Gerüstet für die Zukunft
Redaktion | 11. Dezember 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 208, Fazitgespräch
Wenn Volksbank-Generaldirektorin Monika Cisar-Leibetseder einen recht entspannten Eindruck vermittelt, dann hat das einen guten Grund: Die letzte Bilanz war hervorragend. Außerdem hat sich die »Volksbank Steiermark« mittlerweile glaubwürdig als echte Regionalbank positioniert. Wie das gelungen ist, haben wir mit ihr besprochen.
Das Gespräch führten Johannes Roth und Johannes Tandl.
Fotos von Marija Kanizaj.
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Die Grazer Kaiserfeldgasse war so etwas wie die Bond Street der Murmetropole, viele der großen steirischen Finanzinstitute hatten einst dort ihre Zentralen. Heute sind viele weggezogen. Geblieben sind, im diskreteren Teil dieses Financial Districts, die BKS, die Ärztebank – und deren Schwestergesellschaft – die Volksbank-Steiermark. Das Institut ist wie die Raiffeisen-Banken genossenschaftlich organisiert. Die acht Volksbanken in Österreich bilden ein Netzwerk rechtlich selbstständiger Regionalbanken. Sie arbeiten eng zusammen, um Synergien zu nutzen und einheitliche Markenpräsenz zu gewährleisten. Gleichzeitig bleiben die Banken regional unabhängig. Die einzelnen Volksbanken nutzen aber gemeinsam mit der Ärzte- und Apothekerbank die Volksbank Wien AG als Zentralorganisation.
Die Volksbank Steiermark ist Teil des Volksbanken-Verbundes, ihre Eigentümer sind die ehemaligen steirischen Volksbankgenossenschaften, die nach der Fusion zur Volksbank-Steiermark-AG nunmehr als VB-Beteiligungsgenossenschaft der Obersteiermark, Süd-Oststeiermark, für die Süd-/Weststeiermark & Graz und für den Bezirk Weiz firmieren.
Im Gefolge der Finanzkrise 2008 und 2009 geriet die damalige Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG) in Schwierigkeiten und musste von der Republik gerettet werden. Nur harte Umstrukturierungsmaßnahmen brachten die Volksbanken wieder auf Kurs, 2022 konnte die letzte Rate an die Republik zurückgezahlt werden. Seither geht es bergauf: Der Jahresabschluss 2023 der Volksbank-Steiermark-AG wies der Bank eine Bilanzsumme von 2,8 Milliarden Euro und einen Gewinn von 2,2 Millionen Euro aus. Vor diesem Hintergrund baten wir Generaldirektorin Monika Cisar-Leibetseder, zum Gespräch.
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Frau Generaldirektorin, die letzte Bilanz war verglichen mit den Jahren zuvor geradezu herausragend. Angesichts der Vergangenheit des Sektors war das nicht selbstverständlich. Wie ist der Turnaround gelungen?
Wir sind sehr glücklich, dass wir eine Zeit nutzen konnten, in denen die Rahmenbedingungen das Risiko für eine Bank relativ niedrig halten konnten. Die Nullzinsphase war zwar hinsichtlich der Erträge nicht berauschend für österreichische Banken, aber dafür gab es auch kaum ein Risiko. Das hat uns die Gelegenheit gegeben, die ÖVAG und die Kommunalkreditsache zu überwinden. Wir haben also diese Niedrigzinsphase dazu genutzt, den kompletten Sektor, überspitzt formuliert einmal durch den Fleischwolf zu drehen. Wir haben in der Organisation keinen Stein auf dem anderen gelassen und aus damals über 60 rechtlich selbstständigen Volksbanken als Verbund acht plus eine gemacht.
Welche Vorteile hat Ihnen das gebracht?
Wir haben natürlich auch gewusst, dass wir in der damaligen Organisation eine Kostenstruktur hatten, die nicht zukunftsfähig ist. Schon gar nicht in einem negativen Zinsumfeld, wo man nichts verdienen kann. Wir haben die Umstände genutzt, um unsere Abwicklungen zu bündeln und vieles gemeinsam zu machen. Nun haben wir zum Beispiel eine zentrale Revision, die von Wien aus agiert. Wir machen den Legal-Bereich gemeinsam, wir machen Compliance gemeinsam, wir machen Finance gemeinsam und wir bilanzieren gemeinsam in Wien. Hier haben wir für diese Bereiche jeweils meist nur noch eine Kollegin sitzen, die dabei hilft, das alles zu koordinieren. Also: Wir machen vieles gebündelt, nutzen Synergien effizient und haben dadurch unsere Kostenstruktur im Griff. Und wir haben uns entgegenkommende Rahmenbedingungen genutzt, um unsere Hausaufgaben zu machen. Jetzt fühlen wir uns gerüstet für alles, was da noch so kommen mag.
