Politicks Dezember 2024
Johannes Tandl | 11. Dezember 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 208, Politicks
Strom wird empfindlich teurer
Das bevorstehende Ende der Strompreisbremse und die Erhöhung der Netzgebühren veranlasste die Experten des Vergleichsportals Durchblicker dazu, die Wirkungen dieser Maßnahmen zu untersuchen. Das Ergebnis: Trotz des Rückgangs der Strompreise kommt jetzt ein erheblicher Energiekostenanstieg auf alle Haushalte zu. Die Stromjahresrechnung kann sich dadurch um bis zu 45 Prozent verteuern. Wer im Laufe dieses Jahres nicht in einen günstigen Tarif gewechselt hat, wird den Wegfall der Stromkostenbremse im kommenden Jahr deutlich am Konto spüren, erklärt dazu Stefan Spiegelhofer von Durchblicker. Ohne Stromkostenbremse wird der österreichische Durchschnittshaushalt mit jährlichen Mehrkosten von 435 Euro belastet. Neben dem Förderstopp machen sich auch steigende Netzentgelte und Gebühren deutlich am Konto bemerkbar. Je nach Bundesland kommen zwischen 200 Euro und 290 Euro an fixen Mehrkosten bei der Stromrechnung dazu.
Forderungen an die Zuckerl-Koalition
Nach einem Minus von einem Prozent im Vorjahr verharrt Österreichs Wirtschaft auch 2024 hartnäckig in der Rezession. Das Wifo rechnet mit einem BIP-Rückgang von minus 0,6 Prozent, die Nationalbank sogar von minus 0,7 Prozent. Alle, die auf einen raschen und deutlichen Aufschwung im kommenden Jahr hoffen, dürften ebenfalls enttäuscht werden. Die Wirtschaftsforscher erwarten zwar Konjunkturimpulse aus dem Ausland und von der Bauwirtschaft, weil das Baukonjunkturpaket endlich anspringen dürfte. Aber mehr als plus ein Prozent – also eine konjunkturelle Seitwärtsbewegung mitten in der Krise – wird sich vor dem Hintergrund sinkender Investitionen wohl nicht ausgehen.
Damit dürfte auch die Arbeitslosigkeit weiter steigen. Außerdem ist die Gefahr sehr groß, dass sich die kommende Bundesregierung die Zähne dabei ausbeißt, ein Budget zustande zu bringen, das wirtschaftliche Impulse setzt und trotzdem den EU-Maastricht-Kriterien entspricht. Daher schrillen bei den Wirtschaftsverbänden, allen voran bei der Industriellenvereinigung, die Alarmglocken.
Für IV-Präsident Georg Knill sind die jüngsten Entwicklungen extrem besorgniserregend. Er warnt daher: Trotz deutlicher Reallohnzuwächse hat Österreich in den letzten fünf Jahren an Wohlstand verloren, kurz gesagt: Es ist Feuer am Dach. Die Zuckerlkoalition dürfe angesichts dieser Situation, keine Süßigkeiten verteilen, die vielleicht kurzfristig populär sind, aber keine nachhaltige Basis schaffen.
Die Industrie will einen disruptiven, fiskalischen Kurswechsel
Unter dem Motto NeuStartStaat übermittelte die Industrie den türkis-rot-pinken Regierungsverhandlern daher ein Forderungspaket, das die strukturellen Defizite abbauen und die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs wieder herstellen soll. Hauptverantwortlich für die dramatische Lage seien nämlich die stark gestiegenen Preise für Arbeit, Energie und die ständig anwachsende Bürokratie. In der Folge haben viele österreichische Paradeunternehmen Marktanteile auf den Weltmärkten eingebüßt. Binnen drei Jahren sind die Lohnstückkosten in Österreich nämlich um 30 Prozent gestiegen, in Deutschland um 17 Prozent, in Italien um sieben und in der Schweiz nur um sechs Prozent. Wir haben uns im direkten Wettbewerb mit unseren Handelspartnern in Westeuropa so massiv aus der Wettbewerbsfähigkeit hinauskatapultiert, das können wir mit Produktivitätsmaßnahmen nie und nimmer kurzfristig kompensieren, so Knill. Die IV fordert daher einen disruptiven, fiskalischen Kurswechsel, aber auch deutliche Kostensenkungen. Nur so könnten sowohl die Maastricht-Kriterien eingehalten und in weiterer Folge Wachstumsimpulse gesetzt werden.
