Anzeige
FazitOnline

Fazitthema Nationalratswahl

| 10. Oktober 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 206, Fazitthema

Foto: Freepic/Ikarahma

Nach Jahren der Improvisation  wird es nun allmählich Zeit, den Krisenmodus wieder zu verlassen und eine konsequente, zielgerichtete Wirtschaftspolitik zu etablieren. Wir haben uns angesehen, was die Parteien für die Zeit nach der Wahl angekündigt haben. Ein Text von Johannes Roth.

::: Hier im Printlayout online lesen

Ständig wechselnde Personalien in den Ministerien und dem Kanzleramt machen Kontinuität und Konsequenz in der Wirtschafts- und Finanzpolitik grundsätzlich nicht leichter. Wenn dann auch noch Jahrhundertereignisse wie Corona und ein russischer Angriffskrieg die Wirtschaftspolitik determinieren und sich nahezu zeitgleich die Zinspolitik der Zentralbank diametral ändert und die Energiepreise dramatisch steigen, dann ist man auch als Politiker mehr Passagier als Kapitän. Keine Frage: Die scheidende Regierung hatte es nicht leicht. Als das Land in der Pandemie eine ruhige Hand und kühle Köpfe gebraucht hätte, mussten sich diese mit den Nachwirkungen von Ibiza und Whatsapp-Chats herumschlagen. Eine gekränkte FPÖ und die durch Wählerschwund nahezu paralysierte, zu konstruktiver parlamentarischer Zusammenarbeit unfähige SPÖ gefielen sich darin, die Oppositionsarbeit zu nutzen, um in einem besonders herausfordernden Umfeld die Kanzlerpartei in Untersuchungsausschüssen medienwirksam sturmreif zu schießen. In den letzten sechs Jahren wechselte Österreich nicht weniger als sechs Mal den Kanzler, der derzeitige Wirtschaftsminister ist gerade einmal zwei Jahre im Amt, die Partner in der Regierung verfolgen grundsätzlich völlig andere Ziele. Stabil ist anders.   

Verlorene Jahre
All das hat Spuren in den Wirtschaftsdaten des Landes hinterlassen. Die Staatsschulden sind mittlerweile auf 371 Milliarden Euro (78 Prozent des BIP) angewachsen, vor fünf Jahren waren es nur 280 Milliarden Euro. Das BIP zeichnet sich 2024 gegenüber 2023 real – voraussichtlich – durch ein Nullwachstum aus, immerhin ein Fortschritt – 2023 war es noch um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Betrachtet man die zu Ende gehende Regierungsperiode, spricht man bereits von fünf verlorenen Jahren: Zwischen 2019 und 2024 ist das reale BIP pro Kopf um 1,7 Prozent gesunken. Andere Länder haben die Zeit besser genutzt: In Kroatien etwa ist das BIP im selben Zeitraum um 23 Prozent gestiegen, in Bulgarien um 21 Prozent und in Irland um 20 Prozent. Österreich hat also das schwächste Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union und auch auf Sicht keine Chance, sich zu verbessern, wenn die kommende Regierung nicht bereit ist, an einigen grundlegenden Schrauben zu drehen.

Die Wirtschaft sind wir alle
Um die Probleme zu verstehen, die die Wirtschaft in Österreich hat, muss man zunächst verstehen, was „die Wirtschaft“ genau ist: Während linke Denker und Lenker in ihr bloß ein Instrument sehen wollen, das Manager und Eigentümer unverschämt reich macht, weiß man in der politischen Mitte der Gesellschaft, dass die Wirtschaft der Motor ist, der dem Staat 2023 rund 236 Milliarden Euro an Einnahmen verschaffte. 87 Prozent davon, also 205 Milliarden Euro kommen aus Steuer- und Sozialabgaben – der überwiegende Teil von denen, die man landläufig als Leistungsträger bezeichnet. Stottert dieser Motor, dann sinken die Einnahmen, ein Effekt, der relativ unmittelbar spürbar ist, während die Ausgaben sich natürlich nicht auf Knopfdruck reduzieren lassen. Die Defizite zwischen Einnahmen und Ausgaben steigen also, was wiederum den Finanzierungsbedarf unangenehm erhöht, Abhängigkeiten schafft und Prioritäten verschiebt.