Und natürlich haben Sie die Zinsmargen, die plötzlich wieder erzielbar waren, genutzt …
So ist es. Dadurch konnten wir uns kapitalmäßig ordentlich aufstellen. Dabei ist es natürlich ein Riesenglück, dass wir keinen dividendensüchtigen Eigentümer haben. In unserer Struktur ist ein Shareholder-Value Ansatz nicht vorgesehen.
Jetzt, wo der Bund nicht mehr mitbestimmt, dürften Sie theoretisch wieder Gewinne ausschütten, etwa an Ihre Genossenschaften.
Natürlich, unsere Eigentümer erhalten Dividenden – das ist ja der Sinn der Sache. Aber bei unseren Genossenschaften, auf die wir sehr stolz sind, steht unser regionales Geschäftsmodell im Vordergrund. Unsere Genossenschafter haben nicht primär das Ziel, für ihre 200 Euro zehn Euro Dividende zu bekommen – das funktioniert so nicht. Stattdessen setzen wir auf Projektförderungen in der Region. Darauf sind wir besonders stolz, denn wir waren im Verbund die Ersten, die das umgesetzt haben. Bereits im Juni haben wir damit begonnen, gemeinsam mit unseren Beteiligungsgenossenschaften eine Initiative für regionale Projektförderungen aufzusetzen. In der Steiermark haben wir dafür im ersten Jahr einen Fördertopf von 300.000 Euro eingerichtet. Jeder, der eine juristische Person ist, kann sich ganz einfach und niederschwellig über eine unserer Webseiten [hausbank-welt.at/eigentuemerclub] um Fördergelder bewerben – vorausgesetzt, das Projekt ist nachhaltig und entspricht den SDG-Kriterien [EU-Ziele für nachhaltige Entwicklung, Anmerkung] Mit unseren Gewinnen unterstützen wir somit gezielt Projekte, die in der Steiermark einen positiven Beitrag leisten.
Haben die Volksbanken mit dieser Umstrukturierung nicht auch schon Entwicklungen vorweggenommen, die anderen Banken noch bevorstehen? Allein der riesige regulatorische Aufwand, der von den Banken betrieben werden muss, ist ja nur mit der Bündelung aller Kräfte zu bewältigen …
Definitiv. Als kleines Institut hat man es sehr, sehr schwer, die gesamte Regulatorik zu erfüllen und alle Anforderungen so abzubilden, wie es die Aufsicht verlangt. Ein Ende ist dabei auch nicht in Sicht. Kaum glaubt man, ein Thema erledigt zu haben, kommt etwa der »Dora« [Digital Operational Resilience Act, Anmerkung] oder eine andere Vorschrift. Es hört einfach nie auf. Daher ist es nahezu unmöglich, sämtliche regulatorische Vorgaben eigenständig zu bewältigen. Wenn wir beispielsweise die Raiffeisen-Banken betrachten, insbesondere die kleineren, profitieren diese von den Raiffeisen-Landesbanken, die viele zentrale Aufgaben für sie übernehmen. Die Anforderungen überfordern die kleinen Banken einfach. Das kann man durch Fusionen oder eine intensive Zusammenarbeit innerhalb des Sektors bewältigen. Wir haben zum Beispiel auch unsere zentrale Revision bei der Volksbank-Wien. Dort gibt es zwei Mitarbeiter, die bei uns in der Steiermark sitzen und sich quasi nur um die interne Revision der Volksbank-Steiermark kümmern. Gesteuert wird das alles zentral, weil sonst die Kosten einfach nicht zu stemmen wären.
Aktuell gibt es ja eine echte Wirtschaftskrise. Sie sind ein klassischer Mittelstandsfinanzierer. Wie sehr leiden Ihre Kunden aus dem KMU-Bereich unter dieser Krise? Wie spüren Sie das?
Das Riesenthema ist, dass wir eine Multikrise, die die verschiedensten Bereiche trifft, haben. Die größten Leidtragenden sind aktuell die Industrieunternehmen. Wir sind keine Industriefinanzierer. Dazu sind wir als Bank zu klein. Aber wir finanzieren die Zulieferer. Und über diese Zulieferer trifft uns das natürlich schon. Es ist schwierig, wenn du einerseits als Zulieferer oder als kleines KMU wegen der Inflation mit steigenden Kosten zu kämpfen hast und durch die hohen Lohnkosten zusätzlich belastet wirst und auf der anderen Seite die Aufträge wegbrechen. Dieses Szenario sehen wir leider auch bei unseren Kunden.
