Anzeige
FazitOnline

Außenansicht (56)

| 10. Oktober 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 206

Simmering gegen Kapfenberg. Wie immer diese Wahl ausgehen wird, während der Wochen vor dem Wahltermin erreichten die Duelle der Spitzenkandidaten und der Spitzenkandidatin ein Niveau, das als Kennzeichen dieser Wahl verewigt werden sollte.

::: Hier im Printlayout online lesen

Es gab einmal Zeiten – ältere Menschen erinnern sich gerne und sprechen wahrscheinlich zu oft von der Vergangenheit, – in denen Parteichefs ohne Moderatoren diskutierten. Sie saßen einander gegenüber während des Streitgesprächs, schonten einander nicht, unterbrachen und widersprachen einander. Doch kein Journalist und keine Journalistin musste wie in der Schule daran erinnern, dass es keine Themenverfehlungen, keine Schreiereien, und keine Beleidigungen geben dürfe, beide immer wieder ermahnend, wie man sich benehmen sollte.

Jetzt ist alles anders. Sie stehen einander gegenüber und scharren mit den Hufen. Springen und kreischen wie nervöse, wildgewordene Tiere während der Brunft, um nach der Wahl sich als Du-Freunde auf eine gemeinsame Koalition zu einigen, die allen, die eine enge Erfolgspyramide in der Privatindustrie meiden, zumindest ein großzügiges Einkommen garantiert. Es waren keine Diskussionen, niemand hörte dem oder der anderen zu, um dann mit einem Gegenargument zu reagieren. Eher absurde, oft peinliche Schreiduelle mit hilflosen Versuchen, den Gegner zu beleidigen, zu verunsichern, zu demaskieren. Oft suchten sie nach symbolhaften, effektvollen, plakativen Begriffen, doch leider, es fielen ihnen keine ein. Mit sprachlicher Reduktion ging es hin und her wie bei einem Pingpongspiel und verfing sich immer wieder im Netz der Banalitäten.

Gemeinsam mit Journalistinnen und Journalisten stürzen Politikerinnen und Politiker in der Hitliste der Glaubwürdigkeit ins Uferlose. Warum wohl? Vielleicht sollte man diese Dialogtragödie eher als Komödie genießen, versuchten Karl Nehammer gegen Andreas Babler und Herbert Kickl gegen Werner Kogler die Auftritte Farkas gegen Waldbrunn wiederzubeleben. Dafür sei ihnen allerdings zu danken, denn die Lücke seit dem Tod dieser beiden Kabarettisten war schmerzvoll. Farkas und Waldbrunn einigten sich allerdings vor den Gesprächen, wer den Gescheiten und wer den Blöden spielen sollte. Dieses System könnte man auf Schreiduelle der Politkandidaten übertragen, sonst käme man als Zuseher noch auf die Idee, verzweifelt nach einem der beiden zu suchen. Es gibt keine Politverdrossenheit, wie uns Fachleute immer wieder einreden wollen. Es gibt auch keine Frustwähler. Doch es gibt den Frust und Verdrossenheit als Reaktion auf die reale Performance der Vertreter politischer Parteien.

Die zehn Rhetorikregeln für eine interessante Diskussion werden in politischen Diskussionen im Grunde alle beinahe durchgehen missachtet: 1. Diskussion ist kein Wettkampf – bei Politikern nur Wettkampf. 2. Einander ausreden lassen – lassen einander nie ausreden. 3. Standpunkt begründen – wird nie begründet, nur behauptet. 4. Aktiv zuhören – Zuhören ist das Atemholen während des eigenen Monologs. 5. Stelle offene Fragen – Politiker scheinen nicht zu wissen, was das ist. 6. Finde Gemeinsamkeiten – generell nie, doch immer die Unterschiede. 7. Bleibe beim Thema – prinzipiell wird mit einem anderen Thema geantwortet, als in der Frage formuliert. 8. Argument auf Augenhöhe – bei politischen Diskussionen zeigt sich vor allem die gegenseitige Verachtung. 9. Sachlich kritisieren – das Gegenteil ist die Realität. 10. Ruhig bleiben – schaffen sie nicht.

Doch die quälende Banalität erreicht diesmal auch die Plakate. Ich möchte nur ein Beispiel herausnehmen: Auf einem Plakat fragt mich ein Vertreter der KPÖ, ob meine Miete zu hoch sei. Wenn ich dieser Meinung wäre, sollte ich KPÖ wählen. Ich wusste allerdings nicht, dass das Haus, in dem meine Wohnung ist, der KPÖ gehört, und diese aus Dank über meine Stimme die Miete reduziert. Natürlich ist es nur symbolisch gemeint, doch auch symbolhafte Botschaften sollten einen gewissen Sinn ergeben.

Egozentrische Selbstdarstellung während des Streits mit dem politischen Gegner verselbständigt sich, wird zu Angriff und Verteidigung einer einzelnen Person, löst sich von politischen Ideen, Programmen und Strategien, und damit auch von Wählern – ist im Grunde genommen eine Form der Respektlosigkeit gegenüber der Demokratie.

Außenansicht #56, Fazit 206 (Oktober 2024)

Kommentare

Antworten