Tandl macht Schluss (Fazit 211)
Johannes Tandl | 10. April 2025 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 211, Schlusspunkt
Versprochen und gebrochen. Oder die Tugend des Kompromisses. Kompromisse sind das Fundament jeder Zusammenarbeit. Ohne sie ist gemeinsames Führen unmöglich. In der aktuellen politischen Landschaft, sowohl in Österreich als auch international, scheint die Fähigkeit zum Kompromiss immer mehr zu schwinden. Das hat unter anderem mit dem Stil der politischen Kommunikation zu tun. Vor Wahlen suchen die Parteien nach besonders spitzen Positionen, mit denen sie Aufmerksamkeit erregen und ihr Stammpublikum zum Hingehen motivieren.
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Gleichzeitig machen sie sich vom politischen Mitbewerb unterscheidbar. Dabei wären die Politiker gut darin beraten, ihre Positionen nicht als definitive rote Linien zu kommunizieren. Denn ohne sein »Njet« zu einer Zusammenarbeit mit Herbert Kickl wäre Karl Nehammer wohl immer noch österreichischer Bundeskanzler. Es hätte schon gereicht, wenn die ÖVP ihren Anhängern auf gleichem Niveau wie die zugespitzten Botschaften erklärt hätte, dass Politik nur die Kunst des Machbaren bleibt und Maximalpositionen in Koalitionen nicht umsetzbar sind.
Aber weil die Parteien im Wahlkampf auch um ihre Identität kämpfen und sie ihren Wählern lieber ideologische Unbeugsamkeit als Kompromissbereitschaft signalisieren, verhärten sich die politischen Lager. Daher betrachten Wählerinnen und Wähler Einigungen abseits der Maximalposition oft als Verrat von Wahlversprechen. Politiker, die vor der Wahl Kompromisslosigkeit signalisieren, dürfen sich daher nicht wundern, wenn sie am Ende als Lügner dastehen.
Aber auch die Medien tragen dazu bei, dass Kompromisse nicht mehr als tugendhaft gelten. Zu nennen sind diesbezüglich die ideologisch eindeutig verorteten Kommentatoren der quotenheischenden Krawallsender, die jeden andersdenkenden Politiker, der von seiner Maximalposition abgehen muss, des Wortbruchs bezichtigen. Dabei ist jeder Kompromiss, der auf einem fairen Prinzip basiert, ein guter Kompromiss! Nur wenn alle Beteiligten gleichermaßen Zugeständnisse machen, kann der politischer Stillstand oder ein Bruch von Koalitionen – der fast immer nur die politischen Ränder stärkt – verhindert werden.
Politik ist wie Management ein Handwerk, dass erlernt sein muss. Ein guter Politiker muss für sich in der Lage sein, das gesamtgesellschaftliche Phänomen der wachsenden Kompromissscheu zu überwinden. Schon klar, dass in Zeiten von Social Media und fragmentierten Öffentlichkeiten das Verständnis für unterschiedliche Positionen abnimmt. Aber Politiker werden von ihren Wählern eben nur für jene rote Linien nicht bestraft, die sie nicht überschreiten können, weil sie gar nicht erst gesetzt wurden. In der medialen Öffentlichkeit liefert der tatsächliche oder zumindest herbeigeredete Bruch eines Wahlversprechens immer noch ein hervorragendes Angriffsziel auf die Politik. Viele Journalisten können dem möglicherweise zu Recht nicht widerstehen.
Das österreichische Verhältniswahlsystem mit der niedrigen Vierprozenthürde hat dazu geführt, dass keine Partei jemals mehr dazu in der Lage sein wird, ihre Agenda eins zu eins durchzusetzen. Eine Regierung, die aus mehreren Parteien besteht, kann nur bestehen, wenn sich alle Partner aufeinander zubewegen. Den Parteien kann man nur raten, ihren Wählern schon vor dem Wahltag zu signalisieren, dass sie selbst im Falle eines Wahlsieges auf die Umsetzung eines großen Teils der inhaltlichen Versprechen verzichten werden müssen. Ein Wahlprogramm ist kein Koalitionsvertrag.
Die drei Parteien der neuen österreichische Bundesregierung versuchen ihren Wählern zumindest jetzt darzulegen, dass sie mit Kompromissen tatsächlich viel mehr erreichen konnten, als wenn sie gar nicht erst Teil der Regierung wären. Dieser Weg ist der richtige. Denn die Bevölkerung muss täglich darin angeleitet werden, endlich zu begreifen, dass Kompromisse nicht das Ergebnis von Schwäche oder Verrat, sondern von verantwortungsvollem Regierungshandeln sind.
Noch geben die steigenden FPÖ-Umfragewerte Herbert Kickl vordergründig recht, dass er die Regierungsverhandlungen mit der ÖVP durch seine Unnachgiebigkeit zum Scheitern gebracht hat. Aber der Tag wird kommen, an dem auch immer mehr FPÖ-Anhänger realisieren, dass sie durch die kompromisslose Haltung des FPÖ-Chefs, mit dem dieser die Partei in der Regierung verhindert hat, viel mehr verloren als gewonnen haben.
Tandl macht Schluss! Fazit 211 (April 2025)
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