Außenansicht (58)
Peter Sichrovsky | 11. Dezember 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Außenansicht, Fazit 208
Politisch korrekter Humor. In den Tagen nach der US-Präsidentenwahl wetteiferten Kabarettisten auf US-TV-Stationen mit sarkastisch-zynischen Kommentaren über die Gründe der Niederlage von Kamala Harris. Allen voran Bill Maher, der sich schon immer als Unterstützer der Demokraten deklarierte, und in der ersten Sendung nach der Wahl fast schon einen Wutanfall bekam, voller Ärger über den seiner Meinung dilettantischen Wahlkampf der Demokraten.
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Er zerpflückte die Strategie von Harris, von der zaghaften Verteidigung der Transphilosophie, der Missachtung der realen ökonomischen Probleme amerikanischer Familien bis zu dem präpotenten Verhalten sogenannter »Stars«, die den Wählerinnen und Wählern erklärten, wen sie wählen sollten, ohne erklären zu können warum. Maher belehrte die Demokraten, sie sollten aufhören, Trump-Wähler als Idioten zu beschimpfen, wenn während ihrer eigenen Wahlveranstaltungen im Saal Unterstützer sitzen würden mit T-Shirts »Queers for Palestine«. Seine Zusammenfassung: »You lost a crazy-contest to an actual crazy person.« Andere Kabarettisten machten sich lustig über eine privilegierte, verwöhnte Minderheit, die die Gesellschaft nur noch als Summe diskriminierter Minderheiten definiere, die alle wiederum von Privilegierten kontrolliert und betrogen werden. Demokraten hätten einen Wahlkampf geführt, als würden sie nicht in den USA leben, so abgehoben und entfernt lagen die Argumente.
Ein anderer zitierte eine Untersuchung, wo African-American, Hispanics und weiße Amerikaner befragt wurden, ob es richtig sei, dass Amerika »the greatest country in the world« sei. Von allen drei Gruppen waren nur die Weißen der Meinung, dass es nicht stimme. Der Komiker dazu: »Jene, die das Land verachten, organisieren einen Wahlkampf gegen einen Kandidaten, der Make America Great Again propagiert, das musste schief gehen.«
Doch die US-Wahl ist gelaufen. Trump bestellt loyale Gefolgsleute für die wichtigsten Positionen. Empörung, Hohn, Verzweiflung, doch auch der Humor der Beobachter aus Europa hat erst begonnen. Eine Musikgruppe aus Deutschland komponierte sogar ein heiteres Lied über Trump. Das wirklich Tragische an dem Song ist die Tatsache, dass das Publikum tatsächlich lachte. Auf Twitter wetteifern Journalisten und Kommentatoren mit aus dem Internet ausgegrabenen, absurden Statements der zukünftigen Mitglieder der Trump-Regierung. Zu Harris und ihrem bei seinen Auftritten lächerlich wirkenden Vize ist ihnen nichts eingefallen.
Wo liegt dann der Unterschied zwischen Kabarett in den USA und Europa? Ganz einfach. In den USA beschäftigen sich Kabarettisten vor allem mit den Verlierern, verhöhnen nicht nur den Sieger, sondern auch den katastrophalen Wahlkampf der Demokraten, teilen aus, obwohl – oder vielleicht gerade weil – sie mit den Verlierern sympathisieren. Undenkbar in der deutschen bzw. österreichischen Humorszene. Hier wird weiter eingeprügelt auf die Rechten, einfallslos und wiederholend. Vertreter der FPÖ in Österreich und der AfD in Deutschland sind die absoluten Stars aller Kabaretts. Nicht Sozialdemokraten und schon gar keine Grünen schaffen es bis in die Kreativitätszone des deutschsprachigen Humors.
Zu »Links der Mitte« fällt den Witzbolden nichts ein. Eine zynisch heitere Aufarbeitung der Tatsache, dass SPÖ und Grüne gemeinsam bei der letzten Wahl in Österreich etwa so viele Stimmen wie die FPÖ schafften, findet nicht statt. Dabei geht es nicht einmal um »linkes« oder »rechtes« Kabarett, eher um gutes oder schlechtes. Warum ein Publikum sich bestens unterhält, wenn ihre eigenen Vorurteile auf der Bühne, meist einfältig und hilflos bestätigt werden, ist mir ohnehin ein Rätsel.
Einst gab es das politische Kabarett. Zu Zeiten der Weimarer Republik eine notwendige Waffe gegen den aufkommenden Faschismus. Jetzt wirkt es nur noch aufgewärmt, verzweifelt und unendlich langweilig. »Politisch korrekter« Humor ist schon in sich ein Widerspruch. Wer sich »anständig« unterhalten möchte, sollte sich Beethovens Fünfte anhören im Konzerthaus in Wien. Intelligentes Kabarett überrascht, erstaunt, drängt aus gedanklichen Gewohnheiten, verunsichert in der abgesicherten und beschützten Welt der eigenen Vorurteile – und wiederholt sie nicht auf der Bühne.
Außenansicht #57, Fazit 208 (Dezember 2024)
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