aus dem Jahr 2000 zur Disposition, die man nun unmittelbar abändern und restriktiver gestalten kann.

Auf der legislativen Ebene. Das Problem scheint aber die judikative Ebene zu sein.
Ja, das ist der praktische Teil des Themas: Die Rolle des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg ist entscheidend. Mein Problem liegt nicht im Text der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern im sich verselbstständigenden Richterrecht des Gerichtshofs. Die EMRK garantiert ein Recht auf Familie, doch die Interpretation dessen ist Richterrecht. Und das wiederum wirft Fragen der demokratischen Legitimation auf. Die grundlegenden Bestimmungen des Asylrechts stammen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und wurden unter dem Eindruck der Schoah und gewaltiger Fluchtbewegungen geschaffen. Sie dienen dem Schutz vor unmittelbarer Lebensgefahr. Die Gründerväter des Asylrechts hatten nicht im Sinn, dass Menschen weltweit wirtschaftliche Vorteile suchen und das Asylrecht dafür nutzen. Das ist wirtschaftlich motivierte Migration, die reguliert werden muss und nicht durch Asylrecht umgangen werden darf.

Nun wurde dieser Menschenrechtsgerichtshof in seiner Bedeutung so einzementiert, dass man ihn eigentlich nur mit einem einstimmigen Beschluss im Europarat jemals wieder aushebeln kann. Ist das irgendwie denkbar?
Politik ist das Bohren dicker Bretter, wie Max Weber schrieb. Ein einstimmiger Beschluss im Europarat könnte ein mögliches Thema sein. Der Gedanke ist bestechend und legitim: Menschen, die in unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben sind, sollen Schutz finden, aber sie können sich den sicheren Hafen nicht aussuchen. Es geht um unmittelbaren Schutz, nicht darum, dass alle nach Deutschland, Österreich oder Schweden kommen.

Also ein Ruanda-Modell oder ein Albanien-Modell?
Nein, es geht darum, dass vor den Außengrenzen oder an den Außengrenzen, wenn man sich da befindet, die Asylverfahren stattzufinden haben, und nicht dass man sich mit dem Handy das vielversprechendste Land aussucht, durch halb Europa geschleust wird und dann am Wunschort »Asyl« sagt.

Kommen wir zurück zu den Wahlen. Sie haben in einem Interview gesagt, im Bund sind sowohl Grüne als auch FPÖ als Regierungspartner der ÖVP ausgeschlossen. Damit wäre die ÖVP ziemlich festgelegt. Glauben Sie, dass mit der Babler-SPÖ ein gemeinsames Regieren überhaupt möglich wäre?
Ich hoffe, dass nach dieser Nationalratswahl eine stabile Regierung möglich ist, das muss das Ziel sein. Es geht nicht um Spekulationen, wer mit wem koaliert. Entscheidend ist eine stabile Regierung für Österreich, in der die österreichische Volkspartei vertreten sein sollte. Ich bin seit langem der Meinung, dass auch die SPÖ Teil einer solchen Regierung sein sollte. Ideologisch geprägte Forderungen müssen der Pragmatik der Regierungspolitik weichen. Die Kultur des tragfähigen Kompromisses droht, uns verloren zu gehen. Die Realität ist nicht nur Ja und Nein, Schwarz und Weiß. Das muss auch Herrn Babler klar werden. Oder es kommt ein anderer Vorsitzender.

Wäre die SPÖ mit Hans-Peter Doskozil ein besserer Regierungspartner für die ÖVP?
Ich persönlich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Aber ich glaube, dass wir politisch-inhaltlich in manchen Fragen schon weit voneinander entfernt sind. Was uns eint, ist der pragmatische Wille, tragfähige Konstellationen zustande zu bringen. Ich meine, er hat es im Burgenland ja leichter mit der absoluten Mehrheit. Aber auf Bundesebene ist die ja kein Thema, wie ich meine.

Bislang hat die SPÖ zur Bedingung gemacht, dass eine Vermögens- und Erbschaftssteuer eingeführt wird. Da wissen wir, dass es mit der ÖVP nicht wirklich zu machen ist. Wie stehen Sie zur Steuerdiskussion?
Österreich ist ein Land mit einer sehr hohen Steuer- und Abgabenquote. Bevor man über neue Steuern diskutiert, muss man über Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger diskutieren. Wir hatten ja eine Reihe von Krisen, die die öffentlichen Haushalte sehr unter Stress gesetzt haben, aber ich gehe davon aus, dass es wieder Stabilitätskriterien geben wird. Alleine darum sind wir alle aufgerufen, uns auch auf der Ausgabenseite Gedanken zu machen. Es wird die Zeit kommen, in der die öffentlichen Haushalte besser wirtschaften müssen.