Zwischen Kleinstunternehmen und Exportgiganten
Nahezu alle heimischen Unternehmen der marktorientierten Wirtschaft sind KMU, also Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern und einer Umsatzsumme bis 50 Millionen Euro bzw. einer Bilanzsumme bis 43 Millionen Euro. Im Jahr 2022 waren das rund 601.000 Unternehmen, 92 Prozent davon waren Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten. Eine Million Arbeiter und fast drei Millionen Angestellte bzw. öffentlich Bedienstete leben von der Arbeit in diesen Unternehmen. Nicht alle zahlen in den Lohn- bzw. Einkommensteuertopf der Republik ein, im Gegenteil: 2020 trug ein Drittel der Arbeitnehmer überhaupt nichts zur Einkommensteuer bei. Sie verdienen so wenig, dass sie die Grenze zur Steuerpflicht nicht erreichen.

Die Wirtschaft ist aber auch sehr stark Exportwirtschaft, die ihrerseits von der Industrie getragen ist. 53 Prozent des österreichischen BIP stammen aus Exporten. Der produzierende Sektor (ohne Bauwesen) erzielt 57 Prozent seiner Umsätze durch den Export. Pro Einwohner werden Waren im Wert von über 15.000 Euro exportiert. Der Außenhandel sichert etwa 1,7 Millionen Arbeitsplätze. Wird nur ein Prozent mehr exportiert, bringt das Berechnungen der IV zufolge 10.000 neue Jobs. Die Ergebnisse einer anderen Studie der Forschungsplattform FIW und des Ministeriums für Arbeit und Wirtschaft zeigen, dass etwa zwei Drittel der österreichischen Industrieunternehmen im Export tätig sind, und weisen darauf hin, dass exportierende Unternehmen größer und produktiver sind, höhere Überschüsse erwirtschaften, mehr investieren und mehr für den Umweltschutz ausgeben als Nichtexporteure.

Strukturelle Probleme
Umso erstaunlicher ist, dass die heimische Wirtschaft von Deindustrialisierungstendenzen erfasst ist. Denn auch das zeigen zahlreiche Studien. Deloitte sieht die Attraktivität des Industriestandortes Österreich stark unter Druck und macht erste Anzeichen von Produktionsverlagerungen aus. Als Grund werden die hohen Arbeitskosten und die Bürokratie aufgrund der Überregulierung ausgemacht. Weitere Watchouts: der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften bei gleichzeitiger Belastung der Sozialsysteme durch eine hohe Arbeitslosenquote, eine hohe Teilzeitquote, ein im Vergleich zu den anderen EU-Ländern langsames Produktivitätswachstum, hohe Energiekosten und lange Genehmigungsverfahren.

Die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik der künftigen Regierung wird daher von eminenter Bedeutung für den Wohlstand und damit für den sozialen Frieden im Land sein. Sieht man von den Spaßparteien ab, ist diese Bedeutung auch allen wahlwerbenden Parteien mehr oder weniger klar. Sie unterscheiden sich teils jedoch deutlich in Schwerpunktsetzungen und dem allgemeinen Zugang zum Thema Wirtschaft.

ÖVP: Ein Plan für alle
Das Wahlprogramm der ÖVP trägt den klingenden Namen Österreich-Plan. In ihm spiegelt sich das Motto Stabilität statt Chaos wider, Wirtschaft ist als einer von drei Kernwerten der Gesellschaft beschrieben. Wirtschaft, Leistung, Familie ist der Untertitel des Plans und entsprechend weit führen auch die Überlegungen der Kanzlerpartei. Eine starke Leistungskultur sei die Basis für Prosperität, weshalb es besonders wichtig sei, die arbeitende Mitte zu entlasten. Dies soll durch gezielte Steuerreformen erreicht werden. Mehr Netto vom Brutto ist einmal mehr das verheißungsvolle Versprechen an die Arbeitnehmer. Der Plan sieht eine Senkung des Eingangssteuersatzes von 20 Prozent auf 15 Prozent und den Wegfall der 48-Prozent-Steuerstufe vor – Kritiker sehen darin allerdings einen weiteren Anreiz für Teilzeitbeschäftigung und eine Entlastung der Spitzenverdiener. Um einen weiteren Leistungsanreiz zu setzen, sollen zudem Überstunden steuerfrei ausbezahlt werden können. Das hat seinen Preis: Um Menschen schneller wieder in Arbeit zu bringen, will man das Arbeitslosengeld degressiv gestalten, ein Zuverdienst auf geringfügiger Basis während der Arbeitslosigkeit soll nicht mehr erlaubt sein. Einer Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich erteilt die ÖVP in ihrem Österreich-Plan eine klare Absage.

