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Sepp Oberdenglers Rundschau (7)

| 10. Oktober 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 206, Oberdenglers Rundschau

Foto: Manfred Weis

August Schmölzer ist Sepp Oberdengler! Der Schauspieler und Schriftsteller lässt seine Radiofigur »Sepp Oberdengler«  auch im Fazit monatlich »Rundschau halten«.

Er konnte, was in Österreich Mangelware ist, über seine Kritiker lachen und am lautesten über sich selbst.

Liebe Steirer und Innen! Sepp Oberdengler begrüßt sie zur monatlichen Fazit-Rundschau. I frag Sie gar net mehr, wie es Ihnen geht. Einigen wir uns darauf, dass es einerseits sauhaß is und andererseits heftige Unwetter nerven. Die Wölt steht wie immer Kopf, aber darauf mag i net eingeh’n. Hätte mich die Opposition net so link aus dem Amt des Vizebürgermeister gedrängt, würd ich zur nächsten Wahl antreten, schon allein um manchem steirischem Politikerkollegen klar zu machen, dass wir es trotz aller Verschiedenheit nur gemeinsam schaffen können.

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Liebe Steirer und Innen! Es grüßt Sie herzlich wie immer der Sepp Oberdengler zur Fazit-Rundschau. I bin a Kasperl und da Kasperl g’winnt immer, hat Richard Lugner einmal g‘sagt. Krawutzi Kaputzi, was für eine punktgenaue Selbstbeschreibung. Richard Lugner ist tot. Weltberühmt in Österreich. Sechsmal verheiratet, Vater, Baumeister, Kaufmann, Lebemann, Society-Löwe, und erster Mörtlschmeißer, ob Moschee oder Lugnercity. Der Mann der den Opernballwichtln so oft in den Arsch getreten hat, dass man den Ball posthum in Mörtl-Ball umbenennen müsste. Der Mann, der bei der Bundespräsidentenwahl zehn Prozent erreicht hat. Was für eine Biografie. Bis kurz vor dem Abgrund schamlos, keinen Genierer, aber meines Wissens nie gegen das Gesetz. Oft nervig, auch mit seinen spekulativen Annäherungen zu manchem Rechten, die nur zu gern auf sein Trittbrettl aufgesprungen sind. Er war einfach, hat die einfachen Menschen geschätzt und sie haben ihn geliebt. Mitarbeiter trauern um den Chef, der ein offenes Ohr für sie hatte. Geschäftspartner erzählen von einem beinharten Verhandler und dessen notorischer Handschlagsqualität.

Viele Menschen trauern österreichweit um den graden Michl, der im Gegensatz zu einheimischen Wölfen im Schafspelz sicher kein Begünstigter von wem oder was auch immer war. In der Staatsoperette war er der Wurschtl. Er konnte, was in Österreich Mangelware ist, über seine Kritiker lachen und am lautesten über sich selbst. Das ein Topjournalist seinen Leitartikel mit verkrampfter Häme über Lugner als Nachruf vergeudet, ist mir unverständlich. Aber vielleicht drückt er damit insgeheim seine Sehnsucht aus, auch einmal ein Kasperl sein zu wollen? Eine von mir geschätzte Philosophin beschreibt Lugner als Resultat einer nicht stattgefundenen österreichischen Revolution, der sich selbst mit Trash und nicht mit Distinktion zelebriert hat. Richard Lugner war ein Spaltpilz der österreichischen Gesellschaft. Geliebt, gehasst, aber bewundert. Sogar der Bundespräsident hat den Verlust des Wiener Originals beklagt und der Bundeskanzler hat eine Ministerin geschickt, als er mit großer Anteilnahme wie lange kein Bürger mehr vor ihm zu Grabe getragen wurde. Ein echtes Kaiserbegräbnis. Ob man ihn mochte oder nicht, für mich zeigt dieser Fall, wie groß unsere Sehnsucht nach solchen Persönlichkeiten ist. Und Lugner hätte nichts von seinen Spompanadeln gehabt, wenn wir die Gesellschaft nicht gierig gewesen wären, uns daran aufzugeilen. Und ehrlich g’sagt, wollen wir nicht alle a bisserl Mitkasperln? Das kommt mir sehr bekannt vor. Viele Menschen sehnen sich im Moment des Sterbens, ihr wirkliches Ich zu leben. War ich zu feig? Was hätte ich besser machen sollen, können, müssen? Wovor hab ich Angst g’habt? Hätt i, war i, wie unser »Formula uno« Tiroler immer g’sagt hat, wenn er selbstverschuldet ausschied. Lugner war er selbst, bauernschlau und gierig nach Öffentlichkeit. Darin war er authentisch, ob uns das passt oder nicht. Is der Ruf erst mal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Sogar Kärntner Nobelpreisträger scheitern letztlich an ihrem verkrampften »Ichmut«, und heraus kommt Kleingeist und Sturheit. Sollten wir nicht alle a bissl lockerer und großgeistiger leben? Dann wäre wieder vielen in unserem Land vieles glaubwürdiger, vor allem in der Politik. Dann bräuchten wir keine Marktschreier, die uns eine einfache Welt aufdruck‘n. Denn wären wir mutig, wir selbst, wüssten wir, was wir zu tun haben und was nicht. Also Herr Lugner, ruhen Sie in Frieden, nicht Sie waren das Problem, das waren und sind schon wir.

Übrigens: Liebe Politiker rechts, links oder mittig, liebe Wirtschaftler, die Unwetter die so viele Existenzen vernichtet und sogar Leben gekostet haben, sollten euch Mut machen, endlich zu klären, was wir alle zur Klimaveränderung beigetragen haben, und es ist höchst an der Zeit, endlich alles zu unternehmen, damit wir das in den Griff kriegen?

In diesem Sinne, liebe Steirer und Innen, einen schönen und großgeistigen Herbst, haben wir Mut zu uns selbst, ihr Sepp Oberdengler.

PS. Aufpassen! Der Teif’l schloft net!

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Sie möchten August Schmölzer als Sepp Oberdengler im Radio hören? Immer zum Monatsende gibt es auf Radio Steiermark eine neue Folge. Auch als Podcast. Die aktuelle Programminformation finden Sie auf steiermark.orf.at

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Sepp Oberdenglers Rundschau #7, Fazit 206 (Oktober 2024), Foto: Manfred Weis

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