Politicks Oktober 2024
Johannes Tandl | 10. Oktober 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 206, Politicks
Steirische Grüne wollen mit Hochwasser punkten
Die Grünen nützten in der ersten Landtagssitzung nach der Sommerpause die Gunst des Augenblicks für eine »aktuelle Stunde« zum Thema Extremwetter und Klimawandel. Dabei forderte Klubobfrau Sandra Krautwaschl, dass das Land endlich in den technischen Hochwasserschutz, aber auch in Vorsorgemaßnahmen und Renaturierung investieren müsse. Krautwaschl behauptete, dass die steirischen Klimaschutzmaßnahmen seit 2017 nicht mehr angepasst worden seien. Landeshauptmann Christopher Drexler reagierte mit Empörung auf die Vorwürfe der grünen Klubchefin: »Mir bleibt beinahe die Spucke weg, wenn Sie sagen, wir sind (in der Klimapolitik) tatenlos und ohne Ambitionen – Frau Klubobfrau. Glauben Sie tatsächlich, wir brauchen Sie, um uns zu erklären, dass wir im Klimawandel gefordert sind und uns anpassen müssen? Mitnichten!« Umweltlandesrätin Ursula Lackner ließ sich den grünen Pauschalangriff ebenfalls nicht gefallen. Die Klimawandelanpassung bilde seit fast zehn Jahren einen wichtigen Schwerpunkt in der Landespolitik. Es sei unglaublich, dass die Grünen das nicht mitbekommen hätten, nur weil sie politisches Kleingeld wechseln wollen. Lackner sprach von 55 Millionen Euro jährlich für den Hochwasserschutz, von den steirischen Öko-Förderungen, den Aufforstungsmaßnahmen und dem Entsiegelungskonzept des Landes.
Wahl 24: Gibt es die ÖVP-Aufholjagd wirklich?
Geht es nach der Meinungsforschung, gibt es überhaupt keinen Zweifel daran, dass die FPÖ die Nationalratswahl klar gewinnen wird. Obwohl der Abstand zuletzt geschrumpft ist, liegt die Kickl-Partei bei sämtlichen Umfragen um zwei bis sechs (!) Prozentpunkten klar vor der ÖVP. Trotzdem orten vor allem die Politologen eine Aufholjagd der Kanzlerpartei. Denn Umfragen sind keine Wahlen. Und ob die Institute die Ursachen für die FPÖ-Überdeklaration und die ÖVP-Unterdeklaration vor sämtlichen Wahlgängen der letzten Monate inzwischen herausgefunden und in ihre Prognosen eingearbeitet haben, bleibt abzuwarten. Vor der EU-Wahl wiesen die Umfragen die FPÖ nämlich ebenfalls zwei bis fünf Prozentpunkte vor der ÖVP aus; am Ende betrug der Unterschied aber nur 0,8 Prozent.
In der ÖVP geht man davon aus, dass das knappe EU-Ergebnis die Funktionäre dazu motiviert hat, im Nationalratswahlkampf voll für ihre ÖVP zu laufen. Beim Wahlkampfauftakt in der Wiener Eissporthalle wurden die Funktionäre daher darauf eingeschworen, die Chance zu nutzen und um Platz eins zu kämpfen. Klubchef August Wöginger kündigte in seiner Rede bereits einen ÖVP-Wahlsieg an, denn die Volkspartei habe eine gute Bilanz in schwierigen Zeiten vorzuweisen und mit Karl Nehammer »den mit Abstand besten Spitzenkandidaten für diese Nationalratswahl«. Seit Juni wird Karl Nehammer übrigens vom Wiener PR-Profi Wolfgang Rosam beraten. Der soll ihn dabei unterstützen, einen Kanzlerbonus herauszuarbeiten und sich als Kandidat der Mitte zu positionieren. Und tatsächlich ist der ÖVP zumindest in den Umfragen zur fiktiven Kanzlerdirektwahl der Turnaround geglückt. Im Juni lag Nehammer noch bei 21 Prozent und Herbert Kickl bei 30 Prozent (Lazersfeld). Bei einer Insa-Umfrage Anfang September – also noch vor dem verheerenden Hochwasser – lag Nehammer mit 27 Prozent bereits deutlich vor Kickl, den nur mehr 21 Prozent der Wählerinnen und Wähler direkt zum Kanzler wählen wollten. Karl Nehammer hat in den letzten Wochen jedenfalls, für alle sichtbar, Mut zu sich selbst gefasst, und kommt auf einmal staatstragender und weniger fahrig über die Bildschirme. Ob es die ÖVP-Aufholjagd tatsächlich gibt, oder ob sie nur den Wünschen der türkisen Fanbase entspringt, wird wohl erst die die Hochrechnung am 29. September, knapp nach Wahlschluss, zeigen.
