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Endlich nachhaltig

| 10. Oktober 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 206, Serie »Erfolg braucht Führung«

Carola Payer im Gespräch mit Margrit de Colle, Österreichs erster Bioblumenbäuerin.

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Das Wort »Nachhaltigkeit« ist in aller Munde, prangt auf Verpackungen und steht in den meisten Leitbildern von Organisationen. Während einige Akteure lediglich oberflächliche Maßnahmen ergreifen, um ihr Image zu polieren, verfolgen andere einen umfassenden, authentischen Ansatz, der tiefgreifende Veränderungen anstrebt. Der Unterschied zwischen »Greenwashing« und ehrlicher Nachhaltigkeit könnte dabei kaum größer sein. Das Konzept der Nachhaltigkeit geht weit über bloße Umweltschutzmaßnahmen hinaus. Es umfasst ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen. Im Kern geht es darum, heutige Bedürfnisse zu erfüllen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden.

»Vom Hügel« – nachhaltiges Konzept mit Engagement zu ehrlichem Wandel
Magrit de Colle, die erste Bioblumenbäuerin Österreichs, hat schon vor 20 Jahren im Blumenbusiness Fuß gefasst. Magrit de Colle: »In der Blumenindustrie wird zu viel Chemie verwendet und gerade Schnittblumen sind tausendmal mehr als diverse Lebensmittel belastet. Es gibt dabei keine Grenzwerte. Ich wollte Blumen so haben, wie sie in der Natur wachsen. Mir ist extrem wichtig, dass die Erde, das Grundwasser und die Luft sauber bleiben und nicht durch diverse Pestizide belastet werden. Was bringt es, wenn wir dem Kunden ein super Biobuffet auftischen und dann stehen Blumen mit den Kontaktgiften am Buffettisch? Ich leiste einen wichtigen Beitrag für das Grundwasser und die Erde in meinem Umfeld. Ich habe in die konventionelle Industrie hineingeschnuppert und das, was ich da erlebt und gesehen habe, war ein echter Horror. Das Ausmaß der Verwendung von Pestiziden und Giften ist unglaublich.« Magrit de Colle hat Soziologie mit dem Schwerpunkt Entwicklungspolitik studiert. In ihren Projekten lädt sie Menschen ein, mit aufs Feld zu gehen: »Damit sehen die Menschen, was wir machen. Sie verstehen, wenn Sie am Acker stehen, die Blumen riechen und die Erde spüren. Da erlebt man, was echte Natur ist. Meine Workshops beinhalten nur unsere eigenen Aktivitäten. Das geht dann über den Bauch und berührt das Herz. Damit hoffe ich, dass die Menschen in die Handlungsebene kommen und es dann in Ihrem Alltag umsetzen. Wir haben uns da auch einen Bildungsauftrag erteilt.«

Greenwashing. Wenn Nachhaltigkeit zur Marketingstrategie wird
Beim »Greenwashing« versuchen Unternehmen oder Organisationen, sich durch minimale oder oberflächliche Maßnahmen ein umweltfreundliches Image zu verschaffen. Statt echter Transformation steht hier oft der Wunsch im Vordergrund, von der wachsenden Nachfrage nach umweltbewussten Produkten zu profitieren, ohne tiefgreifende Veränderungen im eigenen Geschäftsmodell vorzunehmen. Ein klassisches Beispiel ist die Einführung von »grünen« Produktlinien, die lediglich kosmetische Veränderungen darstellen. Unternehmen können beispielsweise ein herkömmliches Produkt in einer neuen, recycelbaren Verpackung präsentieren, ohne die eigentlichen Herstellungsprozesse oder Rohstoffquellen zu überdenken. Solche Maßnahmen vermitteln den Anschein von Umweltbewusstsein, während die zugrunde liegenden Strukturen des Unternehmens unverändert bleiben. Ein weiteres Beispiel für oberflächliche Nachhaltigkeit ist der Trend zur Kohlendioxidkompensation, wie zum Beispiel Emissionen durch den Kauf von »Klimazertifikaten« zu kompensieren. Dies bedeutet, dass sie ihre eigenen Emissionen nicht direkt reduzieren, sondern stattdessen Projekte unterstützen, die angeblich Treibhausgase binden oder Einsparungen ermöglichen, wie etwa Aufforstungsprogramme. Magrit de Colle ist aber keine »grüne Moralistin« und sieht diese Vorgehensweisen des »Freikaufens« oder von Minimaßnahmen entspannt: »Meiner Meinung nach ist jede kleinste Initiative gut. Eine halbherzige Geschichte ist besser, als nichts zu tun. Da bin ich in den Jahren sehr relaxt geworden.« Aus ihrer Sicht ist es auch absurd, 100 Prozent zu verlangen. Magrit de Colle: »Wenn jeder Mensch weniger Essen wegwirft, würde es schon was bewirken. Wenn jeder sich für das einsetzt, was einen selbst wichtig ist, schaffen wir einiges. Nur gemeinsam und mit vielen Beiträgen können wir was bewegen. Ich achte darauf, was ich beeinflussen kann, und mache mir nicht zu viel Gedanken um fehlende, sinnvolle Handlungen von Politik und Wirtschaft. Ich bin von Politik und der Bürokratie da sehr enttäuscht. Ich glaube, dass die Unternehmer das Problem lösen werden.«

