Drei Rezensionen
Josef Schiffer | 11. Dezember 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 208, Kunst und Kultur
Was darf man sich bei der Lektüre von August Schmölzers jüngstem Roman »Heimat« erwarten? Hinter dem verführerisch schlichten Titel verbirgt sich, wenn man Schmölzer kennt, weder eine kitschige Landidylle, unterfüttert mit Liebesgeschichten und Wildererhändeln, noch ein dystopischer düsterer Blick des Städters in die finstere Provinz.
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Das Cover zeigt den Blick durch ein Schlüsselloch auf eine Dorfkirche umgeben von kleinen Häusern, die malerisch in herbstlicher Landschaft auf einer Hügelkuppe liegt. Es handelt sich um die fiktive weststeirische Gemeinde St. Vinzenz, in der Großteil der Handlung spielt. Eine Hauptfigur ist der frühpensionierte geschiedene Polizist Josef Sudi, der von Graz hierher ins »Schilcherland« gezogen ist, um die Keusche der betagten Frau Klug auf Leibrente zu übernehmen. Hier will er seinen Lebensabend in Geruhsamkeit abseits des Stadttrubels genießen, auch wenn er gerade mal Ende Fünfzig ist. Frau Klug traut dem biederen Ex-Beamten mehr als den Absichten der Dorfmitbewohner; trotz ihrer neunzig Jahre »ist sie wendig und hell im Kopf«, spricht ausgiebig dem Schilcher zu und begibt sich mit der Flinte auf die Pirsch, um Wild für den Kochtopf zu erlegen.
Nicht nur Harmonie
Doch die harmonische Kulisse zeigt bald Risse: Es gärt in der Bevölkerung, die die Zusammenlegung mit der Südsteiermark, den Ausverkauf der Region sowie den überhand nehmenden Tourismus ablehnt, soweit sie nicht wie Weinbauern und Buschenschänken davon profitiert. Als handelnde Figuren treten alsbald auf: der überforderte, dem Alkohol zugetane Bürgermeister Loch, der umtriebige Tourismusobmann Kurzmann und der alte Max, Anführer der gerade »neu gegründeten national-traditionellen Partei«. Das Gegenstück dazu bilden die »Klimakasperl«, junge Leute, die mit weitgehend harmlosen Überfällen die Touristen verschrecken wollen, wodurch letztlich noch mehr Abenteuerlustige in die Gegend gelockt werden. Zu allem Überfluss engagieren die Dorfgranden den Söldner Karli, einen geflüchteten Kriminellen, der dem Treiben der Saboteure mehr oder minder gewaltvoll Einhalt gebieten soll. Doch dann geschehen in rascher Folge zwei Morde, an denen sich die ermittelnden Kriminalisten die Zähne ausbeißen. Da wird es Zeit für Josef Sudi, seine alte Uniform wieder anzulegen und sich auf eigene Faust auf Spurensuche zu begeben. Die hintergründige Absurdität so mancher Szene der flüssig geschriebenen Dialoge reflektiert ein mitunter verzerrtes, aber nicht weniger treffendes Bild der Realität. Der Leser darf gespannt sein, wie es Sudi – mit Hilfe von Schilcher und deftiger weststeirischer Kost – gelingt, Licht in die Sache zu bringen und zugleich das Herz der spröden Witwe Karin zu erobern.
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Tod im Orient
Wer beim Buchtitel »Tod im Orient« an Agatha Christie-Krimis oder Reiseabenteuer von Karl May denkt, liegt nicht völlig daneben, und dennoch sprengt der Erstlingsroman des Weizer Autors Alfred Grasmug diese Genres bei weitem. Der pensionierte Lehrer ist ein profunder Kenner der Türkei und ihrer Geschichte, hat er doch viele Jahre lang in Istanbul am St. Georgs-Kolleg unterrichtet und die ganze Region bis Syrien hinein intensiv bereist. Der Protagonist des Romans ist der junge Australier Luke, der bei der Landung der Entente-Truppen in Gallipoli im Jahr 1915 zwischen die Fronten gerät. Mit Hilfe einer neuen Identität lebt er sich im Altstadtviertel von Istanbul ein und erlebt den Zerfall des Osmanischen Reichs bei Kriegsende 1918. Die dramatischen politischen Umwälzungen werden aus Sicht des jungen Mannes geschildert, der in der Folge in seinem Umfeld mit mehreren rätselhaften Morden konfrontiert ist. Die Spur zu den Tätern führt ihn schließlich bis nach München. Als er Jahre später mit seiner Frau in die Türkei zurückkehrt, wird er erneut in Intrigenspiele von Geheimdiensten hineingezogen, die sich um den lukrativen Ausbau der Eisenbahnstrecke nach Bagdad drehen. Für reichlich Spannung ist also gesorgt, und daneben erfährt der Leser viele interessante Details zur Kulturgeschichte und den politischen Hintergründen jener Zeit, die der Autor mit zahlreichen geografischen Skizzen und alten Postkarten aus seinem Besitz veranschaulicht.
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Dämonen in Graz
In seinem Buch »Dämonen in Graz« beschäftigt sich der Grazer Kunsthistoriker Karlpeter Elis mit der faszinierenden Kulturgeschichte von Masken, Fratzen und anderen figürlichen Darstellungen an Gebäudefassaden oder Türen, die vielfach der Abwehr von Geistern, Untieren und anderen Schrecknissen dienen sollten. Elis streift in den umfangreichen Einleitungskapiteln die vielfältigen Formen dieser Schutzfiguren vom Alten Ägypten über Mesopotamien und Indien bis hin nach China und Amerika. Die folgenden Kapitel widmen sich ausführlich der Stadt Graz mit den überall in der Stadt anzutreffenden so genannten Maskaronen, die in Stuck, Stein oder Metall modelliert als Unglück abwehrende Symbole fungierten. Ihre Blütezeit hatten Darstellungen von Gesichtern besonders im Barock, als die teils grotesk verzerrten Antlitze als Dekor nicht nur an Fassaden, sondern auch an Möbeln und im Kunsthandwerk Verwendung fanden. Die in vielen Bildern gezeigten Beispiele reichen von der Renaissance bis zum Jugendstil, als diese Darstellungen zunehmend schließlich nur mehr dekorativen Zwecken dienten, so etwa an späthistoristischen Repräsentationsbauten wie dem Gebäude der Grazer Wechselseitigen in der Herrengasse. Auf jeden Fall sind dem Kunstinteressierten, wenn man sich inspiriert von diesem Buch auf Wanderung durch Graz begibt, viele interessante Entdeckungen garantiert.
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Heimat
Roman von August Schmölzer, Edition Keiper, 2024, 220 Seiten, 24 Euro
editionkeiper.at
Tod im Orient
Roman von Alfred Grasmug, Verlag Karolinger, 2024, 256 Seiten, 23 Euro
karolinger.at
Dämonen in Graz
Von Karlpeter Elis, Edition Strahalm, 2024, 192 Seiten, 25 Euro
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Alles Kultur, Fazit 208 (Dezember 2024), Fotos: Faksimile
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