Wahl 24: Die SPÖ-Kampagne läuft wieder einmal nicht rund
In der SPÖ spricht nur mehr Parteichef Andreas Babler von einem Duell um Platz eins. Denn sämtliche Umfrageinstitute, mit Ausnahme des SPÖ-nahen Ifes-Instituts, sehen die Sozialdemokratie derzeit klar auf Platz drei – etwa zwei bis vier Punkte hinter der ÖVP. Wie schon in der Vergangenheit ist die SPÖ wieder einmal drauf und dran, an sich selbst zu scheitern. Querschüsse wie der geleakte Bures-Brief zum SPÖ-Wahlprogramm oder die Wehmut der Doskozil-Anhänger, die nach wie vor davon überzeugt sind, dass sie mit dem burgenländischen Landeshauptmann als Spitzenkandidaten klar Erster geworden wären.
Geeint ist die SPÖ derzeit nur in der Frage, wie der Wahlkampf läuft: nämlich schlecht. In der Frage, warum die Partei nicht vom Fleck kommt, gehen die Meinungen jedoch extrem weit auseinander. Für die Anhänger von Andreas Babler sind es die Fans von Peter Doskozil und einige Wiener Realos, welche die Babler-Kampagne gezielt sabotieren. Für die meisten anderen ist es das Thema Migration, bei dem die SPÖ ihren Wählern nichts bieten kann. In der roten Obersteiermark, sind sich die SPÖ-Funktionäre weitgehend einig, dass die Partei unter Babler so weit nach links gerückt ist, dass selbst traditionelle Stammwähler Probleme bekommen, ihr Kreuzerl bei der Sozialdemokratie zu machen.
Dabei hat die SPÖ ihren Wahlkampf auf emotionale Themen ausgerichtet, mit denen sie bei ihrer traditionellen Klientel durchaus punkten würde. Die Teuerung und da vor allem das »leistbare Wohnen«, die drohende Zweiklassenmedizin und »Arbeit und Bildung« sind hervorragend geeignet, die traditionellen SPÖ-Wähler zu aktivieren. Stattdessen hat sich Babler mit vorangegangen Äußerungen so exponiert, dass er von den Wählern eher mit neuen Steuern, einer 32-Stunden-Woche, deren Durchsetzung selbst die meisten Gewerkschafter für völlig illusorisch halten, und sicheren Asylkorridoren zwischen den Herkunftsländern und Österreich in Zusammenhang gebracht wird.
Auch das Hochwasser könnte der SPÖ schaden, weil es die Grünen mit ihrer Klimaschutzagenda stärkt. Selbst, wenn die SPÖ jetzt knapp vor der Wahl versucht, beim Klimathema anzudocken, wird ihr das nicht unbedingt nützen. Angeblich plant Babler einen Frontalangriff auf Bundeskanzler Nehammer, weil dieser sich zuletzt für Verbrennermotoren ausgesprochen habe. Aber auch das wird der SPÖ wohl keine Wählerstimmen bringen, denn für viele Wähler sind E-Autos einfach viel zu teuer. Und dass ausgerechnet der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig in einer gemeinsamen PK mit dem Bundeskanzler aufgetreten ist (sinnvoller- und notwendigerweise), dürfte ebenfalls schmerzen.
Wahl 24: Die FPÖ hofft, dass das Hochwasser aus den Schlagzeilen verschwindet
Dass Katastrophen wie das verheerende Hochwasser normalerweise den Regierenden nützen, ist bekannt. Die deutschsprachige Politikwissenschaft spricht in diesem Zusammenhang von der »Stunde der Exekutive«, in den USA benennt man das Phänomen als »Rally ’round the flag-Effekt«. Damit ist die erhöhte kurzfristige Unterstützung der politischen Führung eines Landes durch die Bevölkerung in Krisenzeiten oder während eines Krieges gemeint. FPÖ-Chef Herbert Kickl ist Profi genug, um in den klassischen Medien gegen diesen Effekt ankämpfen zu wollen. Er hat daher wie alle anderen Kandidaten kurzfristig den Wahlkampf unterbrochen und sich mit einer Videobotschaft, in der er sich im Flanellhemd bei der Feuerwehr und den Helfern bedankt, an die Öffentlichkeit gewandt.
Abseits der Massenmedien hat sich Kickl jedoch weiterhin auf das konzentriert, was die FPÖ besser als anderen Parteien kann. Sie hat ihre Anhänger in den Sozialen Medien mit zahlreichen Beiträgen im FPÖ-TV und anderen Kanälen bedient. Darin zieht darin über die Regierung her, weil diese angeblich die Flutopfer im Stich lässt. Auch das Migrationsproblem und die Corona-Politik stehen auch während der offiziellen Wahlkampfpause im Zentrum der FPÖ-Social-Media-Kampagne.
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