Herausforderungen auf dem Weg zu echter Transformation
Im Gegensatz zu oberflächlichen Maßnahmen erfordert echte Nachhaltigkeit tiefgreifende und ganzheitliche Veränderungen. Es reicht nicht aus, nur einzelne Aspekte eines Produkts oder einer Dienstleistung »grüner« zu machen. Nachhaltigkeit muss integraler Bestandteil der gesamten Unternehmensphilosophie und -praxis sein. Diese Philosophie des wertschätzenden Umgangs mit der Natur spürt man »Am Hügel«. Ob im Gartencafé, bei Workshops oder bei Produkten rund um die Blume und für den Lebensraum, wie am Hauptstandort in Eichkögl und im neuen Shop in Graz. Das ganzheitliche Geschäftsmodell wird radikal gelebt und jährlich extern streng kontrolliert. Margrit de Colle: »Zu Blumen gehört aber auch die richtige Vase. Meine Nachhaltigkeit geht durch alles, was Living betrifft.« Am Hügel ist ein Beispiel für ehrliche Nachhaltigkeit. Die gesamte Produktionskette wird ökologisch und sozial verantwortungsvoll gestaltet sind. Dies erfordert Respekt und viel Geduld. Qualitäten, die in der heutigen Speed- und Bewertungs-Gesellschaft zu wenig gelebt werden. Magrit de Colle hat durch die 20-jährige Erfahrung eine sehr lösungsorientierte Haltung und setzt mit ihrem zehnköpfigen Team auf Vielfalt im Blumenportfolio: »Wir haben die gleichen Probleme wie jeder Biobauer, Wetterprobleme und Schädlinge. Ich habe sehr viele verschiedene Blumen, die ich anbaue, und Schädlinge vernichten immer nur eine Kultur. Damit können wir gut umgehen. Außerdem arbeiten wir mit Nützlingen. Momentan ist mein Acker für lange, warme und trockene Zeiten angelegt, wie zum Beispiel für Schafgabe. Allerdings hatten wir in der Wachstumszeit nur Regen und alles wurde kaputt. Am meiste Probleme hat man aber mit der österreichischen Bürokratie. Die Steine, die einem da in den Weg gerollt werden, sind unverständlich und oft nicht nachvollziehbar. Ich warte seit zweieinhalb Jahren auf eine Baugenehmigung bei einem meiner Bauprojekte. Ich werde als Landwirtin oft nicht ernst genommen.«

Der Konsument im Wandel
Auch die Rolle des Konsumenten verändert sich in einer Welt, die immer mehr auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Heute sind die Konsumenten bereit, für nachhaltige Produkte mehr zu bezahlen oder alternative Konsummodelle zu unterstützen, wie etwa den Verzicht auf Einwegprodukte oder die Nutzung von Sharing-Angeboten. Magrit de Colle: »Es kommen viele Menschen, weil ihnen die Industrieblumen nimmer gefallen. Da ich es seit 20 Jahren mache, habe ich das Thema Bioblumen in der Bevölkerung schon sichtbar gemacht und berate auch andere Blumenbauern. Es tut sich da schon was. Bei mir gibt es auch im Winter keine frischen Schnittblumen. Es gibt dann schön dekorierte Äste, also alles, was es so zur Deko am Tisch aus der Natur gibt. Auch der Preis ist kein Hindernis zu Bio. Unsere Blumen kosten gleich viel wie alle anderen Schnittblumen. Der Kunde schätzt die Authentizität. Damit meine ich, ehrlich zu sein und das zu tun, was man kann. Ich kann mich mit Bioprodukten ernähren, aber auch mal einen Burger essen.« Konsumenten lädt Margrit de Colle ein, mehr nachzufragen, interessiert zu sein, hin und wieder lästig zu sein, hinter die Kulissen zu schauen und Auskunft verlangen, wenn es notwendig ist. Magrit de Colle: »Damit schafft man mehr Bewusstsein für nachhaltige Produkte, Blumen und Lebensmittel. Man sollte natürlich in der Wirtschaft viel mehr über Kostenwahrheit reden. Es müssen alle, die in der Produktion mitarbeiten, Geld verdienen und nicht nur einer in dem Spiel.« Ein schönes, blumiges, hoffnungsvolles Beispiel für ehrliche authentische Nachhaltigkeit.

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 206 (Oktober 2024), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 73), Foto: Marija Kanizaj

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