Vereinfachte Zuwanderungsverfahren sollen qualifizierten Arbeitskräften ermöglichen, leichter nach Österreich zu kommen, wobei dem Missbrauch des Sozialsystems durch Einwanderer ein Riegel vorgeschoben werden soll: Sozialleistungen sollen erst nach fünf Jahren legalen Aufenthalts in vollem Umfang gewährt werden.

Standortpolitik als weiterer ÖVP-Schwerpunkt
Ein weiterer Schwerpunkt des Plans liegt auf der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs im internationalen Umfeld. Um die Wirtschaft zu entlasten und Unternehmertum zu fördern, sollen bürokratische Hürden abgebaut und der Prozess der Deregulierung beschleunigt werden. Formulare sollen vereinfacht, Kennzeichnungspflichten reduziert und rivalisierende Rechtsvorschriften harmonisiert werden. Besonders kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) sollen profitieren, indem beispielsweise die Belegerteilungspflicht für Kleinstbeträge entfällt und die Grenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 2.000 Euro erhöht wird.

SPÖ: Profitverhinderung im Vordergrund
Mangelnde Ernsthaftigkeit konstatierte SPÖ-Urgestein Doris Bures dem Wahlprogramm ihrer Partei. Tatsächlich nährt die einfache Google-Suche nach SPÖ Wahlprogramm 2024 den Verdacht, dass das sozialdemokratische Wirtschaftsprogramm von Andreas Babler mehr auf emotionale Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet ist als darauf, den Unternehmen durch das Schaffen entsprechender Rahmenbedingungen einen Vorteil im globalen Mitbewerb zu verschaffen. Deutlich sichtbar als Hauptanliegen kommuniziert wird Superreiche besteuern, das steht im SPÖ-Programm noch vor der Forderung Löhne rauf und Viertagewoche und Österreich gerechter machen.

Ein SPÖ-Wünsch-dir-was für die Arbeitnehmer
Unter dem Punkt Starke Wirtschaft, sichere Arbeitsplätze führt Andreas Babler aus, wie man die Wirtschaft wieder so weit bringen kann, dass die Kuh wieder genug Milch gibt, um kräftig gemolken werden zu können. Mit einem Klima-Transformationsfonds wird die SPÖ den sozial-ökologischen Wandel von Wirtschaft und Industrie aktiv gestalten, die Energiewende vorantreiben und gute Arbeitsplätze schaffen, schwurbelt das Programm dahin, während Babler erklärt: Wir wollen aufbrechen und den Wechsel, der Österreich bevorsteht, in eine progressive Richtung lenken. Unser Wahlprogramm ist ein Zukunftsprogramm, das uns aus der Mangelverwaltung und dem Wirtschaftsabschwung herausholt. Das Zukunftsprogramm– das ist dem Wesen der derzeitigen SPÖ-Linie inhärent – will die Mangelverwaltung zunächst abschaffen, indem über weite Strecken allzu großer Profit bei Wirtschaftstreibenden verhindert werden soll. Eine Mietpreisbremse soll nicht nur bis 2026 wirken, sondern auch Mieterhöhungen seit 2023 rückgängig machen. Geht es nach der derzeitigen SPÖ, sollen auch Wohnbaukredite nicht mehr als maximal drei Prozent Zinsen bringen, die Finanzwirtschaft, die Übergewinne gemacht hat, solle das finanzieren. Auch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen setzt die SPÖ auf direkte staatliche Eingriffe in den Markt: Langzeitarbeitslose sollen über staatliche Beschäftigungsprogramme wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden. Vorbild ist das sogenannte Marienthal-Projekt, ein seit 2020 laufender Versuch einer Studiengruppe des AMS Niederösterreich, der Uni Oxford und Sozialwissenschaftlern der Uni Wien, bei dem die Auswirkungen einer Job-Garantie für Langzeitarbeitslose getestet werden.

