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Zweimal in Istanbul

| 11. Dezember 2024 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 208, Fazitbegegnung

Foto: Hermann Mauritsch

Ich begegne Alfred Grasmug das erste Mal bei der Lesung aus seinem Romanerstling »Tod im Orient« im Café Kaiserfeld. Die von ihm ausgewählten Passagen des im Ersten Weltkrieg und in der Zwischenkriegszeit angesiedelten Werkes versprechen nicht nur eine überaus spannende Lektüre mit Elementen eines Krimis, sondern sind auch von ken ntnisreichen Erläuterungen zur politischen und kulturellen Geschichte des Osmanischen Reiches und der Türkei begleitet.

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Fred Grasmug, wie er sich selber lieber nennt, lädt mich für den übernächsten Tag zu sich in das gemütlich ausgestattete Einfamilienhaus in Weiz ein, das er mit seiner Ehefrau Sonja bewohnt. Bei Kaffee und Kuchen erfahre ich mehr Details aus dem überaus spannenden Lebenslauf des mittlerweile in Pension befindlichen Lehrers. Aufgewachsen in Weiz, entschied er sich nach der Unterstufe für das Musisch-Pädagogische Realgymnasium in Graz am Hasnerplatz, wo heute die Pädagogische Hochschule angesiedelt ist. Hier verfeinerte er neben einer gediegenen naturwissenschaftlichen Ausbildung seine Fertigkeiten im Gitarrenspiel. Er berichtet über diese Aufbruchszeit: »Die damals sehr aufgeschlossene Schulleitung ließ uns an den kulturellen Ereignissen der Neunzehnsiebzigerjahre, die weitgehend aus Großbritannien und der USA auf uns einströmten, teilhaben.«

Nach der Matura entschied sich Grasmug für das Studium von Mathematik und Physik an der Karl-Franzens-Universität Graz, um die Laufbahn eines Gymnasiallehrers einzuschlagen. Zusammen mit drei weiteren Lehramtsstudenten − Herbert Pilz, Fritz Weidl und Hans Wilding – und der Sängerin Sandra Wells gründete er während des Studiums im Jahr 1972 die Band »Four and One«. Die Rockband agierte mehrere Jahre überaus erfolgreich und schaffte sogar Platz zwei in der österreichischen Hitparade, berichtet Grasmug: »So konnte ich meinen Lebensunterhalt während des Studiums weitgehend durch zahlreiche Auftritte mit unserer Band bestreiten.« Nach dem Studium trennten sich allerdings berufsbedingt ihre Wege, was das Ende der gemeinsamen Band bedeutete. Nach über vierzig Jahren kam es 2017 in der Pension der vier Lehrerkollegen jedoch zu einem unerwarteten Revival der Band, das in den folgenden Jahren zahlreiche erfolgreiche Auftritte nach sich zog.

Nach Abschluss des Studiums und frisch verheiratet, startete Grasmug seine Lehrerkarriere mit Vertretungen an verschiedenen Schulen in Graz und Gleisdorf, aber mit einer fixen Stelle wollte es nicht recht klappen. Da wollte es der Zufall, dass er auf die Ausschreibung für eine Stelle am St.-Georgs-Kolleg in Istanbul stieß. Dabei handelt es sich um eine der ältesten österreichischen Auslandsschulen, die bereits 1882 gegründet wurde. Mit einer großen Portion Naivität ließ man sich auf das Abenteuer ein, so Grasmug: »Auch meiner Frau gefiel die Idee und so siedelten wir im Sommer 1979 in die Türkei.«

Bald erfolgte eine gewisse Ernüchterung: »Ohne ausreichende Sprachkenntnisse und völlig uninformiert fanden wir uns 1980 in einer Militärdiktatur wieder.« Die erste Zeit war unter diesen Lebensumständen nicht leicht, als im April 1981 die Tochter Kathrin auf die Welt kam. Der Alltag war von Mangelsituationen, Personenkontrollen und Terroranschlägen überschattet. Trotzdem behält Grasmug die Zeit in guter Erinnerung, denn »langsam verbesserten sich auch die Lebensumstände im Land wieder und wir konnten einige sehr schöne Reisen durch Anatolien, Nordgriechenland und Syrien unternehmen.« Einen einzigartigen Eindruck machte auf beide Reisenden das damals noch nicht vom Krieg gezeichnete Aleppo.

Zurück in Weiz bekam Grasmug eine Lehrerstelle an der HAK im Bundesschulzentrum Weiz. Als im Jahr 1987 Sohn Philipp geboren wurde, war das gemeinsame Eigenheim in Weiz fertiggestellt. Im Jahr 1990 gründete er mit Partnern das IT-Unternehmen Schachner & Schlemmer GmbH, das bis heute erfolgreich Softwarelösungen für Arztpraxen anbietet. Im Jahr 2008 erhielt er von der Österreichischen Schule in Istanbul nochmals das Angebot für eine Stelle als Lehrer für Mathematik und Informatik: »Die Sehnsucht erwachte wieder und wir nützten die Chance, das Land und die Menschen der Türkei besser kennenzulernen.«

Bis 2015 lebte das Ehepaar in einer prächtigen Altbauwohnung in einem um 1890 errichteten Wohnhaus mit Ausblick über den Bosporus, das Goldene Horn und die Altstadt direkt neben dem Galataturm. Diese Umgebung und die beiden traditionellen Stadtbezirke »Fener« und »Balat« dienten nicht nur als Inspiration für zahlreiche Bilder seiner Ehefrau, sondern auch für seinen eingangs erwähnten Roman. Ein Wellnessaufenthalt in Fischbach zum 70. Geburtstag war für den begeisterten Krimileser den Auslöser, seine Erfahrungen und Reiseerlebnisse niederzuschreiben.

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Alfred Grasmug wurde am 31. Jänner 1953 in Weiz geboren. Nach der Matura am Mupäd BRG in Graz studierte er Mathematik und Physik Lehramt. Daneben engagierte er sich als Gitarrist in der Rockband „Four and One“. In den frühen Achtziger Jahren und von 2008 bis 2015 unterrichtete er am St.-Georgs-Kolleg in Istanbul. In der Zeit dazwischen war er Lehrer an der HAK in Weiz und gründete mit Partnern eine IT-Firma für Ärztepraxis-Software. Seinen Ruhestand verbringt er mit Gattin Sonja abwechselnd in Weiz und Wien bei den beiden Kindern Kathrin und Philipp.

Lesen Sie hier auch eine Rezension seines ersten (historischen) Kriminalromans »Tod im Orient«.

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Fazitbegegnung, Fazit 208 (Dezember 2024) – Foto: Hermann Mauritsch

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