Ein großes Thema für die Banken ist die sinkende Nachfrage nach Kommerzkrediten. Wie entwickelt sich das bei der Volksbank?
Schleppend. Das ist natürlich eine konjunkturelle Sache: Es warten alle ein bisschen ab, wie sich die Wirtschaft weiterentwickelt, wie das mit der Rezession weitergeht, und wie die Erwartungen an die zukünftige Auftragslage sind. Es gibt Sparten – da denke ich etwa an Medizin oder Pflege –, in denen man auch jetzt echte Investitionen sieht. Das sind erfolgreiche Branchen, welche die Krise nicht wirklich spüren. Andere, wie etwa die Autozulieferindustrie, haben zu kämpfen. Die sind in einer schwierigen Situation. Und auch die Bauindustrie entwickelt sich nur träge.
Bei privaten Wohnkrediten gibt es, entnehmen wir der Bilanz, einen Rückgang von 50 Prozent. Trotzdem konnte der gesamte Kreditbestand um 1,1 Prozent auf 2,42 Milliarden Euro gesteigert werden. Wie das?
2023 war ein Jahr, in dem es durchaus noch Branchen gegeben, die investiert haben. Heuer ist das Ganze schon deutlich schwieriger geworden. Was wir vorhergesehen haben, ist die Entwicklung im gemeinnützigen Wohnbau, da wurde im Vorjahr noch relativ viel investiert. Heuer ist der gesamte Baubereich rückläufig. Wir können durchaus von einer Immobilienkrise sprechen. Das erkennen wir an der gedämpften Nachfrage nach Baufinanzierungen und Projektentwicklungen. Selbst der gemeinnützige Wohnbau tut sich jetzt schwer.
Die Politik gibt der »Kim«-Verordnung [Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung, Anmerkung] die Schuld daran, dass sich die Familien keine Eigenheime mehr leisten können. Sehen Sie das auch so oder ist es nicht eher die Baukosteninflation, die so hoch ist, dass das Bauen unerschwinglich geworden ist?
Ich glaube, die Kim-Verordnung kam einfach zur falschen Zeit. Sie wurde eingeführt, weil das damalige Niedrigzinsniveau es quasi jedem ermöglicht hat, günstig Kredite aufzunehmen. Die Zinsbelastung war so gering, dass viele bauen konnten, obwohl sie es bei einem normalen Zinsniveau nicht geschafft hätten. Aber da die Zinsen inzwischen gestiegen und die Baukosten exorbitant schnell angestiegen sind, hätte sich dieses ganze Thema von selbst geregelt. Meines Erachtens wäre die Kim-Verordnung gar nicht notwendig gewesen. Wenn es normale – also nicht negative – Zinsen gibt, musst du ohnehin schauen, wie hoch dein Haushaltseinkommen ist und ob du dir einen Kredit leisten kannst; und natürlich auch, wie viele Eigenmittel du vorher brauchst. Der Kreditsektor hätte sich unter diesen Bedingungen von selbst reguliert, ganz ohne zusätzliche regulatorische Eingriffe.
Zumal gebrauchte Immobilien zu 100 Prozent wertgesichert sind, sonst kriegt man ja ohnehin keinen Kredit dafür. Das Risiko trägt letztendlich ja die Bank.
In Wirklichkeit hat die Kim-Verordnung uns als Banken eigentlich völlig entmündigt. Die Regulatorik geht inzwischen davon aus, dass wir unser Geschäft nicht kennen. Wir haben in den letzten Jahren bei Einfamilienhäusern oder privaten Wohnbaufinanzierungen und Wohnungen so gut wie keine Abschreibungen oder Versteigerungen gehabt – die kann man an einer Hand abzählen. Das war praktisch kein Risiko. Weil bevor irgendjemand sein Haus versteigern lässt, wissen Sie, da kommt die ganze Familie. Da kommen der Onkel und die Tante und der Opa und die Oma. Und alle zahlen zusammen und schauen, dass es sich irgendwie ausgeht.
