Sepp Oberdenglers Rundschau (8)
Redaktion | 14. November 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 207, Oberdenglers Rundschau
August Schmölzer ist Sepp Oberdengler! Der Schauspieler und Schriftsteller lässt seine Radiofigur »Sepp Oberdengler« auch im Fazit monatlich »Rundschau halten«.
Langes Schweigen, ich schau ihm in die Augen, die nun etwas hervortreten, das Gesicht wird rot und röter.
Liebe Steirer und Innen! Es grüßt Sie herzlich wie immer der Sepp Oberdengler zur Fazit-Rundschau. Jetzt hama den gmischten Satz, wie die Weinbauern sagen. Sieg Blau. Geduldete Alleinregierung? Schwarz-Blau mit oder ohne? Rot-Schwarz mit a biss’l Pink oder gar Grün? Oder Neuwahlen? Wer kann, will oder darf eine Regierung bilden?
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Der Herr Bundespräsident hat g’sagt, so sind wir nicht, das war ein Irrtum, denn so sind wir wirklich, wenn’s drauf ankommt. Als Elder Statesman und Vizebürgermeister von St. Vinzenz hätt ich sofort die FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt. Wenn sie es nicht schafft, ist die Usance erfüllt und da Zweite ist dran. Wenn sie es aber schaffen, sofort ab in die Regierungsverantwortung und dann können sie alles besser machen. Wenn sie dieses Mal nicht an die Macht kommen, muss sich die Dreierkoalition aber sehr anstrengen. Denn wenn sie versagt, wird die FPÖ das nächste Mal eine absolute Mehrheit erreichen.
Kurz nach der Wahl habe ich im Gasthaus einen Nachbarn getroffen und gefragt, wie er die Wahl sieht. „Is dos net a Wahnsinn“ hat er strahlend g’sagt. Ich frage nach, wie er des meint. »Na der blaue Erfolg«, sagt er. »Aha, du bist ana«, sag ich. »Najo, i man, es muss sich jo wos ändern, net?« »Und was«, frag ich? Schweigen, langes Schweigen, ich schau ihm in die Augen, die nun etwas hervortreten, das Gesicht wird rot und röter, die Halsadern schwellen an. Ich frag nach und auf einmal schreit er los, dass ich kein einziges Wort versteh, was ich aber heraushöre, ist dieser vorwurfsvolle Singsang des Parteichefs der FPÖ, der mich an den Singsang des Propagandaministers der Nazis erinnert. Und der Nachbar schreit jetzt genauso. Nicht das, was er schreit, sondern wie er es schreit … da bricht eine tiefe Verletzung auf. Endlich ist er fertig, er keucht nur noch, hat gemerkt, dass er doch vielleicht zu weit gegangen ist.
Die wenigen Herumsitzenden lachen sich ins Fäustchen und schauen weg. Ich bin schmähstad, habe in meinem Nachbarn einen anderen Menschen kennengelernt, und das macht mir Angst. Nicht, dass er FPÖ gewählt hat, das ist legitim, sondern wie er g’schrien hat, wie ein waidwundes Tier. Ich dreh mich um und will gehen, mir reicht’s. »Die anderen kriegen alles und mir sind die Depp’n«, schiebt er mir verständnisheischend etwas ruhiger nach. Ich dreh mich um und mache einen Schritt auf ihn zu. »Ahso, als du vor einem Jahr Deinen Herzkasperl g’habt hast, bist mit dem Heli ins Krankenhaus g’flog’n worden. Gott sei Dank bist wieder einigermaßen gesund durch beste Medizin. Kriegst a schöne Frührentnerpension, hast sie auch verdient. Die Nachbarn hob’n dir inzwischen deine Landwirtschaft g’macht. Von allem Möglichem bist befreit. Kriegst den Klimabonus, Heizzuschuss und, und, und. Jetzt sag mir, was und wer dir was wegnimmt«, werd’ ich nun lauter. Wieder brüllt er mich aus dem Stand unartikuliert an, nur diesmal hat er Tränen in den Augen. Hass, denke ich, das ist abgrundtiefer Hass. Aber gegen wen? Gegen sich selbst? Ist es das Wissen, dass er selbst für sein Leben verantwortlich ist? Oder nicht mehr aus seinem Leben gemacht zu haben und nun Sündenböcke zu brauchen, sonst wäre das nicht zu ertragen? Er schupft mich weg und geht. Wenn ich weiter gemacht hätte, hätte er zugeschlagen?
Ich möchte Sie, liebe Fazitleser, einladen, uns zu schreiben: Wo möchten Sie lieber leben als in Österreich? Zum Beispiel in Nicaragua, in China, in Bulgarien oder gar in Russland? Wo? Bitte schicken Sie Ihre Antwort mit nachvollziehbarer Begründung an das Fazitmagazin, als Preis winkt eine geführte Eintagesexkursion für zwei Personen in ein Konzentrationslager Ihrer Wahl. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Genießen Sie noch die herrlichen Herbsttage.
Herzlichst und bis zum nächsten Mal, Ihr Sepp Oberdengler.
PS. Aufpassen! Der Teif’l schloft net!
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Sepp Oberdenglers Rundschau #8, Fazit 207 (November 2024), Foto: Manfred Weis
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