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Die mangelnde Professionalität bedroht unsere Demokratie

| 10. Oktober 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 206

Die »ÖVP schafft versehentlich das biologische Geschlecht ab« schrieb dieser Tage die Tageszeitung »Die Presse« und berichtete damit von »einer Panne« der Regierungspartei in der letzten Sitzung des Nationalrats vor den Wahlen. Im Rahmen einer Dienstrechtsnovelle kam es zu einer Änderung im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz.

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Dort ist jetzt nicht mehr die Rede von »Frauen und Männern«, dort gibt es in Hinkunft Gleichstellung wie Gleichbehandlung »aufgrund des Geschlechts«. Und dieses wird nun wie folgt definiert: »Geschlecht im Sinne dieses Bundesgesetzes umfasst Geschlechtsmerkmale, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Geschlechterrolle.«

Dankenswerterweise gibt dazu noch weiterführenden Text in den Erläuterungen zum Gesetz: »Der Begriff ‚Geschlecht‘ ist im vorliegenden Gesetz umfassend zu verstehen und bezieht sich auf biologische wie soziale Dimensionen. … Der Begriff ‚Geschlechtsmerkmale‘ betrifft die biologische Dimension von Geschlecht und umfasst Aspekte des chromosomalen, gonadalen, anatomischen und hormonellen Geschlechts. … Die innerlich gefühlte Geschlechtsidentität eines Menschen (auch ‚psychisches Geschlecht‘) muss nicht seinem biologischen Geschlecht entsprechen und wird auf der Basis seines eigenen psychischen Empfindens festgelegt. Damit steht auch der Geschlechtsausdruck als individuelle Manifestation der persönlichen Geschlechtsidentität sowie der Wahrnehmung dieser durch Dritte im Zusammenhang … Der Begriff Geschlechterrolle ist ein Aspekt des sozialen Geschlechts. Dieses bezeichnet gesellschaftliche Rollenvorstellungen, -zuschreibungen und -erwartungen bezüglich Mann- und Frausein, inklusive der Frage, wie weit hier nur eindeutig weibliche oder männliche Rollen zugelassen werden. Im Kontext von Intersexualität und Transidentität geht es darüber hinaus um die Frage, welche soziale Geschlechterrolle (Kleidung, Habitus, soziale Rolle u.a.) jemand unabhängig vom biologischen Geschlecht lebt. …«

Entschuldigen Sie diese elendslange Zitierung. Sie ist notwendig, um die augenscheinliche Unfähigkeit dieses aktuell gesetzgebenden Gremiums zu veranschaulichen, seiner Pflicht nachzukommen, allgemein verständliche Gesetzestexte zu formulieren. In den Erläuterungen wird zudem noch auf Definitionen der österreichischen Bioethikkommission und weitere Literatur verwiesen.

Als gesetzestreuer Bürger wäre ich demnach genötigt, zahlreiche Bücher zu lesen, um das gesamte Gesetz überhaupt sinngemäß erfassen zu können. Es geht mir heute gar nicht darum, dass ich dieses Geschwurbel inhaltlich selbstverständlich aus tiefsten Herzen ablehne, es geht mir darum, dass auf allen öffentlich-rechtlichen Sendern im Sprachraum ständig von der bedrohten Demokratie die Rede ist, der Gesetzgeber aber gar nicht merkt, wie sehr er mit so einem Schwammigkeitsmoloch als Gesetz demokratische Sitten verkommen lässt.

Dass dabei die ÖVP eine besonders traurige Rolle eingenommen hat, schmerzt mich als Parteigänger, kann mich aber als interessierten Beobachter der letzten Jahre nicht wirklich überraschen. Juristische Expertise ist in der Bundes-ÖVP seit Jahr und Tag nicht mehr nur Mangelware, sie ist schlicht nicht mehr auf Lager. Anders hätte ja auch die Groteske um das Renaturierungsgesetz (durch den unverfrorenen Alleingang Leonore Gewesslers!) der ÖVP nie »passieren« können wie dürfen. Das ist fatal.

Als konservativer Demokrat, der ich bin, als Mitterechtsdemokrat, muss ich es schon ertragen, dass sich meine Partei nur getraut, als »Kraft der Mitte« aufzutreten, weil es überstandige Spindoktoren so in ihren Hochglanzwahlkampfberatungen der Parteispitze vorgeben. Das ist traurig genug, aber gerade angesichts der enormen Herausforderungen »Übermigration und Migrantismus« (furchbarer Anstieg des Antisemitismus und immer größere Bedrohung der inneren Sicherheit), »wirtschaftlicher Niedergang« (VW in Turbulenzen, Mercedes und auch andere bundesdeutsche Konzerne … ich will mir gar nicht ausmalen, was das für die damit verbundene Zulieferindustrie bei uns bedeutet!) und eben dieser hanebüchenen »Multigenderei« (in Verbindung mit abstrusen Identitätspolitiken) bräuchte es eine starke konservative Kraft, die inhaltlich wenigstens den Anschein erweckt, dies alles schultern zu können. Ich werde noch einmal »meiner« ÖVP meine Stimme dazu geben. Mit innerer Überzeugung werde ich es derzeit nicht tun.

Editorial, Fazit 206 (Oktober 2024)

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