Der Leitzins liegt momentan bei 3,4 Prozent. Die Inflation war zuletzt bei 1,8 Prozent – das ist der niedrigste Wert seit 2020, also niedriger als vor dem Kriegsausbruch in der Ukraine. Wir wissen daher natürlich, dass zu den Ursachen für die Inflation auch andere gehören als jene, die uns vermittelt werden. Wo sehen Sie unter diesen Rahmenbedingungen ein vernünftiges Zinsniveau, bei dem die Banken gut arbeiten können und die Kunden sich die Kredite leisten können?
Das ist genau der Punkt: Letztes Jahr hatten wir ein Topergebnis, vor allem getrieben durch das Zinsergebnis. Aber wenn man in einem Jahr ein so hohes Zinsergebnis hat, dann hat man im nächsten Jahr wahrscheinlich Wertberichtigungen, weil die Kunden sich die Kredite nicht mehr leisten können. Wir bräuchten ein Zinsniveau, mit dem man gut arbeiten kann – etwa einen Euribor zwischen zwei und drei Prozent. In dieser Größenordnung könnten Banken ausreichend verdienen, sie könnten Eigenkapital aufbauen, um stabil zu bleiben und das Geschäft würde rund laufen. Gleichzeitig wäre dieses Niveau für die Kunden leistbar.
Nun hat – zum Leidwesen der meisten österreichischen Politiker und vor allem Medien – Donald Trump erneut die amerikanische Wahl gewonnen. Rechnen Sie mit irgendwelchen Auswirkungen auf die Wirtschaft in Österreich oder auf die Sparer? Könnte es unter Umständen sogar dazu führen, dass die Menschen noch sparsamer werden, obwohl sie das jetzt schon in einem viel zu hohen Maße sind?
Was Trump betrifft: Ich persönlich bin erschüttert und frage mich, was ein Mensch alles tun muss, um eigentlich unwählbar zu werden. Offensichtlich kann man sich sehr, sehr viel erlauben. Dennoch glaube ich, dass es für Europa relativ egal gewesen wäre, ob Frau Harris oder Herr Trump gewählt worden wäre, weil das Prinzip »America first« bleibt. Ich denke, wir in Europa müssen uns langsam von der Vorstellung verabschieden, dass wir mit den USA einen starken Partner haben, der für uns die Sicherheitsfragen löst. Das ist unser großes Thema: Wir verlassen uns auf jemanden, der nicht mehr bereit ist, diesen Job für uns zu übernehmen.
Das ist wohl die Realität, mit der wir uns abfinden müssen. Aber nicht nur die militärische Sicherheit ist bedroht. Auch das wirtschaftliche Umfeld ist bedroht. Insbesondere die Industrielandschaft verändert sich durch die Politik der Amerikaner. Die macht es den heimischen Betrieben nicht gerade leicht, große Investitionen in Europa zu tätigen.
Natürlich. Und damit muss die Politik mit den richtigen Maßnahmen reagieren.
Aber tragen wir als Europäische Union nicht auch selbst sehr viel dazu bei, dass unsere Betriebe nicht mehr in der Lage sind, zu investieren. Das betrifft ja nicht nur die steigenden Kosten.
Ganz genau. Da gibt es eben die Regulatorik, die wir vorher schon angesprochen haben. Es betrifft ja nicht nur uns Banken. Wir sind in allen Bereichen völlig überreguliert! Es ist schon absurd, was wir uns in Europa an Bürokratie und Regulatorik aufgebaut haben. Wir regulieren uns zu Tode und lähmen dadurch unsere Wirtschaft. Das ist keine gute Entwicklung. Wir müssten hier endlich einmal die richtigen Schritte setzen. Die Industrie schreit, alle schreien laut, jeder spürt die Auswirkungen – aber es passiert nichts.
In Österreich finden aktuell gerade Regierungsverhandlungen statt. Die SPÖ fordert aus ideologischen Gründen Vermögenssteuern. Außerdem stehen eine Übergewinnsteuer und auch höhere Grundsteuern stehen im Raum. Was halten Sie davon?
Schauen Sie, wir sind eine Regionalbank. Ich habe es schon erwähnt: Wir haben keinen dividendensüchtigen Eigentümer, der Gewinne absaugt. Der Großteil unserer Gewinne bleibt in der Bank und stärkt diese mit Kapital, damit wir die Anforderungen der Aufsicht erfüllen können. Denn die Aufsicht fordert ständig: Kapital, Kapital, Kapital. Das heißt: Wenn ich keine externe Kapitalfinanzierung mache, bin ich auf Innenfinanzierung angewiesen. Und genau darauf setzen wir sehr stark. In der Volksbank-Steiermark hatten wir in der Bilanz für 2023 knapp 18 Prozent Kapital – genau genommen 17,99, davon waren 17,95 Prozent hartes Kernkapital, also wirklich erwirtschaftete Gewinne. Wenn jetzt aber jemand kommt und sagt: »Okay, das, was du verdienst, liebe Bank, darfst du nicht mehr verwenden, um dein Kapital zu stärken, sondern es wird abgeschöpft« – woher soll ich dann bitte das Kapital nehmen, das ich brauche, um die Anforderungen der Aufsicht zu erfüllen? Der restliche Teil unserer Gewinne fließt über die Dividenden in regionale Projektförderungen – die Projekte sind in der Region, das Geld bleibt in der Region.