Die SPÖ fordert die Viertagewoche und Vermögenssteuern
Die Entlastung von Arbeitseinkommen ist auch der SPÖ ein Anliegen. Finanziert werden soll der rote Traum durch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Vermögen über 1,5 Millionen Euro (mit Ausnahmen für Immobilien innerhalb der Familie), eine Substanzsteuer auf große Vermögen, eine Erhöhung der Körperschaftssteuer von 23 auf 25 Prozent, ein dauerhafter Spitzensteuersatz von 55 Prozent und eine Digitalsteuer auf Plattformumsätze. Weitere staatliche Eingriffe im Finanzsektor (etwa ein Österreich-Sparbuch, das eine garantierte Verzinsung von drei Prozent auf die ersten 20.000 Euro Einlagen pro Bürger bieten soll) runden die Vorstellungen der SPÖ von einer künftigen Wirtschaftspolitik ab. Ein besonders ambitioniertes Ziel der SPÖ ist dabei die flächendeckende Einführung der Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich. Die Partei sieht darin eine Lösung für den Fachkräftemangel: Eine verkürzte Arbeitszeit soll Berufe in Mangelbranchen attraktiver machen und Menschen, die nur in Teilzeit arbeiten, motivieren, ihre Stunden zu erhöhen.

Liberal, sozial, national: Das FPÖ-Programm
Vor langer Zeit vertrat die FPÖ eine liberale Richtung in der Wirtschaftspolitik: Möglichst viel individueller Gestaltungsspielraum, möglichst wenig staatliche Eingriffe. Heute betont die Partei die patriotische Note ihres Wirtschaftsprogrammes, die die Partei des ambitionierten Volkskanzlers unter dem Titel Festung Österreich, Festung der Freiheit subsummiert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Ansätzen, die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen trennen, will die FPÖ diese beiden Gruppen als Teil eines untrennbaren Gesamtsystems, das nur im Gleichklang erfolgreich funktionieren kann, behandelt wissen. Dieser integrative Ansatz soll die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs auf internationaler Ebene stärken.

Wirtschaftsorientierte FPÖ-Wahlversprechen  
Ein zentraler Schwerpunkt der FPÖ-Wirtschaftspolitik ist die Erhöhung der Gehälter durch die Senkung der Lohnnebenkosten – auch aus blauer Sicht ist dieser Punkt unumstritten. Den steigenden Lebenshaltungskosten, insbesondere im Bereich Wohnen, soll durch steuerliche Entlastungen entgegengewirkt werden: Die Erhöhung der Werbungskostenpauschale und die dauerhafte Steuerbefreiung für Mitarbeiterprämien sieht die FPÖ als Schlüssel zur Stärkung der Kaufkraft. Auch für Unternehmen will die FPÖ Anreize schaffen, insbesondere für jene, die attraktive, gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze bieten. Sie fordert Förderungen für Unternehmen, die Arbeitsplätze mit langfristiger Sicherheit schaffen, da diese aufgrund höherer Fixkosten ein größeres wirtschaftliches Risiko tragen. Durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen sollen Unternehmen gestärkt werden, die nicht auf Leiharbeit oder Subunternehmen setzen, sondern auf stabile, direkte Beschäftigungsverhältnisse.

Infrastruktur im FPÖ-Fokus
Darüber hinaus betont die FPÖ die Bedeutung einer gut funktionierenden Infrastruktur. Dabei soll kein Verkehrsträger, ob Straße oder Schiene, bevorzugt werden, um die reibungslose Versorgungskette der Wirtschaft sicherzustellen. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur, vor allem durch Glasfaser, sei ein weiterer wichtiger Baustein, um Innovationen zu ermöglichen. Zur Unterstützung des Gütergewerbes fordert die FPÖ die Abschaffung der CO2-Abgabe. In Zeiten starker Inflation sollen darüber hinaus Preisdeckelungen für Treibstoff und temporäre Senkungen der Mineralölsteuer eingeführt werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und einem möglichen Wohlstandsverlust entgegenzuwirken.

Neos: Flügel heben und Unternehmer befreien
Als liberale Partei links der Mitte wollen die Neos mit ihrem Programm nicht nur Die Mitte entlasten, sondern auch Mehr Freiheit für Betriebe. Ziel ihrer Wirtschaftspolitik ist die Entlastung der Steuerzahler – und zwar die der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer gleichermaßen. Wie die anderen Parteien auch, wollen sie zu diesem Zweck die Lohnnebenkosten massiv senken. Auch das Gießkannenprinzip in der Sozialpolitik ist ihnen ein Dorn im Auge: Statt teurer Einmalzahlungen in Form von Boni und Gutscheinen würden wir die ärmsten Haushalte zielgerichtet unterstützen und zur Entlastung der Mitte der Gesellschaft die Kalte Progression abschaffen – und zwar rückwirkend mit 1.1.2022 und vollständig, nicht erst ab 2023 und nicht nur zu zwei Dritteln verkündet das Wahlprogramm der Pinken. Nicht näher ausgeführt ist, wie das gegenfinanziert werden soll, hier bleibt das Neos-Programm vage: Eine Strukturreform und eine Pensionsreform sollen helfen, Entbürokratisierungs- und Digitalisierungsmaßnahmen in der Verwaltung würden ebenfalls ein großes Einsparungspotenzial bieten, so die Neos. Zur Mitte der Gesellschaft gehören selbstverständlich auch die Unternehmer – sie sind den Neos ein besonderes Anliegen: »Um das Unternehmertum – insbesondere Start-ups – zu fördern und die Wirtschaftstreibenden zu entlasten«, wollen sie zunächst der ausufernden Bürokratie einen Riegel vorschieben. Deregulierung bedeutet für die Neos auch, die Gewerbeordnung zu entrümpeln und die Zahl der regulierten Gewerbe deutlich zu reduzieren.