Steuerlich Anreize bei Investitionen und bei Wechsel in Vollzeit
Vor dem Hintergrund der steigenden Produktionskosten und des Fachkräftemangels müsse gezielt in die Wettbewerbsfähigkeit investiert werden: Wir brauchen eine starke FTI-Politik (Anmerkung: FTI steht für Forschung, Technologie und Innovation), um Wohlstand und Resilienz für Österreich und Europa zu sichern, erklärt der IV-Präsident. Erreichen ließe sich das durch die Wiedereinführung von vorzeitigen Abschreibungsmöglichkeiten und einer Investitionsprämie im Ausmaß von 14 Prozent. Beide Instrumente haben ja bereits in der Vergangenheit zu entscheidenden wirtschaftspolitischen Impulsen geführt: Eine Investitionsprämie, wie wir sie in der Covid-Phase gehabt haben, kostet nichts und trägt sich mehrfach selbst, so Knill im ORF.
Österreich hat mit 46,8 Prozent eine der höchsten Abgabenquoten auf Arbeit weltweit. Daher fordert Knill anstelle einer Arbeitszeitverkürzung deutliche Anreize zur freiwilligen Steigerung der Arbeitszeit, etwa durch einen steuerlichen Vollzeit-Bonus oder durch die Streichung leistungsfeindlicher Steuern.
Sorgen bereitet der IV auch die Konsumzurückhaltung. Denn trotz deutlicher Reallohnzuwächse steht bei den Konsumentinnen und Konsumenten das Vorsichtssparen im Vordergrund. Voraussetzung für einen baldigen Aufschwung ist nämlich, dass die Menschen den Konsum unterstützen. Und das geschieht nur, wenn sie das Vertrauen in die Staatsfinanzen zurückgewinnen. Außerdem müsse die neue Regierung dringend weitere Maßnahmen zur Ankurbelung des privaten und gemeinnützigen Hochbaus setzen.
Asyl: Burgenland beschließt gemeinnützige Arbeit
Das Burgenland will im Dezember – eineinhalb Monate vor der Burgenlandwahl – eine Gesetzesänderung beschließen, mit der Asylwerber zur gemeinnützigen Arbeit gezwungen werden. Seit Juli gibt es eine ähnliche Vorschrift auch auf Bundesebene, doch während das Innenministerium Arbeitsverweigerungen die Leistungen aus der Grundversorgung nur halbiert, sieht die burgenländische Regelung die völlige Streichung der Grundversorgung vor. Migration muss finanziell und gesellschaftlich tragbar sein, das ist eine Frage der Gerechtigkeit, so Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) in einer Aussendung.
Kritik kam postwendend von der ÖVP. Landesgeschäftsführer Patrik Fazekas ortet ein Täuschungsmanöver des Landeshauptmannes, bei dem der Bevölkerung mit Vorschlägen, die rechtlich nicht haltbar seien, ein populistisches Theater vorgespielt werde. Auch die burgenländische Landessprecherin der Grünen, Anja Haider-Wallner, spricht von einem unwürdigen Wahlkampfgetöse. Man solle Asylwerbern die Möglichkeit geben zu arbeiten, aber nicht mit einem rechtswidrigen Gesetz. Im SPÖ-Antrag steht einerseits, dass man Asylwerbern alles wegnehmen kann, andererseits, dass ein würdiger Lebensstandard zu gewährleisten ist – ohne Grundversorgung praktisch unmöglich, so die grüne Landessprecherin. Aus dem Innenministerium heißt es dazu, das Burgenland hätte bereits im Sommer mit der Umsetzung der Arbeitspflicht begonnen. Das neue burgenländische Asylgesetz sieht übrigens vor, dass bei einem negativen Asylbescheid sämtliche Leistungen aus der Grundversorgung mit Monatsfrist automatisch eingestellt werden. Es soll dann nur mehr eine einmalige Rückkehrhilfe geben. Bereits beschlossen wurde übrigens die burgenländische Asylobergrenze mit maximal 330 Personen in der Grundversorgung.
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