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Tandl macht Schluss (Fazit 206)

| 10. Oktober 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 206, Schlusspunkt

Ein Hochwasser als Wahlhelfer? Hochwasser war, und plötzlich hat sich die Ausgangslage für die Nationalratswahl am kommenden Sonntag verändert. Es sieht so aus, als ob die Naturkatastrophe beiden Regierungsparteien politisch eher nützen als schaden würde.

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Die Volkspartei könnte profitieren, weil sie bewiesen hat, dass der Katastrophenschutz bei ÖVP-Landeshauptleuten wie Christopher Drexler und Johanna Mikl-Leitner gut aufgehoben ist. Die mediale Dauerpräsenz der beiden ÖVP-Politiker wurde von den meisten Wählern als schlüssig und notwendig und nicht, wie oft sonst, als aufdringlich empfunden. Auch die Auftritte von Bundeskanzler Karl Nehammer wurden gut aufgenommen, weil auch diese im Rahmen von Hilfsmaßnahmen und des Katastrophenschutzes stattfanden. Dazu kommt, dass die öffentlichen Stellen rechtzeitig vor den möglichen Folgen des Starkregens gewarnt haben und auch die Krisenstäbe in den Gemeinden, die Feuerwehren und das Bundesheer gut gearbeitet haben. Von Behördenversagen ist dieses Mal jedenfalls keine Rede.

Und dazu kommt, dass das Hochwasser an zahlreichen Gemeinden vorbeigegangen ist, ohne größere Schäden zu hinterlassen. Der Grund dafür sind die Hochwasserschutzbauten der letzten Jahrzehnte, die ihre Wirkung entfalten konnten. Anders als etwa in Osteuropa gab es in Österreich natürlich keine Plünderungen bei den Flutopfern, sondern eine enorme Welle der Solidarität und Unterstützung von Seiten der nicht betroffenen Bevölkerung. Alles in allem ist es recht wahrscheinlich, dass das Hochwasser der ÖVP am kommenden Sonntag nützen wird, weil die gute Performance von ÖVP-Politikern den einen oder anderen ÖVP-Wähler vom Wechsel zur FPÖ abhalten kann.

Dass die Grünen – als selbsternannte Klimaschutzpartei – von wetterbedingten Umweltkatastrophen profitieren, liegt auf der Hand. Die Grünen fluten ihre Socialmediakanäle seit Tagen mit Beiträgen, in denen sie das Hochwasser zu Recht mit der Erderwärmung in Verbindung bringen. In seinen öffentlichen Auftritten lässt Vizekanzler Werner Kogler keine Gelegenheit zur Polarisierung mit den FPÖ-Klimawandelleugnern aus. Und mit Ausnahme von Umweltministerin Leonore Gewessler, der es nicht zu peinlich war, für ihren persönlichen Hochwasser-Fernsehmoment vor laufender Kamera ein paar Schaufeln Schlamm wegzuräumen, ließen sich auch die Grünen diesmal nicht als Gummistiefeltouristen beim Hochwasserschauen erwischen. Und so glauben die heimischen Talkshowpolitologen, dass das Hochwasser viele Grünwähler der letzten Nationalratswahl dazu veranlassen könnte, auch diesmal wieder die Grünen zu wählen.

Aus Enttäuschung wollten diese Wähler am kommenden Sonntag eine andere Linkspartei wählen, doch aufgrund des Hochwassers sollten sie zur Überzeugung gelangt sein, dass das Klimaschutzthema bei den Grünen doch besser aufgehoben ist. Obwohl sich die Grünen aus Sicht ihrer fundamentalistischen Basis bei wichtigen Fragen wie etwa Tempo 100 auf Autobahnen nicht gegen den türkisen Regierungspartner durchsetzen konnten, werden diese Wähler den Grünen noch einmal die Chance geben. Vielleicht kann die Grünpartei ihre Dogmen – wie den Glauben, dass der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und damit des Wohlstandes und des Sozialstaates weniger wichtig sei, als strengere Klimaschutzgesetze oder das Zurückdrängen des motorisierten Individualverkehrs – ja in der nächsten Regierung durchsetzen.

Der Gedanke, dass die mangelnde Bereitschaft der ÖVP zu einem noch strengeren Klimaschutz, Schuld am Hochwasser sei, ist natürlich vollkommener Unsinn, kommt in der grünen Blase aber trotzdem hervorragend an. Daher wird er in den grünen Socialmediakanälen auch weiterhin gestreut werden.

Dass weniger hohe Verluste bei den Grünen dazu führen könnten, dass sowohl die Bierpartei und hoffentlich auch die Kommunisten den Einzug in den Nationalrat verpassen, wäre daher ebenso dem Hochwasser geschuldet, wie die Möglichkeit, dass die ÖVP trotz eindeutig anderslautender Umfragen doch noch vor der FPÖ Erster wird.

Tandl macht Schluss! Fazit 206 (Oktober 2024)

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