Die EU fördert verstärkt nachhaltige Finanzierungen. Inwiefern haben sich diese Vorgaben auf das Portfolio und die strategische Ausrichtung der Volksbank ausgewirkt?
Natürlich ist Nachhaltigkeit ein zentrales Thema, das nicht mehr wegzudenken ist. Es wird in allen Bereichen immer stärker forciert. Wir sind gerade dabei, unser Portfolio zu analysieren und zu clustern, um zu bewerten, wie nachhaltig es ist und welche Branchen darin vertreten sind. Dafür erstellen wir beispielsweise Heatmaps zu den Branchen, basierend auf Kriterienkatalogen. Bei jeder Finanzierung wird inzwischen geprüft, ob es sich um ein nachhaltiges Projekt handelt. Was allerdings noch fehlt, ist, dass dies unmittelbar Einfluss auf die Konditionen hat – aber das wird in Zukunft sicherlich kommen. Alles, was sich in der Wirtschaft ändern muss, wird zunehmend über Banken umgesetzt. Wir werden immer mehr zum Hebel der Politik: Wie bewegt man einen Wirtschaftsstandort dazu, etwas zu tun? Jeder braucht in irgendeiner Form eine Bank, und so werden entsprechende Vorgaben oft über uns realisiert.
Man könnte sagen: Zuckerbrot und Peitsche – aber aktuell scheint es nur die Peitsche zu geben …
Genau. Deswegen ist die Förderung des Wirtschaftsstandorts für mich ein ganz essenzielles Thema. Ein sinnvolles Anreizsystem wäre dringend nötig. Warum sollte jemand in Nachhaltigkeit investieren, wenn alles nur mehr über allgemeine Gießkannenförderungen läuft, die irgendwo versickern? Nachhaltigkeit ist mir persönlich wichtig, auch weil ich eine Tochter habe und weil ich möchte, dass sie und meine Enkelkinder in einer schönen und gesunden Welt leben können. Aber die Art und Weise, wie dieses Thema derzeit umgesetzt wird, ist leider nicht zielführend.
Das heißt, »Green Finance« ist kein separates Thema für die Volksbank, sondern es fließt in alle Bereiche ein?
Richtig, es spielt in alle Bereiche hinein. Es hat Auswirkungen darauf, wie wir uns selbst positionieren oder was wir mit unseren Gebäuden und unserem Stromverbrauch machen. Aber natürlich betrifft es auch unser Kreditportfolio. Wir analysieren sehr genau und schauen uns an, welche Projekte wir finanzieren und wie der Nachhaltigkeitsfußabdruck der jeweiligen Unternehmen aussieht. Allerdings hat es noch keinen Einfluss darauf, wie wir unsere Konditionen gestalten oder anpassen.
Aber Sie rechnen damit, dass, wenn jemand einen schlechten Kohlendioxidfußabdruck hat, er in Zukunft einen Aufschlag auf die Kreditzinsen muss?
Vielleicht kommt das im Endausbau. Alle Indikatoren zeigen in diese Richtung.
Frau Cisar-Leibetseder, vielen Dank für das Gespräch.
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Monika Cisar-Leibetseder ist eine waschechte Weststeirerin. Geboren wurde sie 1969 in Voitsberg. Nach der Matura in Köflach und dem Studium der technischen Mathematik in Graz arbeitet sie seit 1995 bei der Volksbank – zunächst in Köflach. Sie hat in dieser langen Zeit alle Höhen und Tiefen der Volksbanken miterlebt. 2017 wurde sie in den Vorstand der durch Fusionen entstandenen Volksbank Steiermark AG berufen, seit 2022 ist sie Generaldirektorin. Privat ist die Mutter einer erwachsenen Tochter (27 Jahre) leidenschaftliche Tänzerin, ein Hobby, das sie gemeinsam mit ihrem Mann ausübt.
Fazitgespräch, Fazit 208 (Dezember 2024), Fotos: Marija Kanizaj
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