Flexiblere Öffnungszeiten, mehr Offenheit für alternative Finanzierungsformen und ein Ende von Zwangsmitgliedschaften sollen dem heimischen Unternehmergeist helfen, „die Flügel zu heben“. Publikumswirksam und glaubwürdig nach außen getragen werden die NEOS-Forderungen vom Salzburger Gastronomen und Social-Media-Phänomen Sepp Schellhorn und ihrem steirischen Spitzenkandidaten Veit Dengler.

Klima hat Vorrang: Die Wirtschaft der Grünen
Dass die Grünen in ihrem Programm Wirtschaft nicht ohne Klimaschutz denken wollen, liegt in der Natur der Sache. Konsequent wird das Thema Nachhaltigkeit in allen Eckpunkten des Wahlprogrammes mitgedacht, das Dogma Klimaschutz steht ganz oben auf der Prioritätenliste des Wirtschaftsprogrammes. Ziel der Grünen Wirtschaftspolitik ist – natürlich nach dem Klimaschutz – Wohlstand für alle. Die Vision ist eine klimaneutrale Wirtschaft. Dementsprechend soll der Staat zögernde Unternehmen verlässlich dabei unterstützen, auf klimaneutrale Prozesse umzusteigen. Durch die CO₂-Bepreisung habe man einen wichtigen Schritt gesetzt, um klimaneutralen Produktionsweisen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Je mehr der CO₂-Preis Kostenwahrheit widerspiegelt, desto leichter können klimaneutrale Produkte noch höhere Marktanteile erreichen. Zugleich entlasten wir durch die Rückverteilung der Einnahmen auf sozial gerechte Weise Konsument:innen und Unternehmen.

Wirtschaft ist bei den Grünen dem Klima untergeordnet
Was man den Grünen nicht vorwerfen kann, ist, dass sie vor radikalen Eingriffen zurückschrecken würden. Wenn sie von Investitionen sprechen, dann meinen sie Investitionen in den Klimaschutz. Energiekonzerne wollen sie verpflichten, ihre Gewinne in erneuerbare Energien zu investieren. Klimaschädliche Subventionen sollen abgeschafft werden, alles, was CO₂ spart, soll gefördert werden. Die Autozulieferindustrie etwa sei prädestiniert dazu, eine ebenso starke Rolle in der Belieferung für den Ausbau Österreichs als E-Mobilitäts-, Bahn-, Öffi- und Radland einzunehmen. Einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, der Nutzung von Wasserstoff, dem Recycling von Rohstoffen, einer klimaneutralen Bauwirtschaft, dem sanftem Tourismus und der Entwicklung von Prozessen, mit denen unvermeidliche Emissionen aufgefangen und gespeichert werden können, werden ebenfalls Prioritäten eingeräumt.

Die Grünen sind aber auch Verfechter einer gerechten Welt – dementsprechend haben sie das Lieferkettengesetz in ihr Programm aufgenommen. Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Wirtschaftsprogramme der Nationalratsparteien deutliche ideologiegetriebene Unterschiede aufweisen. Während die SPÖ tendenziell auf staatliche Intervention und eine gerechtere Umverteilung setzt, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen, legen ÖVP, FPÖ und Neos Wert auf wirtschaftliche Freiheit, private Initiative und den Abbau staatlicher Eingriffe. Es zeigt sich, dass der politische Diskurs über Wirtschaftspolitik ein komplexes Spannungsfeld zwischen individuellen Freiheiten und kollektiver Verantwortung ist, bei dem – wie so oft – der Standort den Standpunkt bestimmt.

Fazitthema Fazit 206 (Oktober 2024), Foto: Freepic/Ikarahma

Kommentare

Antworten