Foto: Heimo Binder

Ein riesiges Thema bei uns ist das Gesundheitsthema, das im Kern aus zwei Problemen besteht: Geld und Personal. Einer Ihrer Vorschläge waren extra-murale Ambulanzen, die flächendeckend 24 Stunden lang zur Verfügung stehen. Wie kann so etwas funktionieren?
Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl macht hier eine exzellente Politik. In den letzten Monaten ist uns da sehr viel gelungen. Wir haben mit dem Gesundheitspaket, insbesondere dem Gehaltspaket, eine deutliche Entlastung zustande gebracht. Wir haben im Pflegebereich in der Kages mehr personelle Zugänge als Abgänge. Wir haben gerade auch für Ärzte sehr attraktive Arbeitsverhältnisse geschaffen. Darüber hinaus müssen wir den Gesundheitsbereich insgesamt sehen. Die Steirerambulanzen, die Sie ansprechen, sind ein Ergänzungsvorschlag. Es ist wichtig, dass wir leistungsfähige Spitäler haben. Es ist wichtig, dass wir einen leistungsfähigen niedergelassenen Bereich haben, der nicht nur aus Einzelkämpferärztinnen und -ärzten besteht, sondern auch aus den Gesundheitszentren, den sogenannten Primärversorgungseinheiten. Die Steirerambulanzen sollen bewirken, dass nicht jeder, der in der Nacht krank wird, als einzigen verfügbaren Weg die Spitalsambulanz sieht. Wir sind mit Karlheinz Kornhäusl auf einem guten Weg, ein mobiles System von Steirerambulanzen umzusetzen, die mehr als ein Bereitschaftsdienstmodell sein werden. Das Pilotprojekt dazu wird schon bald im Detail präsentiert werden können.

Immer mehr Menschen konzentrieren sich in den Ballungsräumen, während man am Land mittlerweile um jeden Bankomat raufen muss. Wie kann es gelingen, diesen Abwanderungstendenzen Einhalt zu bieten?
Also, ich selbst bin ja den umgekehrten Weg gegangen und vor vier Jahren von Graz nach Passail gezogen. Dort zähle ich zumindest zwei Bankomaten und wir eröffnen neue Wirtshäuser, statt sie zuzumachen. Warum betone ich das? Mein Ziel ist es schon seit Jahren, dass wir keine zwei Geschwindigkeiten in der Entwicklung haben, sondern eine dynamische Vorwärtsbewegung sowohl im ländlichen Raum als auch den Ballungsräumen. Schlüssel dafür ist der Ausbau der Infrastruktur, insbesondere der Glasfasernetze für schnelles Internet, und lokale Entwicklungsinitiativen. Es ist entscheidend, dass wir Orts- und Stadtkerne beleben und dynamisch gestalten.

Umfragen im Frühjahr haben ergeben, dass es durchaus sein könnte, dass die FPÖ als Erster durchs Ziel geht. Streben Sie auch in diesem Fall das Amt des Landeshauptmanns an?
Ich will nicht die Umfragen im Frühjahr gewinnen, sondern die Wahlen im Herbst. Abgesehen davon: Ich stelle fest, dass mit Umfragen zunehmend Politik gemacht wird, dass sie ganz bewusst dafür verwendet werden, die politischen Spekulationen zu befeuern. Deswegen lasse ich mich von Umfragen überhaupt nicht mehr beeindrucken. Mein Ziel ist es, Erster zu werden, und ich bin da sehr zuversichtlich. Ich glaube, dass ich als Landeshauptmann nicht nur in den letzten zwei Jahren beweisen konnte, dass ich eine Regierung führen kann. Wir haben als Landesregierung gerade in den letzten zwei Jahren ganz bemerkenswerte Initiativen umsetzen können. Vom erwähnten Paket für das Gesundheitspersonal, die große steirische Wohnraumoffensive, das deutlich bessere Gehaltsschema in der Kinderbildung- und -betreuung, den laufenden Ausbau der Betreuungsplätze bis hin zum entschlossenen Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung. Außerdem habe ich das beste Team, das man sich vorstellen kann. Wenn man sich unser Regierungsteam ansieht, dann ist hier einfach eine Fülle an Kompetenz und an großartigen, starken Persönlichkeiten vorhanden, die ihresgleichen sucht. Aber eins ist klar: Zuerst müssen die Wahlen stattfinden. Dann sind Verhandlungen zu führen.

Herr Drexler, vielen Dank für das Gespräch.

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Mag. Christopher Drexler wurde 1971 in Graz geboren. Nach der Matura am Keplergymnasium 1989, absolvierte er ein Jusstudium an der Karl-Franzens-Universität. Schon als Schüler engagierte sich Drexler politisch als Landesobmann der Union Höherer Schüler, danach als Landesobmann der Jungen ÖVP. Sein Engagement setzte Drexler beim ÖAAB fort, der bis heute seine politische Heimat ist. Nach leitenden Funktionen in der Landes- und Bundesarbeiterkammer und als Geschäftsführer des Reformprojektes »Modell Steiermark« begann er seine Mandatarstätigkeit im steirischen Landtag  zunächst als Abgeordneter, dann als Klubobmann. Aus dieser Position heraus berief ihn Hermann Schützenhöfer 2014 in die Landesregierung. Schließlich wurde er am 4. Juli 2022 zum Landeshauptmann der Steiermark und im September 2022 zum Landesparteiobmann der Steirischen Volkspartei gewählt. Drexler lebt mit seiner Frau Iris in Passail und hat zwei Töchter und zwei Söhne aus vorangegangenen Ehen.

Fazitgespräch, Fazit 205 (August 2024), Fotos: Heimo Binder

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